
Glutofen Deutschland: Des einen Freud, des anderen Leid
Vorwürfe gegen Bahn Bundespolizei ermittelt wegen Hitzedrama im ICE
Berlin/Offenbach - Beinahe wäre es das heißeste Wochenende aller Zeiten geworden - doch mit 38,8 Grad wurde es schließlich nur das schweißtreibendste in diesem Jahr. Der Spitzenwert wurde nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im rheinland-pfälzischen Bendorf gemessen.
Für manche wurden die hohen Temperaturen zum ernsthaften Problem: So spielten sich beispielsweise am Samstag in einem ICE von Berlin Richtung Bielefeld dramatische Szenen ab. Nachdem die Klimaanlage ausgefallen war, erlitten mehrere Jugendliche einen Hitzekollaps, dehydrierte Schüler lagen in den Gängen, eine schwangere Frau versuchte, eine Scheibe einzuschlagen. Am Ende mussten 27 Mitfahrer ärztlich versorgt werden. Die Temperaturen im Zug hätten jenseits der Marke von 50 Grad gelegen, berichteten Zeugen.
Mehrere Klassen des Gymnasiums im rheinländischen Willich und einer Gesamtschule in Remscheid hatten Berlin besucht - insgesamt 59 Schüler und fünf Lehrer. Schon kurz nach der Abreise am Samstag sei die Klimaanlage in dem ICE ausgefallen, berichtete die Schulleiterin des Gymnasiums in Willich nach Gesprächen mit Augenzeugen. Das Bahnpersonal habe die Schüler mit Getränken versorgt und in die erste Klasse gelassen. Doch auch dort versagte die Lüftung.
In Hannover seien die Schüler in einen anderen ICE umgestiegen, der überfüllt war - und in dem ebenfalls die Klimaanlage kaputt war. Auf dem Weg bis zum nächsten Stopp in Bielefeld wurde die Situation nach Aussagen der Rektorin dann sehr schwierig. Mitreisende Lehrer beschrieben, dass mehrere ältere Menschen zusammenbrachen und in den Gängen lagen.
Die Bahn räumte technische Probleme ein, sprach aber von "Ausnahmen"
Vom Zug aus wurden die Rettungskräfte in Bielefeld alarmiert. 91 Rettungskräfte waren im Einsatz, neun Jugendliche wurden ins Krankenhaus gebracht, einige erhielten Infusionen. Insgesamt wurden 27 Schüler medizinisch versorgt. Die Feuerwehr geht davon aus, dass alle Menschen das Krankenhaus wieder verlassen konnten. Es sei bereits vor Bielefeld bekanntgewesen, dass die Klimaanlage in dem Zug defekt gewesen sei, sagte die Bundespolizei-Sprecherin. Ein Zeuge habe sich bei einem Zugbegleiter gemeldet, nachdem er einen strengen Geruch nach verbranntem Gummi bemerkt habe. Der Zugbegleiter habe dann festgestellt, dass die Klimaanlage nicht mehr funktioniere. Der Zug sei aber trotzdem weitergefahren. Ob der Defekt bereits vor der Abfahrt in Berlin bemerkt worden sei, konnte die Sprecherin nicht sagen.
Die Bahn räumte technische Probleme ein, betonte aber, dass es sich um bedauerliche Ausnahmen handele. Bahn-Sprecher Jürgen Kornmann sprach von insgesamt drei ICE von Berlin Richtung Köln, die am Samstag in Hannover oder Bielefeld wegen Überhitzung aus dem Verkehr gezogen wurden.
In den modernen Zügen lassen sich die Fenster nicht öffnen. Schon im Hitze-Sommer 2003 brachen bei dem damals recht neuen ICE 3 die Klimaanlagen regelmäßig zusammen. Es gab Probleme mit Luftfiltern, die schnell verschmutzten und so verstopften, so dass die Klimaanlage erst weiter hochfuhr und sich dann abschaltete.
Bahnchef Rüdiger Grube entschuldigte sich am Sonntag telefonisch bei Schülern und Lehrern und drückte sein Bedauern aus.
Badeausflug endete für zwei Männer tödlich
Allerdings war es am Wochenende nicht ganz so schlimm wie im Jahr 2003: Damals war das Thermometer auf 40,4 Grad gestiegen - und damit so hoch wie nie. Dennoch war es Samstag und Sonntag morgens schon vielerorts um die 30 Grad heiß. Auch die Nächte waren tropisch und schafften kaum Linderung. In der Nacht von Samstag zu Sonntag zeigten erst um 2 Uhr alle Messstationen des Wetterdienstes Temperaturen unter 30 Grad.
Tausende suchten Abkühlung im Meer, in Seen und Freibädern. Für mehrere Menschen endete der Badeausflug allerdings tragisch. In Krefeld wurden zwei junge Männer beim Baden im Rhein von der Strömung eines vorbeifahrenden Schiffes mitgerissen. In Frankfurt wurde am Sonntag eine Leiche aus dem Main geborgen. Möglicherweise handelt es sich um einen Mann, der seit Freitagabend nach einem Sprung in den Fluss vermisst wird. In Bayern starb eine 81-Jährige bei einem Badeunfall im Weitmannsee bei Kissing.
Wer der großen Hitze entkommen wollte, war auf den ost- und nordfriesischen Inseln gut aufgehoben. Auf Helgoland stellte Meteomedia 20,5 Grad fest. Dazu wehte an den Küsten leichter Seewind. Der kühlste Ort war am Samstag die Zugspitze: Deutschlands höchster Berg hatte nach Meteomedia-Angaben in 2960 Metern Höhe nur elf Grad zu bieten.
Die Waldbrandgefahr ist aufgrund der langen Trockenheit und Hitze weiter hoch. Auf der Fernstrecke Nürnberg-Regensburg legten mehrere Böschungsbrände am Sonntag den Bahnverkehr lahm. Im Kreis Kleve kam es gleich zu mehreren Bränden auf Kornfeldern oder Grasflächen. Im südwestfälischen Finnentrop-Schönholthausen zerstörte ein Feuer rund 5000 Quadratmeter Fichtenwald.
Abkühlung erst am Dienstag erwartet
In Baden-Württemberg gab es am Samstagabend heftige Unwetter. Vor allem zwischen Offenburg und Freiburg liefen Keller voll, mehrere Bäume wurden entwurzelt. Der Wetterdienst Meteomedia berichtete von extremem Starkregen mit Hagel und schweren Sturmböen. Menschen wurden den Angaben zufolge nicht ernsthaft verletzt.
In den kommenden Tagen dürfte es nicht besser werden: Auch für Montag erwarten die Meteorologen Temperaturen bis zu 37 Grad. Dabei soll es drückend schwül bleiben. Bei fast absoluter Windstille ist nicht einmal ein Hauch von Abkühlung spürbar. Fast überall muss mit kräftigen Gewittern gerechnet werden. "Wo es runterkommt, da kübelt es richtig", sagte DWD-Meteorologe Christoph Hartmann. Grund sei die Windstille. Sie verhindere, dass Gewitter weiterzögen. Der DWD warnte vor Starkregen, Sturmböen und Hagel.
Am Dienstag soll sie dann endlich kommen, die ersehnte Abkühlung. Die "Kaltfront" des Mittelmeertiefs "Mae" lässt die Temperaturen abstürzen - auf immer noch sommerliche 25 Grad. Am Mittwoch ist die Zeit zum Durchatmen aber schon wieder vorbei: Dann sind 35 Grad angesagt.