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Strand ohne Sand

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Patrik Stollarz/ dpa

Sturmflutschäden auf Wangerooge Kein schöner Strand in dieser Zeit

Alle Sturmfluten wieder bricht der Badestrand auf Wangerooge ab - und die Insel lässt ihn in einer teuren Sisyphusarbeit wieder aufschütten. Doch nach Sturmtief "Sabine" stehen die Verantwortlichen vor einem Problem.
Von Wangerooge berichtet Lea Hensen

Wer auf Wangerooge an der Strandpromenade steht, blickt derzeit nicht auf den schönen Badestrand, sondern in einen Abgrund. Bis zu vier Meter ist die Abbruchkante am Sand tief. Unten laufen Spaziergänger am Wasser entlang, in der Mitte steht auf freier Fläche ein meterhoher Holzpfahl. Noch vor einer Woche war er bis oben mit Sand bedeckt.

Eine Reihe von Sturmfluten, die auf Sturmtief "Sabine" folgten, hat den Hauptstrand der Insel zerstört. Die Wassermassen haben Zehntausende Kubikmeter Sand abgetragen. Sturmfluten gibt es auf der Insel fast jedes Jahr. Dieses Mal allerdings kamen sie an vier Tagen ungewöhnlich schnell nacheinander.

Genaue Messungen der entstandenen Schäden gibt es noch nicht. Der parteilose Bürgermeister und Kurdirektor der Insel, Marcel Fangohr, schätzt, dass 80 Prozent der 100.000 Kubikmeter Badestrand weggespült worden sind. Normalerweise rissen die Fluten bis zu 55 Prozent weg, sagt er.

Kein Strand, keine Touristen

Der Tourismus ist für Wangerooge wichtig, fast alle 1300 Einwohner leben davon. Jährlich kommen etwa 140.000 Gäste auf die Insel, ohne Sand drohen die Touristen fernzubleiben. "Der Badestrand ist die Hauptattraktion der Insel", sagt Ulrike Kappler, Geschäftsführerin des Verkehrsvereins. Ließen die Besucherzahlen um zehn Prozent nach, so der Bürgermeister, drohten Gastronomie und Hotellerie Einbußen von bis zehn Millionen Euro. Auch die Kurverwaltung bekäme das direkt zu spüren: Sie macht mit der Strandkorbvermietung am Badestrand nach eigenen Angaben 700.000 Euro Umsatz.

Die Bilder der Abbruchkante in den Medien verunsichern die Badegäste. Ole Winkler ist Direktor des Strandhotels Gerken, das mit Blick auf den feinen Sandstrand wirbt. Winkler wunderte sich, als Gäste anriefen, um ihre Buchung zu stornieren. "Aufgrund der vielen Berichte dachten sie, dass auf der Insel 'katastrophale Zustände' herrschen", sagt er. Es ärgert ihn, wie der Strand dargestellt wird. Mit seinem Unmut ist er auf der Insel nicht allein. In Gesprächen wird deutlich, dass viele Insulaner nicht verstehen, warum die Abbruchkante in diesem Jahr so eine große mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Auch bei Frederike Babel, Inhaberin der Vermietungsagentur "fewooge", haben sich verunsicherte Touristen gemeldet. Allerdings nur diejenigen, die die Insel nicht gut kennen: "Stammgäste wissen, dass der Strand jedes Jahr neu aufgeschüttet wird."

Teure Sisyphusarbeit

Sturmfluten richten auf allen Ostfriesischen Inseln jedes Jahr Schäden an. Aufgrund ihrer östlichen Lage ist Wangerooge aber häufiger mit dem Problem konfrontiert. Nachdem Orkan Kyrill im Jahr 2007 über die Insel gefegt war, waren nach Angaben des Bürgermeisters sogar 100 Prozent des Badestrands weg.

Doch bislang gab es für dieses Problem immer eine Lösung: Wie bei allen Ostfriesischen Inseln transportiert die Strömung auch auf Wangerooge den Sand von West nach Ost. Jedes Jahr im März fuhren also Lkw an das Ostende der Insel und karrten Sand zum Hauptstrand zurück. Eine Sisyphusarbeit, die bis zu sechs Wochen lang dauert, und die Gemeinde jährlich 300.000 Euro kostet, so Bürgermeister Fangohr. "Wir sind deswegen im Haushaltsdefizit."

Reserven gehen aus

Tatsächlich ist es auch in diesem Jahr unwahrscheinlich, dass die Insel im Sommer keinen Badestrand haben wird. Doch laut Bürgermeister Fangohr wird die Aufschüttung künftig immer schwieriger - und teurer. "Die Flächen im Osten der Insel haben sich mit den Jahren nicht erholt", sagt er. Er schätzt, dass dort noch 30.000 Kubikmeter Sandreserven liegen. Für die benötigten 80.000 Kubikmeter am Hauptstrand reicht das nicht. Der Bürgermeister hofft, vom Bund eine Genehmigung für Sandbänke an der Ostküste zu bekommen. Bislang hat er auf die keinen Zugriff.

Überhaupt fordert er, dass der Bund mehr Verantwortung übernehmen und am Hauptstrand in bessere Buhnen investieren soll. Das sind die rechtwinklig zum Strand verlaufende Wellenbrecher aus Stein. Sie seien alt und marode und schützten die touristische Hauptattraktion nicht genug. Das Problem: Der Bund ist für den Küstenschutz, nicht aber den Schutz von Touristenattraktionen zuständig. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz hatte am Freitag keine Risiken für die Sicherheit der Insel festgestellt. Fangohr argumentiert, dass der Sandstrand nicht nur touristisch relevant ist, sondern für das darunter liegende Deckwerk wichtig sei - er dämpfe die Wellen ab und erfülle so eine Funktion im Sinne des Küstenschutzes.

An der Promenade steht ein Ehepaar aus Oldenburg, kurz nach dem Sturm sind sie angereist. "Es ist schon enorm, wie viel Sand da weggebrochen ist", sagt Karsten Schreiber. "Aber ich schätze, das ist einfach Natur." Zur Ruhe wird die Insel so schnell wohl nicht kommen. Schon Sonntag soll der nächste Sturm kommen.

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