Sicherheitsmängel im Weißen Haus "Wie konnte das passieren?"

Ein bewaffneter Irak-Veteran dringt ins Weiße Haus ein. Ein Gewaltverbrecher fährt allein mit Barack Obama Aufzug: Der Secret Service hat die Bewachung des US-Präsidenten offenbar nicht im Griff. Jetzt gerät die Chefin des Dienstes in die Kritik.
Julia Pierson, Leiterin des Secret Service: "Wir sind schockiert."

Julia Pierson, Leiterin des Secret Service: "Wir sind schockiert."

Foto: AP/dpa

Washington - "Wie um alles in der Welt konnte das passieren?", wetterte der Republikaner Darrell Issa in der ersten Anhörung zur jüngsten Sicherheitspanne im Weißen Haus - und formulierte damit die Frage, die sich Sicherheitsexperten rund um den Globus derzeit stellen.

Das ist passiert: Am 19. September kletterte der obdachlose Irakkriegsveteran Omar Gonzalez über den Sicherheitszaun des Weißen Hauses und stürmte in das Gebäude. Aufgehalten wurde er nicht - im Gegenteil: Er konnte ungehindert bis in die Empfangsräume des US-Präsidenten vordringen. Er war mit einem Messer bewaffnet, in seinem Auto fanden Ermittler später zwei Beile, eine Machete und 800 Schuss Munition.

Nun fragen Politiker und Beobachter in Washington: Ist der Secret Service überhaupt noch in der Lage, den US-Präsidenten wirksam zu schützen? Im Kreuzfeuer der Kritik steht die Leiterin des Dienstes, Julia Pierson. Die 55-Jährige war ursprünglich angetreten, um in dem Dienst für Ordnung zu sorgen und musste sich nun erstmals vor einem Kongresskomitee verantworten.

Pierson nannte den Vorfall "inakzeptabel" und übernahm die volle Verantwortung: "Wir vom Secret Service sind schockiert darüber, wie es zu diesem Zwischenfall kommen konnte." Es sei "augenscheinlich, dass Fehler gemacht wurden". Diese würden sich nicht wiederholen. Ihre erste Maßnahme: Die Eingangstür des Weißen Hauses wurde mit einem automatischen Schließmechanismus versehen, der "im Fall eines Sicherheitsproblems" greift.

Und was ist mit den Sicherheitsleuten, die offenkundig nicht aufgepasst haben? "Eventuelle Disziplinarmaßnahmen" würden nach einer internen Untersuchung des Secret Service ergriffen, ließ Pierson verlauten. Dem Dienst fehle Personal, um optimal arbeiten zu können. Wegen Sparmaßnahmen und "anderer finanzieller Zwänge" habe es Kündigungen gegeben.

Diese Erklärung reichte Darrell Issa nicht. Eine interne Untersuchung werde wohl kaum ausreichen, um das Vertrauen in den Secret Service wiederherzustellen, empörte sich der Kommissionsvorsitzende. Der Vorsitzende des Heimatschutz-Komitees, Michael McCaul, sekundierte: Man werde die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission beantragen.

Präsident allein mit Gewaltverbrecher im Lift

Denn der Vorfall war keinesfalls ein Einzelfall. Wie jetzt bekannt wurde, fuhr US-Präsident Barack Obama vor zwei Wochen beim Besuch einer Gesundheitsbehörde in Atlanta mit einem bewaffneten Mann allein im Aufzug. Der Mann arbeitete für die Sicherheitsfirma, die die Gesundheitsbehörde bewacht. Laut "Washington Post" ist er dreifach vorbestraft - wegen tätlicher Angriffe und Körperverletzung. Während der Fahrt im Aufzug machte er mit seinem Handy Fotos und Videos von Obama - und hörte auch nach wiederholter Bitte nicht damit auf.

Schon zuvor sind Mitarbeiter des Secret Service mehrfach massiv in die Kritik geraten:

  • Ein Personenschützer wurde während eines Präsidentenbesuchs in den Niederlanden in einem Hotel betrunken aufgefunden.
  • Zwei weitere hatten im US-Bundesstaat Florida einen Unfall - unter Alkoholeinfluss, wie die "Washington Post" berichtete.
  • Im April 2012 erschütterte ein Skandal um Prostituiertenbesuche während eines Kolumbien-Aufenthalts des Präsidenten den Secret Service.
  • 2011 konnte ein Mann Schüsse auf das Weiße Haus abgeben.

In der dreistündigen Anhörung musste sich Pierson nun dafür rechtfertigen, dass sie zunächst behauptet hatte, der Irak-Veteran Omar Gonzalez sei in der Nähe des Eingangs des Weißen Hauses aufgegriffen worden. In Wahrheit drang er bis zum East Room vor, dem Empfangsraum des US-Präsidenten (siehe Grafik unten). Auf dem Weg dorthin soll er ungehindert an einer Sicherheitsangestellten vorbeigegangen sein.

Interaktiv

Gonzalez muss sich vor einem Gericht in der US-Hauptstadt Washington verantworten. Dem 42-Jährigen werden das unerlaubte Betreten von Sperrgebiet, das Mitführen einer gefährlichen Waffe sowie illegaler Besitz von Munition vorgeworfen. Eine sogenannte Grand Jury aus Laienrichtern wird über den Fall urteilen. Bei einem Schuldspruch droht Gonzalez eine Haftstrafe von bis zu 16 Jahren.

ala/AP
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