Peng!-Kollektiv will Werbeleute dazu bringen, sexistische Kampagnen zu verpetzen
Dieser Beitrag wurde am 29.04.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Eine junge Frau läuft in einem Video durch ihre Werbeagentur – die Kollegen feiern, gerade hat man einen neuen Auftrag klargemacht. Doch die Frau weiß schon jetzt: Das geht schief. Diese Kampagne ist sexistisch, rassistisch oder anders verstörend. Und sie wird jetzt schon Aktivisten warnen.
Der Clip wurde vom "Peng!"-Kollektiv veröffentlicht, um auf die Initiative "Werbung gegen Werbung" aufmerksam zu machen:
Dabei beließen es die Aktivisten nicht: Freitagnachmittag statteten sie Agentur "Jung von Matt" persönlich einen Besuch ab, verteilten Zettel und forderten die Mitarbeiter zu Sabotage auf. Unter dem Slogan "Adblockers" riefen sie dazu auf, fragwürdige Werbekampagnen noch während der Entstehung zu verraten. Am besten so, dass pünktlich zur Veröffentlichung kreativer Gegenprotest organisiert werden kann.
Dafür wurde auch eine Internetseite und ein Postfach für anonyme Hinweise eingerichtet.
Was wollen die Aktivistinnen damit erreichen?
Darüber haben wir mit Jona Ziegler vom "Peng"-Kollektiv gesprochen. Der Name ist ein Pseudonym, das die Künstler dahinter bereits schon mehrfach verwendet haben, um anonym zu bleiben.
Jona, meint ihr die Petz-Aktion eigentlich ernst?
Absolut. Wir möchten, dass sich Menschen, die in der Werbung arbeiten, bewusster mit ihrer Arbeit auseinandersetzen. Niemand muss rassistische Reklame für einen Baumarkt machen.
Wie viele Menschen haben sich schon bei euch gemeldet?
Bislang haben wir noch keine seriösen Rückmeldungen. Das ist aber auch kein Wunder. Wir gehen davon aus, dass es mehrere Tage oder Wochen dauert, bis sich die Kampagne in Agenturen und im Internet rumspricht.
Adbusting-Kampagnen gibt es doch schon. Warum braucht es noch einen Whistleblower-Aufruf, der möglicherweise Menschen in juristische Schwierigkeiten bringt oder sie den Job kostet?
Ob man uns hilft, muss jeder selbst für sich entscheiden. Es ist auf jeden Fall ein Schritt, der Mut erfordert. Wer uns auf Missstände hinweist, muss selbst ein bisschen zum Aktivisten werden. Dafür muss man Haltung haben. Wir versprechen aber, dass wir absolut verantwortungsbewusst mit den Informationen umgehen. Wir werden nie Dinge veröffentlichen, die an uns geschickt werden.
Deshalb gibt es auf unserer Seite auch Sicherheitshinweise. Niemand sollte vom Arbeitsplatz aus Unterlagen an uns schicken oder dafür das Firmenhandy verwenden.
Was genau wollt ihr mit der Kampagne denn erreichen?
Bislang haben Aktivistinnen und Aktivisten immer einen großen Nachteil, weil sie nur reagieren können. Das dauert oft zwei oder drei Wochen. Wir wollen dieses Prinzip umdrehen. Wenn rassistische oder moralisch fragwürdige Kampagnen an den Start gehen, folgt unsere Antwort sofort. So können Botschaften hinterfragt werden, bevor sie Wirkung zeigen. Am Ende wollen wir eine große Kampagne anstoßen, auch unter Werbern.
Wollt ihr damit Werbung besser machen?
Wir können Werbung nicht von heute auf morgen abschaffen. Deshalb braucht es kleine Schritte: Ein Ende von diskriminierender Werbung und Greenwashing. Manche von uns sympathisieren auch mit der Idee, dass Innenstädte grundsätzlich werbefrei werden. Grundsätzlich sollten Unternehmen offen dazu stehen und ihre Arbeit selbstkritisch aufarbeiten, wenn sie Fehler machen.
In einer eurer Erklärungen heißt es über die Werbebranche: "Sie betreibt seit über 70 Jahren professionalisierte Manipulation". Das klingt düster. Welche Formen von Werbung sind für euch okay und welche nicht?
Wir wollen nicht die Geschmackspolizei für die Werbeindustrie zu sein. Was Unternehmen und Agenturen veröffentlichen, müssen sie selbst entscheiden. Wir finden es aber krass, welchen Einfluss Werbung in unserem Leben hat.
Laut dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft werden in Deutschland jährlich 46 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Das ist mehr, als das Verteidigungsministerium zur Verfügung hat. Mit diesem Geld werden viele fragwürdige Bilder vermittelt.
Neben klischeebelasteten und diskriminierenden Kampagnen gibt es auch das Gegenteil: Unternehmen, die mit ihrer Verantwortung werben, demonstrativ divers sind oder sich politisch positionieren. Was sagt ihr über diese Entwicklung?
Von ihrer Verantwortung können sich Firmen nicht freikaufen.
Ein gutes Image ersetzt auch kein faires Arbeitsklima. Aber wenn Unternehmen Haltung gegen Rassismus zeigen, finden wir das natürlich gut.
Auch die Bahn hat das ja unlängst gemacht und wurde für ihre klaren Worte an Boris Palmer von Vielen gefeiert. Von Rassismus betroffene Menschen schrieben danach allerdings, dass die gezeigte Vielfalt nicht zu ihren Erlebnissen im Zug passt. Was sagt ihr dazu?
Das zeigt gut, wie viel eine Diskussion um Werbung bewirken kann. Und wie wichtig es ist, Unternehmen an ihren eigenen Maßstäben zu messen.