DWD-Meteorologe »Der Schneesturm ist noch nicht vorbei«

Rheda-Wiedenbrück: Ein Auto fährt über die völlig zugeschneite A2
Foto: Marcel Kusch / dpaSchneeberge in Ostwestfalen, Eisregen im Ruhrgebiet: Der heftige Wintereinbruch hat die Räumdienste an ihre Grenzen gebracht. Die Polizei musste spiegelglatte Autobahnen sperren, es gab Hunderte Unfälle, bei der Bahn fielen Züge wegen vereister Oberleitungen aus. Busse standen vielerorts still. In Städten wie Bielefeld waren zahlreiche Straßen nicht passierbar. Autos blieben in tiefen Schneewehen stecken.
Zwischen Hamburg und Nordrhein-Westfalen sowie zwischen Hamburg und Hannover verkehrten keine Züge – zwischen Hamburg und Berlin komme es zu Einschränkungen, teilte die Deutsche Bahn auf ihrer Internetseite mit. Ebenfalls nicht vom Fernverkehr angefahren werde die Region Leipzig/Halle. »Besonders starker Wind und Schneeverwehungen machen den Einsatzkräften zu schaffen«, hieß es. Der Fernverkehr zwischen Deutschland und den Niederlanden wurde eingestellt.
In NRW und Niedersachsen gab es auch Probleme im Regionalverkehr – ebenso in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Die Situation an den Bahnhöfen sei aber ruhig. Die meisten Menschen hätten sich an die Empfehlung des Deutschen Wetterdienstes gehalten und seien zu Hause geblieben.
Besonders stark waren die Einschränkungen in Westfalen. Dort stellte die Deutsche Bahn den Nahverkehr bis auf wenige Ausnahmen ein. Die Linien RE2, RE17, RE18, RE42 sowie zahlreiche Regionalbahn- und S-Bahn-Linien fallen dort bis auf Weiteres aus. Hinzu kamen Oberleitungsstörungen auf den Strecken zwischen Duisburg und Krefeld, Hagen und Wuppertal, Witten und Hagen sowie Duisburg und Essen. In NRW stellten mehrere Städte und Kreise außerdem den Busverkehr komplett ein – etwa Münster und Dortmund.

Schnee und Eisregen
»Der Schneesturm ist noch nicht vorbei«, sagte Meteorologe Simon Trippler vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach . »Hotspots sind der Niederrhein, das Münsterland, Ostwestfalen, das nördliche Thüringen, das südöstliche Niedersachsen und das südliche Sachsen-Anhalt.«
Mit fünf bis zehn Zentimetern Schnee, lokal auch bis zu 20 Zentimetern, müsse im Laufe des Sonntags noch gerechnet werden. Der Wind halte auch weiterhin an mit Sturmböen von bis zu 70 Kilometern pro Stunde. »Das ist auf keinen Fall durchgestanden. Damit müssen wir bis heute Abend warten.«
Zirkuszelt unter Schneelast eingestürzt
In Hagen stürzte wegen der großen Schneemassen ein Zirkuszelt ein. 13 Tiere wurden gerettet. Die sieben Pferde, zwei Kamele, zwei Ziegen sowie zwei Lamas, die sich in dem Zelt befanden, blieben laut Polizei unverletzt.
Einsatzkräfte befreiten sechs Menschen aus einer Schwebebahn in Wuppertal. Die Bahn konnte durch das eisige Wetter nicht mehr fahren und sei stehen geblieben, sagte ein Feuerwehrsprecher. Die Fahrgäste wurden mit Drehleitern aus luftiger Höhe befreit. Alle seien unverletzt.
Das Heimspiel von Arminia Bielefeld gegen Werder Bremen in der Fußball-Bundesliga am Abend wurde wegen des massiven Wintereinbruchs in der Region abgesagt, ebenso das Heimspiel des Fußball-Zweitligisten SC Paderborn gegen den 1. FC Heidenheim am Nachmittag.
Wettermeldungen der Nutzer:innen der #Warnwetter-App bestätigen nachdrücklich die Warnlage. Informieren Sie sich weiterhin. Die kritische Wetterlage ist nicht vorüber. /kis pic.twitter.com/ixC5AUTqc2
— DWD (@DWD_presse) February 7, 2021
In Bielefeld sperrte die Polizei zeitweise die A2 am Bielefelder Berg. Weil starker Wind immer neuen Schnee auf die Fahrbahn wehte, kamen die Räumfahrzeuge nicht hinterher. Ein starker Ostwind wehte den vielen Neuschnee aus der Nacht immer wieder auf die gerade geräumten Fahrbahnen.
Auf vielen Autobahnen vor allem im Münsterland, in Ostwestfalen und im Ruhrgebiet kam es nach Angaben der Verkehrszentrale NRW zu Staus und Verzögerungen – Autos konnten vielerorts nur sehr langsam fahren. Seit Samstagnachmittag sei es zu bislang 222 Unfällen aufgrund des Wetters gekommen, sagte ein Sprecher der Landesleitstelle der Polizei am Morgen. Dabei seien zwei Menschen schwer und 26 leicht verletzt worden.
In Osthessen kam der Lastwagenverkehr auf den Autobahnen in der Nacht zum Sonntag zeitweise zum Erliegen. Mehr als 50 Sattelzüge hätten aufgrund der glatten Fahrbahn und ihres Gewichts die Steigungen nicht überwinden können, teilte die Polizei in Bad Hersfeld mit.
In der Steigungsstrecke im Knüllwald zum 448,1 Meter hohen Pommer in Richtung Kassel sei der Verkehr von Mitternacht bis vier Uhr morgens komplett zum Erliegen gekommen. 35 Sattelzüge hatten sich auf allen drei Fahrspuren aufgrund der Schneeglätte festgefahren. Mehrere Streifen der Autobahnpolizei und Streufahrzeuge konnten den Verkehr nach vier Stunden wieder zum Fließen bringen. In der Gegenrichtung war die Steigungsstrecke zum Pommer für etwa zwei Stunden blockiert – zehn Sattelzüge hatten sich festgefahren.
Besonders schutzlos der Kälte ausgesetzt sind Menschen ohne festen Wohnsitz. In der eiskalten Winternacht haben Einsatzkräfte etwa in Nordrhein-Westfalen zahlreiche Obdachlose angesprochen und in warme Unterkünfte gebracht. Auch in Berlin wurde ein großes Obdachlosencamp geräumt, was allerdings auch auf Kritik stieß. Linke Gruppen hatten am Samstag zum Protest aufgerufen und gefordert, dass die ehemaligen Bewohner des Camps dorthin zurückkehren dürfen.