Eingeschneites Europa Winterzauber, Winterchaos
Hamburg - Kaum eine andere Wetterlage bringt gleichzeitig so viel Freude und Leiden: In Deutschland und anderen Ländern Europas fiel am Sonntag weiter reichlich Schnee. Die klirrende Kälte, die viele für Winterspaziergänge und zum Rodeln nutzten, war für andere Menschen lebensbedrohlich oder sogar tödlich.
In Kroatien starben vier und in Serbien ein Mensch wegen der Kälte, wie die Behörden am Sonntag mitteilten. Der Verkehr brach vielerorts zusammen, der Flughafen von Zagreb war mehrere Stunden geschlossen. Auch Bundespräsident Joachim Gauck konnte am Samstag erst mit Verspätung nach Deutschland zurückfliegen. Auf der Autobahn von Belgrad Richtung ungarischer Grenze steckten viele Autofahrer stundenlang fest.
Schneestürme wurden auch aus Slowenien und Bosnien gemeldet. Mehr als ein halber Meter Neuschnee sorgte in Serbien am Sonntagmorgen für Chaos. In Novi Sad erfror ein Mann in seinem Haus, wie die Nachrichtenagentur Tanjug meldete. In der Stadt Ljig südlich von Belgrad mussten Tausende Menschen nach einem Schaden im Stromnetz ohne elektrische Energie und Heizung auskommen. In Polen kostete der Wintereinbruch seit Freitag drei Menschen das Leben, die Temperaturen lagen in einigen Regionen unter 15 Grad Minus.

Kälte in Europa: Der Winter tobt sich aus
In Tschechien erfroren drei Menschen, meldete die Agentur CTK. Eine obdachlose Frau wurde tot auf der Bank eines Busbahnhofs in der östlich gelegenen Stadt Roznov pod Radhostem gefunden. Im Norden starben zudem zwei Männer an Unterkühlung. Am kältesten wurde es am Sonntag mit minus 23,9 Grad auf 1000 Meter Höhe in der Böhmerwald-Einöde Breznik an der Grenze zu Bayern.
Nach einem tragischen Flugzeugunglück in Hessen geht die Suche nach der Absturzursache wegen des harschen Wetters nur schleppend voran. Die Experten des Bundesamts für Flugunfalluntersuchung (BFU), die am Sonntagmorgen an der Unglücksstelle eintrafen, erwarteten wegen Schnee und Wind langwierige Ermittlungen. Die Wracks seien mit Planen abgedeckt worden, um Spuren zu sichern. Die Kleinteile seien aber weit zerstreut, hieß es.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte für Hessen für Sonntag sogar eine Unwetterwarnung wegen teilweise heftiger Schneefälle herausgegeben. Bei einem der bundesweit schwersten Flugzeugunglücke der vergangenen Jahre waren am Samstag nördlich von Frankfurt am Main zwei Kleinflugzeuge zusammengestoßen und auf dem Boden zerschellt. Dabei starben vier Erwachsene und vier Kinder.
Helikopter bläst Reh vom Eis
Der Frankfurter Flughafen wurde vorübergehend für ankommende Maschinen gesperrt. Deutschlands größtes Luftfahrtdrehkreuz machte um 14 Uhr für eine Stunde dicht. Wegen des Schneefalls hätten sich zahlreiche Abflüge verspätet, sagte eine Sprecherin. Diese Maschinen stauten sich am Boden, weshalb es für ankommende Flugzeuge nicht genügend Parkpositionen gebe. Bis zum Nachmittag seien 270 Flüge annulliert worden, hieß es.
In Mecklenburg-Vorpommern und in Hamburg rettete die Polizei zwei Menschen vor dem Erfrieren, beide hatten mit ihren Handys die Retter gerufen. Ein 32-jähriger Mann hatte sich nach Schilderung der Polizei in der Nacht zum Sonntag bei minus sechs Grad im Landkreis Vorpommern-Rügen im Wald verlaufen. Er konnte seinen Bruder telefonisch alarmieren und wurde gerettet.
In Hamburg lotste eine 22-jährige Frau Polizei und Feuerwehr am Freitagabend mit ihrem Mobiltelefon. Sie war im Wald bei Hamburg-Neugraben gestürzt und konnte nicht mehr laufen. Mehr als 80 Rettungskräfte rückten zur Suche aus. Bei Dunkelheit und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt durchkämmten sie das Gebiet rund zwei Stunden lang mit einem Hubschrauber und Hunden. Die junge Frau hielt über ihr Handy Kontakt und dirigierte erfolgreich ihre Retter.
Auch ein Reh entkam in Schleswig-Holstein einem düsteren Schicksal. Das Tier war am Samstag auf einem See bei Eutin auf dünnem Eis festgefroren. Der Besatzung eines Hubschraubers gelang es mit geschickten Flugmanövern, das Reh vom Eis ans nächste Ufer zu blasen. Nach Angaben der Polizei sprang das unverletzte Tier sofort weg.
20 Zentimeter Neuschnee
Vor der rettenden Idee hatten die Beamten zunächst überlegt, das Reh mit einem Schlauchboot vom Eis zu holen. Sie wollten aber keine Menschen in Gefahr bringen. Dann sollte ein Jäger das Tier mit einem gezielten Schuss erlösen. Weil die Kugeln aber Menschen am anderen Ufer hätten treffen können, kam auch das nicht infrage. Nach einer Stunde wollten die Helfer aufgeben, als zufällig der Hubschrauber der Bundespolizei von seiner Ostseestreife zurückkam. Die Piloten hatten das Geschehen im Funk verfolgt und boten an, das Tier vom Eis zu wehen.
Die Meteorologen des DWD erwarten bis zum Montag wieder bis zu 20 Zentimeter Neuschnee. "Dabei weht auf den Höhenlagen ein zum Teil stürmischer Wind, was verbreitet Schneeverwehungen zur Folge hat", sagte eine Wetterforscherin.
Nur am Niederrhein steigen die Temperaturen über den Gefrierpunkt. Dort kann der Schnee in Regen übergehen, der auf dem kalten Boden zu gefährlichem Blitzeis gefriert. Eine Wetteränderung ist nicht in Sicht: "Schnee, Eis und Frost werden uns auch im Laufe der Woche begleiten", sagte die Meteorologin. Am Mittwoch soll sich im ganzen Land dann aber häufiger die Sonne zeigen.