Bilder des Zweiten Weltkrieges Als die Kamera zur Waffe wurde
Adolf Hitler, der Initiator des Zweiten Weltkriegs, hatte schon in einer seiner ersten Kabinettssitzungen im Frühjahr 1933 apodiktisch erklärt, dass die Zukunft Deutschlands vor allem anderen vom Wiederaufbau der Wehrmacht abhänge. Er ließ nicht nur aufrüsten, sondern alsbald auch die Fotografen auf den Ernstfall vorbereiten.
Bereits 1938, ein Jahr vor dem Überfall auf Polen, begann die Wehrmacht damit, für ihre Propagandakompanien (PK) Männer vom Fach zu rekrutieren. Die meisten der PK-Bildberichterstatter waren professionelle Fotografen, die sich freiwillig meldeten, um dem Schicksal der gewöhnlichen Frontsoldaten zu entkommen. "Wir sind Soldaten einer neuen Waffe in der Hand des Führers: der Propagandakompanien", schrieb einer von ihnen. "Die Kamera ist eine Waffe geworden in der Hand von Soldaten."

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Absolut tabu waren für die PK-Fotografen Bilder von schwer verwundeten oder gefallenen Kameraden. Sie galten für die Verwandten in der Heimat als unzumutbar. Auch Fotos von deutschen Soldaten oder SS-Männern, die Juden oder Partisanen liquidieren, hatten keinerlei Chance, die Zensur zu passieren. Viele der Fotografen in Uniform behielten deshalb die Filme mit Fotos, die nie veröffentlicht worden wären, für sich.
Obgleich die deutschen PK-Fotografen zunächst die technisch besten und für die Propaganda geeignetsten Fotos machten, unterschieden sich diese deutlich von den Bildern der kleinen Gruppe unabhängiger Fotografen, die "eingebettet" auf Seiten der Alliierten arbeiteten. Robert Capa, der später die legendäre Fotografenagentur "Magnum" gründete, Margaret Bourke-White und Eugene Smith, die für "Life" arbeiteten, lieferten weniger Bilder von strahlenden Helden, sondern von Menschen, die unter dem Krieg litten. Sie verherrlichten nicht den Krieg, und von Capa ist der Ausspruch überliefert: "Der sehnlichste Wunsch eines Kriegsfotografen ist der nach Arbeitslosigkeit."
Auch die Soldaten, die keine professionellen Fotografen waren, aber eine private Kamera im Marschgepäck hatten, haben brisante Bilder hinterlassen. Obgleich das NS-Regime auf totale Überwachung aus war, ließ es das unkontrollierbare Fotografieren von Hunderttausenden von Soldaten nicht nur zu, sondern förderte es sogar. Die Erinnerungsfotos der "Knipser" sollten die für die Moral entscheidende Verbindung zwischen Heimat und Front stärken.
Die meisten der Amateurfotografen in Uniform machten Aufnahmen von den Kameraden ihrer Einheit, die den Krieg als harmlosen, lustigen Schulausflug erscheinen lassen. Zudem nahmen sie gern - als bewaffnete Touristen - Landschaften, Baudenkmäler und Menschen in den besetzten Gebieten auf.
Viele der Knipser allerdings fühlten sich auch von den Gräueln des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion wie magisch angezogen. Sie fotografieren derart häufig Erschießungen und Erhängungen von Juden oder Partisanen, dass Wehrmachtsgeneräle und auch der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, das Fotografieren solcher Szenen streng untersagten.
Rotarmisten zogen dennoch gefallenen oder gefangen genommenen deutschen Soldaten viele solcher Horror-Bilder aus den Brieftaschen. Sie wurden zu Beweismitteln in Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher in der Sowjetunion und später bei der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Deutschland.
Das gleiche gilt für die fotografischen Zeugnisse des Holocaust und besonders für die nach der Befreiung der Konzentrationslager durch die alliierten Truppen aufgenommenen Bilder. Ob diese am schwersten zu ertragenden und eindrücklichsten Fotos des 20. Jahrhunderts gezeigt werden sollen, darum hatte sich schnell eine bis heute immer wieder auflebende Debatte entwickelt. Fördern die Bilder ausgemergelter Häftlinge die Abstumpfung? Entehren die Fotos der Leichenberge die Opfer auf ein Neues? Oder aber dienen sie der Aufklärung?
Der Herausgeber der Buches, SPIEGEL-Redakteur Michael Sontheimer, macht sich in seinem Essay zur Fotografie im Zweiten Weltkrieg die Auffassung des Schriftstellers Walter Benjamin zu Eigen, des Berliner Juden, der sich 1940 auf der Flucht vor den Nazis das Leben nahm. "Hat nicht der Fotograf", so hatte Benjamin schon lange vor dem Kriegt gefragt, "die Schuld, auf seinen Bildern aufzudecken und den Schuldigen zu bezeichnen?"
Der Fotoband "Bilder des Zweiten Weltkrieges" wird vom DVA und dem SPIEGEL-Buchverlag herausgebracht. Er ist seit 31. Januar im Buchhandel und im SPIEGEL-Shop erhältlich.