Der Fall Ohnesorg Stasi hatte auch Kurras' Einsatzleiter im Visier

Die Stasi-Akte des Westberliner Polizisten Karl-Heinz Kurras, der am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, liefert weitere Aufschlüsse. Nach Informationen des SPIEGEL versuchte die DDR-Staatssicherheit auch den damaligen Leiter des Polizeieinsatzes als Agenten zu werben.

Hamburg - Auch der Einsatzleiter des Polizeilichen Staatsschutzes, der am Abend des 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg verfolgt hatte, war im Visier des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Das geht aus der Stasi-Akte des Ohnesorg-Todesschützen Karl-Heinz Kurras und den Angaben eines früheren MfS-Offiziers hervor.

So findet sich in den Unterlagen der Birthler-Behörde ein Vermerk, demzufolge Kurras' Einsatzleiter Helmut Starke mindestens seit Mai 1967 für die Stasi "erfasst" gewesen sei. Sechs Tage nach Ohnesorgs Tod wurde auf dem Papier handschriftlich ergänzt, dass Starke vom MfS "mit dem Ziel der Werbung bearbeitet" werde.

In der Birthler-Behörde konnten bislang keine weiteren Dokumente zu dem brisanten Vorgang gefunden werden.

Der damals zuständige Offizier der MfS-Hauptabteilung VIII bestätigte dem SPIEGEL indes, dass er seinerzeit mit der Rekrutierung Starkes beauftragt gewesen sei. Seiner Erinnerung nach habe der Plan jedoch nicht realisiert werden können, jedenfalls nicht durch die Hauptabteilung VIII ("Beobachtung und Ermittlung"). Ob später eine andere Dienststelle der Stasi die "Bearbeitung" Starkes übernommen hat, schließt der Ex-Offizier nicht aus.

Nach Angaben der Tochter des 1995 verstorbenen Kriminalbeamten sei Starke von der DDR "massiv unter Druck" gesetzt worden. Sie erinnert sich unter anderem an mehrere "Drohbriefe aus dem Osten", die ihr Vater im Zusammenhang mit dem Tod Ohnesorgs erhalten habe. Obwohl sich der Hauptkommissar des West-Berliner Staatsschutzes am 2. Juni in unmittelbarer Nähe des Tatorts aufgehalten hatte, gab er später vor Gericht an, Kurras' Todesschuss nicht gehört zu haben.

Der West-Berliner Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras arbeitete von 1955 bis 1967 für die Staatssicherheit - nach Informationen des SPIEGEL lieferte er in dieser Zeit dem Ministerium (MfS) Hunderte von brisanten Berichten, darunter 24 Informationen über festgenommene Spione der Stasi. Zudem überbrachte Kurras seinen Führungsoffizieren, so lässt sich Stasi-Akten entnehmen, Details über mindestens fünf "desertierte MfS-Angehörige".

Kurras hatte am 2. Juni 1967 am Rande einer Demonstration gegen den persischen Schah in Berlin den Studenten Benno Ohnesorg erschossen. Erst vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass Kurras zu jener Zeit SED-Mitglied war und für den DDR-Staatssicherheitsdienst als IM "Otto Bohl" arbeitete. In zwei Prozessen wegen seines Todesschusses auf Ohnesorg war der Polizist 1967 und 1970 freigesprochen worden.

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