Priesterliches Zölibat Die fromme Hoffnung der Geliebten

Papst Franziskus: "Ich helfe ihm, sich zu bessern"
Foto: TIZIANA FABI/ AFPAls Kardinal in Buenos Aires wie auch als Papst in Rom hielt Jorge Maria Bergoglio Kontakt zu einer Frau, die seine Kirche eher als laut und lästig empfand. Clelia Luro, die Witwe des argentinischen Ex-Bischofs Jerónimo Podestà, kämpfte bis zu ihrem Tod im November 2013 gegen den Zölibat, die amtskirchlich erzwungene Ehelosigkeit römisch-katholischer Priester.
1966 lernte die damals 39-jährige allein erziehende Mutter von sechs Kindern den sechs Jahre älteren Bischof Podestà kennen - als dessen Sekretärin. Sie verliebten sich, wurden ein Paar, und die katholische Kirche fand das gar nicht gut. Podestà war ohnehin verpönt, weil er sich offen zur revolutionären Befreiungstheologie bekannte. Er wurde zum Titularbischof degradiert und so lange weiter unter Druck gesetzt, bis er 1972 sein Amt aufgab. Er heiratete Clelia. Für die Kirchenhierarchie existierte er nicht mehr.
Als er 2000, bettelarm, im Sterben lag, eilte Erzbischof Bergoglio zu dem Verfemten ins Krankenhaus, hielt lange seine Hand, spendete ihm die letzte Ölung und sorgte dafür, dass seine Frau bei ihm bleiben durfte. Bis dahin hatte das Personal ihr nur 15 Minuten bewilligt.
Seitdem blieben die einstige Priester-Geliebte und der spätere Papst Franziskus miteinander in Kontakt, telefonierten jede Woche. Das Kirchenoberhaupt weiß also sehr gut, welches Leiden das strikte Beharren der römisch-katholischen Kirche auf den Zölibat verursachen kann, wenn sich ein Priester und eine Frau verlieben.
Eine Frage der Disziplin
In Italien haben sich nun 26 Frauen in einem offenen Brief an Franziskus gewandt, die über das Leiden unter dem Zölibat vermutlich noch besser Bescheid wissen: heimliche Geliebte von Priestern. Sie schreiben voller Hoffnung, dass dieser Barmherzigkeit predigende Menschenversteher ihnen "die größte Freude bereiten" werde, "die ein Vater für seine Kinder will: uns glücklich zu sehen". Glücklich, weil der Papst den Pflichtzölibat für katholische Priester abschaffen möge, zum Wohl ihrer Liebe und ihres Lebens und "zum Wohl der ganzen Kirche".
Allein: Sie werden darauf vermutlich lange warten müssen. Bergoglio sagte noch als Erzbischof in einem Gespräch (veröffentlicht als Buch "Über Himmel und Erde") mit seinem Freund Abraham Skorka, dem Rabbiner von Buenos Aires: "Im Augenblick bin ich für die Beibehaltung des Zölibats, mit allem Für und Wider, die er mit sich bringt, weil es zehn Jahrhunderte mehr positive als negative Erfahrungen gibt."
Wenn ein Priester eine Frau geschwängert habe, müsse er konsequenterweise sein Priestertum aufgeben und sich seines Kindes annehmen. "Kümmere dich um dein Kind, das hat ein Recht darauf, und lege alle deine Ämter nieder." Komme ein Priester und sage, die Leidenschaft habe ihn übermannt, er habe einen Fehler gemacht, "dann helfe ich ihm, sich zu bessern". Das heißt konkret: den Fehler zu korrigieren, zu bereuen, Buße zu tun und fortan im Zölibat zu leben.
Ein Doppelleben, Priester und Ehemann oder Liebhaber zugleich, das ist für Bergoglio nicht akzeptabel, weil "auf Verlogenheit gebaut". Deshalb lautet seine Devise zum Umgang mit dem kirchlichen Ehe- und Liebesverbot für Priester: "Entscheide dich!"
Spricht man mit Menschen im Vatikan, die den Papst aus der Nähe erleben, ist von einer Kehrtwende nichts zu hören. Für ihn sei das keine prinzipielle Frage, auch keine des Glaubens oder vielleicht auch nur eine pragmatische Angelegenheit, um den Priesternachwuchs zu fördern. Es gehe ihm um Disziplin, um eine klare Entscheidung.
"Etwas könnte sich ändern"
Nun ist die Forderung der römisch-katholischen Kirche an ihre Priester, ehelos und keusch zu leben, nicht vom Himmel gefallen. Eine wirklich stichhaltige Begründung dafür gibt es nicht. In der römisch dominierten katholischen Kirche gab es Zeiten mit verheirateten Priestern, bis das Zweite Laterankonzil 1139 Klerikern, "die geheiratet haben oder eine Konkubine halten", androhte, ihr "Amt und Benefizium" zu verlieren.
Gleichwohl gehörte die Konkubine zuweilen auch danach, etwa bei den Renaissance-Päpsten, quasi zum Standard der hohen Geistlichkeit. Doch während verheiratete Männer in den orthodoxen katholischen Kirchen in Ost- und Südosteuropa problemlos als "hochverdiente Priester im Ehestand" anerkannt werden, schmetterte der Vatikan bisher sämtliche Reformvorschläge ab.
Auch das Zweite Vatikanische Konzil Anfang der sechziger Jahre billigte zwar den verheirateten Priestern der katholischen Ostkirchen eine "heilige Berufung" zu, erklärte aber für die übrigen Katholiken den Zölibat für "in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen".
Nur wenn es nützlich ist, kann auch der Vatikan flexibel sein. 2009 erließ Papst Benedikt XVI. - eigentlich als strammer Dogmatiker bekannt - eine Apostolische Verfassung, die es verheirateten anglikanischen Priestern erlaubte, zur römisch-katholischen Kirche zu wechseln - ohne die Frau verstoßen zu müssen.
Dass der Vatikan sich gern am Nutzen orientiert, scheint auch den Frauen bewusst zu sein, die nun den offenen Brief geschrieben haben: Sie weisen auch auf mögliche Vorteile einer Abkehr vom Zölibat hin. Ein Pfarrer, der seine Berufung nicht wegen einer Ehe aufgeben müsse und von Frau und Kindern gestützt werde, könne doch "Jesus und der Gemeinde" besser dienen. "Etwas könnte sich ändern, nicht nur für uns, sondern für das Wohl der ganzen Kirche."
Doch dieses Argument wird auch Franziskus nicht zum ersten Mal gehört haben. Und er wäre auch nicht der erste Papst, der sich davon kaum beeindrucken lässt.