Tourismus Zoff in der Provence
Wenn der Sommer nicht mehr weit ist und der provenzalische Himmel gleißend hell, wenn der Lavendel blüht und die Landstraßen kollabieren, dann macht sich Peter Mayle, 53, am liebsten unsichtbar.
Die beiden Fensterläden über der Einfahrt seines Gehöftes bleiben geschlossen, der Swimming-pool samt Benutzern ist ohnehin hinter dem Anwesen verborgen, und nur Eingeweihte finden den Weg hierher, zweieinhalb Kilometer vom Zentrum des Dorfes Menerbes in den Bergen des Luberon entfernt. Ihr Orientierungspunkt: das Skelett eines abgestorbenen Baumes.
Schon im Nachbarort Bonnieux kennt man den Londoner Schriftsteller Mayle kaum; in der Provence und im restlichen Frankreich ist er ein Nobody, zumal seine Werke zwar in 17 Sprachen, nicht aber ins Französische übersetzt wurden.
Dafür strahlt der Ruhm des schüchternen Literaten mit der John-Lennon-Brille in der Heimat um so intensiver: »Englands bekanntester Exilant« (The Independent) hat seine Erfahrungen mit den knorzigen Provenzalen in zwei ironisch intonierten Büchern festgehalten und allein im angelsächsischen Sprachraum eine Auflage von 3,2 Millionen erreicht**.
Sie sorgten, unerwartet, für reichlich Zoff und Turbulenzen in der von Touristen lange Zeit vernachlässigten Region des Departements Vaucluse.
Mayles Erstling »Mein Jahr in der Provence« erschien 1989 in Großbritannien und setzte eine begeisterte Leserschaft in Marsch. Klobige Volvos, das Steuer rechts, treckerten die nach Menerbes führende Serpentine empor und parkten beim Cafe du Progres, der einzigen Dorfkneipe.
Denn Mayle hatte sowohl die Örtlichkeiten in und um Menerbes penibel geschildert als auch viele Bewohner namentlich genannt. Nun fragten neugierige Leser, unter ihnen diverse Journalisten, im Postamt nach Adressen:
Wo steckte beispielsweise Gaston, jener »kleine, schruppige Mann«, der das Schwimmbad des Autors sanierte? War Georges Cazeneuve, der Cafe-Besitzer, tatsächlich »unfreundlich«, hatten seine Hunde immer noch »ein unvorstellbar dreckiges Fell«? Und welcher einheimische Scherzbold brachte seinen Kröten das Quaken der Marseillaise bei?
Bleiche Kelten pilgerten auf dem »Mayle-Trail« zum Refugium des ehemaligen Werbetexters und Jugendbuchautors, klopften ungeniert an, um eine Widmung in die mitgeführten Leseexemplare zu erbitten, oder verehrten dem Meister englische Orangenkonfitüre.
Obwohl Menerbes nicht einmal über ein Hotel verfügt, vergrößerten sich die Karawanen noch, nachdem der Humorist 1991 mit der Anekdotensammlung »Toujours Provence« an den ersten Überraschungserfolg anknüpfte. Als Folge des Besucheransturms entzweit ein tiefer Graben die 900 Dörfler.
Zu erklärten Mayle-Feinden zählen Kneipier Cazeneuve, der sich gegen den Vorwurf verwahrt, sein mit Zeitungsständen vollgestelltes Bistro sei »für Innenarchitekten ein Alptraum«, und die Bäckerin Odette Roche »mit ihren unberechenbaren Öffnungszeiten«. Seit das Postamt Anweisung hat, Mayles Adresse nicht mehr herauszugeben, liefern diese Kreise heimlich Hinweise auf seinen Aufenthaltsort.
Das Bataillon der Mayle-Sympathisanten ist indes von nicht unerheblicher Stärke. Selbst Lucien Clement, Barmann beim geschmähten Cazeneuve, wagt die These, daß »jede Werbung für Menerbes gut ist« - schließlich können Tagesgäste außer in den beiden Restaurants der Gemeinde und den paar Andenkenshops nur im Cafe du Progres ihr Geld lassen.
Unüberhörbaren Groll zog sich Mayle allerdings bei Exilanten und Prominenten zu, die an der britischen Invasion wenig interessiert sind. Der lauschige Nationalpark Luberon, in dem Menerbes liegt, ist nämlich ein französisches Beverly Hills: Dort residieren neben wohlhabenden Engländern auch Francois Mitterrand und sein ehemaliger ** Peter Mayle: »Mein Jahr in der Provence«. _(Knaur Verlag, München; 288 Seiten; 10 ) _(Mark. »Toujours Provence«. Knaur Verlag, ) _(München; 272 Seiten; 9,90 Mark. * In ) _(seinem Haus nahe Menerbes. ) Kulturminister Jack Lang, die Schauspieler Daniel Auteuil, Jane Birkin und Frankreichs populärste TV-Moderatorin Christine Ockrent.
So setzte es harsche Worte, als im Herbst 1992 auch noch die BBC »Mein Jahr in der Provence« vor Ort zu einem Mehrteiler verwurstete und für weiteren Touristennachschub sorgte. Die Serie wurde mit Englands bekanntestem Fernseh-Kommissar John Thaw in der Rolle des Schriftstellers verfilmt.
Die Provenzalen seien in Buch und Film zu »verfälschten Karikaturen« verkommen, schimpfte der britische Journalist und Wahl-Menerber Paul Eddy. Der im Luberon ansässige Peter Shand Kydd, Stiefvater von Lady Di, nennt den Rummel »störend und überflüssig«, und aus dem Raum Aix ließen Lord und Lady Young of Dartington mit steifer Oberlippe verlauten, Mayles Bücher seien »a disaster«.
Auch Mayle distanziert sich inzwischen vom Trubel um seine Bestseller. Im Mai erschien sein neues Opus, »Hotel Pastis"*, in dem es um die Kommerzialisierung der Provence, einen in der Werbung arbeitenden Helden und einen üblen Lohnschreiber geht, an dem der Verfasser seinem Unmut über die Journaille Luft macht.
Das Werk, urteilte die britische Schriftstellerin Kate Saunders, sei jedoch eine billige Abrechnung, eine niveaulose »Schande": »Aller Pastis dieser Welt kann den unerfreulichen Nachgeschmack dieses Buches nicht fortspülen.« Y
** Peter Mayle: »Mein Jahr in der Provence«. Knaur Verlag, München;288 Seiten; 10 Mark. »Toujours Provence«. Knaur Verlag, München; 272Seiten; 9,90 Mark. * In seinem Haus nahe Menerbes.