Gute Freundinnen müssen auch mal "Er will nichts von dir" sagen
Dieser Beitrag wurde am 11.03.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Alle Frauen in der Runde um mich nicken emsig, ja ja, sagen ihre Köpfe stumm, das ist bestimmt so. Gerade hat eine Freundin beschrieben, wie unglaublich schwierig es sei, den neuen Tinder-Mann zu treffen – er habe so wenig Zeit. Aber da müsse man eben Verständnis haben.
Mein Kopf bewegt sich auch. Aber von rechts nach links.
Und dass ich damit die einzige in dieser Runde bin, das ist ein Problem.
"Wir müssen reden"
Die wöchentliche Kolumne von Kathrin Weßling. Denn: Wir müssen reden. Über einfach alles. Am meisten aber über die Themen, die gerade aktuell brennen. Das kann ein Shitstorm sein oder eine Liebeserklärung, ein Aufschrei oder ein Kopfschütteln – gesprochen wird über alles, was beschäftigt oder bewegt, nervt oder einfach gerade im Raum steht.
Ich dachte lange, dass das irgendwann besser wird: Dass Freundinnen aufhören, sich darin zu bestärken, dass der Stefan oder der Max einfach sehr sehr busy sind und gerade mindestens die Welt retten müssen. Dass sie stattdessen aussprechen, dass der Stefan oder der Max einfach nur so gleichgültig sind und dass der Aufwand einer WhatsApp-Nachricht ihnen schon zu viel ist. Immerhin hat das ganze Thema es schon vor zehn Jahren in eine romantische Komödie geschafft ("Er steht einfach nicht auf dich"), so langsam könnte die Botschaft es durch die Gesellschaft geschafft haben. Das dachte ich.
Aber es hört nicht auf. Es geht immer weiter.
Ich kann die Gespräche nicht mehr zählen, in denen ich zusammensaß mit Freundinnen, die nicht müde wurden zu betonen, dass sie ja wirklich vollstes Verständnis dafür haben, dass der Kollege, mit dem sie am Wochenende Sex hatten, sich immer noch nicht gemeldet hatte – am Donnerstag. Der Kollege, das bekäme man ja mit, habe einfach wirklich viel Stress. Und dass er nicht einmal mehr Hallo sagt, das liegt daran, dass das keiner mitkriegen soll. Aha.
In solchen Momenten wünsche ich mir, dass Feminismus und Selbstwertgefühl große Kissen wären, mit denen ich auf die Freundin einschlagen kann, während ich schreie: HÖR AUF, DIR DIESEN SCHEIß EINZUREDEN. Und danach die anderen, die fleißig nicken, weil man das ja verstehen kann, dass der Kollege so tut, als sei man tot. Er ist eben (plötzlich!) schüchtern.
Jetzt könnte es natürlich an meinem Umfeld liegen, dass ich immer noch solche Gespräche führen muss: Ich könnte die langsamsten, liebesbedürftigsten, unselbstbewusstesten Freundinnen der Republik haben. Und auf der anderen Seite könnten all meine männlichen Freunde geheime Maskulinisten sein – genau wissen kann man das nie, mein Leben ist schließlich keine repräsentative Studie.
Aber ich fürchte, das ist nicht die Erklärung: Denn am schlimmsten ist für mich tatsächlich, dass es sich in meinem Umfeld oft um Frauen handelt, die selbstbewusst sind, im Leben stehen, sich was trauen. Die ihren Wert kennen müssten.
Aber geht es um Männer, ist das alles plötzlich weg.
Sie sagen nicht: Ich habe es verdient, dass sich jemand bei mir regelmäßig meldet, sich für mich interessiert und mir ein gutes Gefühl gibt. Sie sagen:
Er wird schon seine Gründe haben.
Und damit haben sie recht. Nur sind es nicht jene, die dann folgen. Es ist nicht der Stress, es ist nicht die kranke Mutter, es ist nicht das straffe Sportprogramm, es ist auch nicht die Tatsache, dass er Beziehungsangst hat. Es ist schlichtweg so, dass er kein Interesse hat. Aber wie soll man genau das aussprechen, in einer Runde voller Nickerinnen?
Das Bestätigen und Zustimmen von Freundinnen, die ich alle für schlau genug halte analytisch zu erkennen, dass ein Mann sich für die betreffende andere Freundin nicht interessiert, werden zu seinen Komplizinnen.
Er muss eigentlich gar nicht viel machen, der Stefan, um die Mia bei Laune zu halten.
Das machen dann nämlich Mias Freundinnen, die für Stefan Ausreden erfinden, um der Mia nicht die Wahrheit sagen zu müssen. Mit dem unglaublich guten Tipp am Ende versehen: „Meld dich erstmal nicht und frag auch nicht nach, sonst fühlt der sich schnell eingeengt.“
Und so funktioniert das Spiel weiter und weiter: Mia fragt nicht nach, die Freundinnen entschuldigen Stefan und allen geht´s super. Nur eben Mia nicht, wenn sie nach drei Monaten merkt, dass sie einem Mann hinterherrennt, dem sie wirklich total egal ist.
So, wie es unsere Aufgabe als Freundin ist, ehrlich zueinander zu sein, so wichtig ist es eben in genau dieser Lebenslage, es auch dann zu sein, wenn es sehr unangenehm wird. Dabei geht es nicht darum, niemals Verständnis zu haben. Am Ende können wir nicht wissen, ob Stefan nicht tatsächlich gerade eine harte Zeit durchmacht und Probleme hat, sich einzulassen. Aber das ist auch nicht wichtig.
Denn wenn Stefan deshalb Mia unglücklich macht, dann ist es unser verdammter Job, Mia darauf hinzuweisen.
Wir können unsere Freundinnen nicht davor beschützen, verletzt zu werden. Wir müssen damit leben, dass sie manchmal falsche Entscheidungen treffen und die falschen Männer wollen. Das passiert und das wird auch immer wieder geschehen. Freundschaft ist, trotzdem da zu sein und niemals zu erwähnen, dass man es ja gleich gesagt...
Freundschaft ist aber nicht, scheiß Verhalten von anderen Menschen zu rechtfertigen. Damit stellen wir uns auf die falsche Seite und wir helfen dabei mit, dass schwierige und giftige Beziehungen länger am Leben gehalten werden, als sie müssten.