Trennung und Scheidung So machen Paare richtig Schluss und verhindern den Rosenkrieg
Schon als Teenager lernen die meisten Menschen: Schluss zu machen, ist nie wirklich leicht. Das bleibt auch im Erwachsenenalter so, und erst recht, wenn Paare Kinder haben oder in einer gemeinsamen Wohnung leben.
Fast immer sind es dieselben Fragen: Wie sage ich es, wann sage ich es, und ist es überhaupt die richtige Entscheidung?
"Ich bin der Meinung, man sollte sehr bald miteinander reden", sagt Therapeutin und Mediatorin Nadja von Saldern im Podcast. "Aber die Realität zeigt, dass Menschen erst mal lange im Stillen mit sich hadern, vielleicht sogar eine Affäre beginnen, und dann erst, wenn es wirklich aus ihnen herausplatzt, darüber reden. Das ist eigentlich zu spät."
Von Saldern hat schon viele Paare durch Beziehungskrisen und bei Trennungen begleitet. Mit ganz unterschiedlichem Ausgang, aber eines bleibt immer gleich: "Die Zweifel werden eigentlich nicht von allein besser. Da braucht man schon den anderen. Der muss schon etwas wissen und was dafür tun."

Nadja von Saldern: "Jedes Abschiednehmen ist eine der wertvollsten Erfahrungen, die wir im Leben haben können."
Foto: Detlef EdenDoch manchmal lässt sich das Beziehungsende einfach nicht vermeiden. Dann sind ein paar Dinge besonders wichtig: Die Paare sollten sich für das Trennungsgespräch genug Zeit nehmen, um alles in Ruhe zu besprechen und ungestört zu bleiben. Und wer Schluss macht, sollte die Entscheidung klar aussprechen. "So, dass der andere versteht: Es ist wirklich vorbei. Du wirst merken, dass der, mit dem du Schluss machst, alles probiert."
Wenn ein ewiges Hin und Her entsteht, sich die Ex-Partner immer wieder trösten und nicht voneinander loslassen, dann entstehen in der Regel mehr Probleme. "Eine Trennung, die sich über zehn Jahre hinzieht und wo wirklich richtig viele Probleme waren, viele Streite, wahnsinnige Verletzungen und so weiter. Diese Paare schaffen es in der Regel nicht mehr, sich gütlich zu trennen."
Kann man überhaupt gut Schluss machen? Wie sagt man es den Kindern? Und warum muss eine juristische Lösung nicht immer die sinnvollste sein? Auf diese und weitere Fragen antwortet Nadja von Saldern im Ideen-Podcast "Smarter leben".
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Der ganze Podcast zum Lesen
[00:00:02] Nadja von Saldern Jedes Loslassen, jedes Abschiednehmen ist für mich einer der wertvollsten Erfahrungen, die wir im Leben haben können.
[00:00:14] Lenne Kaffka Ideen für ein besseres Leben haben wir alle. Aber wie setzen wir sie im Alltag um? In diesem Podcast treffen wir jede Woche Menschen, die uns verraten, wie es klappen kann. Willkommen zu Smarter leben. Ich bin Lenne Kaffka und heute skype ich mit Nadja.
[00:01:17] Nadja von Saldern Ich bin Nadja von Saldern. Ich habe eine Praxis zusammen mit meinem Mann in Berlin und Potsdam. Ich berate Paare, sowohl wenn sie zusammenbleiben wollen als auch wenn sie sich trennen wollen, sodass es ohne Rosenkrieg abgeht.
[00:01:30] Lenne Kaffka Bleiben oder gehen? Oft ist das an sich schon keine leichte Entscheidung. Und wenn Paare zusammenwohnen oder Kinder haben, wird alles noch viel komplizierter. Wann lohnt es sich noch, an der Beziehung zu arbeiten? Und wie kann man sich im Guten trennen? Als Therapeutin und Mediatorin hat Nadja schon viele Paare auf diesem Weg begleitet. Gerade weil sie früher auch als Anwältin gearbeitet hat, weiß sie: Es kommt nicht darauf an, wer recht hat, sondern darauf, eine Lösung zu finden.
[00:01:57] Nadja, wir sprechen heute übers Schlussmachen und übers Trennen. Du selber bist aber seit 31 Jahren mit deinem Mann zusammen, du hast drei Kinder, ihr beiden habt zusammen eine gemeinsame Praxis. Von außen betrachtet wirkt das wie eine Bilderbuchfamilie. Wie ist denn Trennung dein Thema geworden?
[00:02:14] Nadja von Saldern Trennung ist deshalb mein Thema, weil ich in der Familie sehr habe. Ich komme aus einer großen Familie, die sich dann auch zu einer großen Patchwork– Familie entwickelt hat. Trennung ist eigentlich mein Thema, seitdem ich klein war, meine Eltern sich schon mit vier getrennt haben, dann auch die Ehe von meinem Vater, mit seiner zweiten und dritten Frau schwierig war. Und irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dieses Thema interessiert mich. Und komischerweise haben auch meine Eltern mich sehr integriert und sehr involviert in ihre Themen. Und so bin ich eigentlich schon ganz früh draufgekommen, dass es Trennungen gibt in Beziehungen und dass es etwas Interessantes ist, weil ich auch immer wieder an die Kinder denke. Eigentlich geht es mir um die Kinder, dass die bei Trennungen nicht leiden. Ich habe einigermaßen gut das alles überstanden, weil meine Eltern das relativ gut hinbekommen haben mit der Trennung. Und ich helfe anderen Paaren dabei, dass es ihnen auch gelingt.
[00:03:13] Lenne Kaffka Du bist mit Anfang 20 mit deinem Mann zusammen gekommen – wie viel Erfahrung hast du eigentlich selber im Schlussmachen?
[00:03:19] Nadja von Saldern Ich habe tatsächlich auch schon mal Schluss gemacht. Es wurde auch mal mit mir Schluss gemacht. Ich habe sogar einmal mit meinem Mann Schluss gemacht. Das hat aber nur zwei Monate gehalten. Das war auch ziemlich am Anfang. Also, meine Erfahrung ist zumindest da. Aber ich würde sagen so den ganz, ganz, ganz, ganz großen Liebeskummer durch Schluss machen, den hatte ich vielleicht nur mit fünfzehn, als ich dachte, es wäre Schluss. Aber dann wollte er gar nicht. Aber dann hatte ich schon wieder neuen. Das war alles ganz kompliziert.
[00:03:56] Lenne Kaffka Was ist eigentlich so deine Erfahrung? Du berätst sehr viele Paare. Woran zerbrechen denn die meisten Beziehungen?
[00:04:02] Nadja von Saldern Sagen würden die Beziehungen, dass sie an fehlender Kommunikation zerbrechen. Ob das dann wirklich der Grund ist? Also ja, ich sehe es natürlich auch so. Man muss nicht immer einverstanden sein, aber man muss sich zumindest verstehen. Und wenn man den anderen versteht und nicht glaubt, er ist total beknackt in dem, was er da gerade möchte – wenn das funktioniert, dann geht in der Regel das Paar gemeinsame Wege. Wenn das aber nicht funktioniert und man das Gefühl hat, der andere glaubt, man hätte gar keinen Grund, so zu reagieren oder man wäre bisschen daneben, wenn man so oder so ist, dann hört der Respekt langsam auf. Und dann hört auch die Kommunikation auf. Dann streitet man entweder nur noch und kommuniziert nicht, oder man schweigt und kommuniziert nicht. Beides ist tödlich für eine Beziehung.
[00:04:58] Lenne Kaffka Wenn du das beobachtet, ist das dann auch der Punkt, an dem du Paaren raten würdest, dass sie sich trennen sollten?
[00:05:04] Nadja von Saldern Ich versuche natürlich sehr viel, noch bevor sie sich wirklich trennen. Also den Rat zur Trennung, den spreche ich sehr ungern aus. Aber Paare kommen ja häufig zu mir und sagen, wir wollen uns trennen, und dann hab ich ja gar keine Möglichkeit mehr. Wenn aber ein Paar kommt und sagt, wir wollen es nochmal versuchen, aber wir sind so auf der Kippe, wir wissen nicht so ganz genau, dann geht es natürlich darum, den anderen wieder zu verstehen und zu sehen: Oh, der ist ja total in Not, oder er hat ja eigentlich auch recht mit dem, was er sagt. Und in dem Moment kann ich den anderen wieder fühlen und mich ihm auch wieder näher fühlen.
[00:05:38] Lenne Kaffka Worauf sollten Paare denn besonders achten, damit so eine Bindung nicht verloren geht, damit sie gar nicht erst so sprachlos werden miteinander? Wie schafft man das auch in einer langen Beziehung, dass zum Beispiel, die Intimität verloren geht?
[00:05:48] Nadja von Saldern Die Intimität ist ein sehr, sehr gutes Stichwort. Das ist das, was wir uns wünschen. Und das sind oft fünf Kategorien, die für die Intimität eine Rolle spielen: Wir sprechen miteinander, wir haben Körperkontakt miteinander, wir tauschen Gefühle aus, wir verbringen Zeit miteinander, und wir sehen einen Sinn in unserer Beziehung. Und wenn diese fünf Faktoren da sind und man die alle so beim Ranking auf über sieben einstufen kann, dann kann man relativ davon ausgehen, dass die Beziehung zumindest eine Intimität hat und dadurch auch einen Mehrwert für beide bringt. Wenn das natürlich wegfällt, dann kommt irgendwann nicht mehr der Körper oder die Zeit, oder die Gespräche fallen weg, und das kann eine Beziehung so ein paar Jahre aushalten. Aber irgendwann wird diese Keimzelle, aus der dann ja auch viel entstanden ist, wie Familie, Geborgenheit, die haben sich etwas aufgebaut, dann geht das in der Regel kaputt, weil die Intimität es nicht mehr hält.
[00:06:53] Lenne Kaffka Du hast gerade angesprochen, den Sinn in einer Beziehung zu sehen. Jeder, der schon länger in einer Beziehung war, kennt das vielleicht, dass es Momente gibt, in denen man auch an der Beziehung zweifelt. Wie ist denn das, wenn solche Gefühle in mir aufkommen, sollte ich dann schon direkt mit meiner Partnerin, meinem Partner darüber sprechen?
[00:07:08] Lenne Kaffka Es ist eine sehr gute Frage, weil das wird in der Regel nicht gemacht. Im Streit wird gesagt: Ich trenne mich, und ich will nicht mehr, und ich gehe. Das kann man aber in der Regel nicht so ernst nehmen, weil in diesem impulsiven Moment sagt man schon mal Dinge, die man dann aber doch wieder zurücknehmen möchte. Wann man mit seinem Partner redet, ist tatsächlich schwierig. Ich bin der Meinung, man sollte sehr schnell reden, damit der andere merkt: Oh, hier ist wirklich Ärger. Wir können jetzt zu einem Paartherapeuten gehen, oder wir können uns jetzt auch mal wirklich miteinander beschäftigen. Man kann merken: Oh, ich habe vielleicht unsere Beziehung vernachlässigt, und ich muss mal eine Schippe drauflegen. Aber die Realität zeigt doch, dass Menschen lange damit erst mal im Stillen mit sich hadern, dann vielleicht sogar eine Affäre beginnen und dann erst irgendwann, wenn es wirklich aus ihnen raus Platz darüber reden und das ist eigentlich zu spät. Wünschen würde ich mir ein frühes Sagen, aber die Praxis zeigt, dass die Paare ja eh schon nicht mehr so ehrlich miteinander sind und deshalb sich auch nicht trauen, in diesem ehrlichen Gespräch, also in dem Gespräch über Trennung, wirklich aufeinander zuzugehen.
[00:08:24] Lenne Kaffka Aber wenn man jetzt nur so zweifelt, kann es dann nicht auch sein, dass man vielleicht noch mehr Unruhe in die Beziehung bringt? Weil ich vermute mal, es wird ja meine Partnerin verletzen.
[00:08:32] Nadja von Saldern Genau. Nur die Zweifel werden eigentlich nicht von alleine besser. Da braucht man schon den anderen. Der muss schon irgendwie das wissen und etwas dafür tun. Klar, ich kann alleine versuchen, mir mehr einzureden, dass ich nicht so anspruchsvoll sein sollte oder dass ich doch alles habe, was ich will. Aber Zweifel bohren doch ganz schön tief sich in uns rein, und da brauchen wir aus meiner Sicht den Partner, um da wieder rauszukommen.
[00:09:05] Lenne Kaffka Angenommen, ich bin mir sicher, ich möchte Schluss machen. Wie sag ich das am besten meiner Partnerin?
[00:09:11] Nadja von Saldern Am allerbesten schon früh, wenn du merkst, dass deine Bedürfnisse in der Beziehung nicht mehr befriedigt werden. Wenn du merkst, dass du dich abends nicht wohl genug fühlst oder dass es zu viel Streit gibt, dann sagst du das schon. Und dann geht ihr zusammen den Weg, sodass ihr irgendwann merkt: Mensch, wir schaffen es einfach nicht. Vielleicht müssen wir uns trennen. Wenn du das jetzt echt in deinem Kämmerlein für dich alleine ausgemacht hast, wie es ganz oft passiert, dann wird es schwierig, weil du wirst merken, egal, wie du es sagst, deine Partnerin ist völlig am Boden zerstört. Viele sagen, ich hatte gedacht, wenn ich das ausspreche, ist der andere erleichtert, sagt, 'super, machen wir so' und geht. Aber das ist nicht der Fall, sondern es wird erst einmal schlimm. Deshalb hab ich gemerkt, es eigentlich egal, wie du es tust. Es wird immer sehr, sehr schmerzhaft für den anderen sein. Das Einzige, was funktioniert, ist, dass du es vorbereitest, dass du früh redest, dass du immer wieder redest, immer wieder sagst: So will ich nicht, so kann ich nicht. Du musst was ändern. Und dann wird der andere eher einsehen, dass es vielleicht wirklich vorbei ist.
[00:10:20] Lenne Kaffka Das heißt, es gibt eigentlich gar keine richtige Art der Kommunikation, oder man kann es gar nicht komplett richtig machen?
[00:10:25] Nadja von Saldern Nein. Du kannst natürlich hingehen und sagen: Es tut mir leid, es ist vorbei, dich wegdrehen und nicht mehr wiederkommen. Das machen auch einige. Das ist dann ein sehr autonomer Akt, der unheimlich weh tut. Du kannst versuchen, deinen Partner noch dann zu sagen, Mensch, und ich will das alles eigentlich gar nicht. Aber dann entsteht wieder Nähe, und der andere wird versuchen, es nochmal umzustimmen. Wichtig ist mir, dass es nicht vor den Kindern gesagt wird, das es wirklich weit weg von den Kindern passiert; dass die Kinder auch nicht nach Hause kommen dann irgendwie in der nächsten Zeit. Und dass man vielleicht den Partner noch irgendeine Form von Chance gibt, es noch nicht so zu Ende ist, dass er noch reagieren kann.
[00:11:08] Lenne Kaffka Jetzt sagst du gerade schon, nicht vor den Kindern. Ist irgendwie der Ort für so ein Gespräch auch sehr entscheidend?
[00:11:13] Nadja von Saldern Ja, ich denke, man sollte sich wirklich Zeit nehmen. Man sollte wissen, es gibt jetzt Zeit und Raum und kein Telefonate und so. Aber eigentlich, ob man jetzt beim Spazierengehen darüber redet oder so.. Weißt du, das ist so, wie wenn dir jemand eine Krebsdiagnose sagt, da verschwimmt sowieso der Moment.
[00:11:32] Lenne Kaffka Die Reaktionen sind in den meisten Fällen wahrscheinlich nicht besonders angenehm. Wut, Trauer, Vorwürfe, aber auch, dass meine Partnerin oder mein Partner das vielleicht nicht wahrhaben will. Wie gehe ich denn mit den Reaktionen um?
[00:11:45] Nadja von Saldern Du wirst merken, dass der, mit dem du Schluss maß, alles probiert. Da geht es dann von, ich versuche mit Wut und Angst und Schuldgefühlen machen den anderen zurückzubekommen, über Mitleid, Trauer, aber auch mit vielleicht sich wieder richtig Mühe geben, den roten Teppich ausfahren. Das Wichtige ist dann, wenn man wirklich sicher ist, dass man dem anderen schnell den Übergang von der ersten Phase – der Phase des nicht Wahrhabenwollens – in die Deressionsphase erleichtert, indem man dem anderen dann, wenn es wirklich vorbei ist, erleichtert, dass er versteht, dass es wirklich vorbei. Deshalb sind manchmal Trennungen mit neuen Partner erstmal viel schlimmer, aber dann doch einfacher, weil man sich schneller damit arrangiert und schneller wieder ins eigene Leben findet. Was blöd ist, wenn man sagt, ich mach Schluss, aber dann fängt so ein Hin und Her an, und dann tröstet man den anderen wieder und versucht wieder dann ihn, ja, zu trösten, weil der andere dann doch wieder Hoffnung bekommt.
[00:12:55] Lenne Kaffka Glaubst du, es ist überhaupt möglich, eine Beziehung ohne Wut und Trauer zu beenden?
[00:13:00] Nadja von Saldern Ich erlebe schon manchmal, dass sich zwei wirklich auseinander leben und sich so viel aneinander abgearbeitet haben, dass sie dann sich trennen und nicht so traurig und wütend sind. Aber es steckt doch eine Menge Energie und Investitionen und Liebe und Vorschuss und Arbeit in so einer Beziehung, dass es mich dann doch wundert, wenn sowas auseinander geht, ohne dass irgendwelche Gefühle da hochkommen. Vor allen Dingen, weil auch kindliche Gefühle angetriggert werden. Wir sind ja von dem Partner emotional abhängig, wenn wir uns wirklich hingeben und zusammenfinden. Und diese emotionale Abhängigkeit hat sehr viel mit Gefühlen zu tun, die wir zu unseren Eltern hatten, weil wir da ja als Kinder auch emotional abhängig waren. Und oft fühlt sich das für Menschen so an, als wäre man fünf und die Mutter würde sich verabschieden oder der Vater. Und da werden doch sehr, sehr tiefe Gefühle freigelegt, sodass es in der Regel ganz ohne Wut und Trauer, glaube ich, nicht mich abgeht – zumindest nicht oft.
[00:14:07] Lenne Kaffka Und mit dem Schlussmachen geht's ja eigentlich nur los, weil in der Regel gibts noch einiges zu klären, und das Drama beginnt erst. Wie kann man denn einigermaßen konstruktiv miteinander umgehen, wenn gerade solche tief liegenden Gefühle freigesetzt werden?
[00:14:19] Nadja von Saldern Das ist gar nicht so einfach, weil beide ja im Moment auseinander tendieren und auch wirklich keine Nähe mehr zulassen wollen, weil das würde ja wieder Hoffnung machen. Das heißt eine Auseinanderbewegung und auch eine emotionale Kühle, die muss jetzt nochmal schaffen, an einem Thema oder an einer Vereinbarung, an einer Trennungs- und Scheidungsvereinbarung, noch einmal als Team zusammenzuarbeiten und etwas gemeinsames, gutes zu Papier zu bringen. Und das ist eine ganz schöne Leistung von den Paaren, wo ich dann auch immer wieder Hochachtung habe, wenn das gelingt.
[00:14:56] Lenne Kaffka Aber viele Paare bekommen ja genau das nicht hin, und du beginnst dein Buch mit einem abgewandelten Gedichtszitat: "Stell dir vor, es ist Rosenkrieg, und keiner geht hin". Ist denn das so leicht?
[00:15:06] Nadja von Saldern Ich glaube, wenn beide wirklich verstanden haben, dass ein Rosenkrieg sie nicht weiterbringt, dann ist es leicht. Das Problem ist, dass die Paare oft so spät den Absprung finden, dass sie in einer ganz hohen Eskalationsstufe schon sind. Das heißt, ihnen ist lieber, sie gehen mit unter, Hauptsache, der andere geht unter. Und das ist der Moment, wo es nicht mehr geht. Wenn der Streit schon so ist, dass ich schon nicht mal mehr drüber nachdenke. Ich will siegen, und der andere soll verlieren, sondern ich gehe mit unter, dann geht es nicht mehr. Und für mich ist es eine Frage: Wie spät kommen die Paare? Eine Trennung, die sich über zehn Jahre hinzieht und wo wirklich richtig viele Probleme waren, viele Streits, wahnsinnige Verletzungen und so weiter, diese Paare schaffen das in der Regel, sich nicht mehr gütlich zu trennen. Je früher das Paar kommt, je weniger Verletzungen, je mehr Frieden ich mit der Trennung habe, den ich übrigens auch haben kann, wenn der andere wegen jemanden anders mich verlassen hat – das kann ich auch verstehen. Viele sitzen hier und sagen: Ich verstehe auch meine Frau, dass sie sich jemand neuen geholt hat. Ich habe mich auch zu wenig gekümmert. Also je mehr das passiert, umso besser und chancenreicher ist die Mediation.
[00:16:29] Lenne Kaffka Wenn Paare zusammen gewohnt haben, dann gibt's komplizierte Entscheidungen. Wer zieht aus, wer bekommt was aus der Wohnung? Wie findet man denn da eine faire Lösung als Paar?
[00:16:38] Nadja von Saldern Das Wort fair ist tatsächlich, da sind wir wieder emotional. Das Faire kann man nur emotional fühlen, und da sind die Paare natürlich sehr oft unterschiedlich. Aber interessanterweise finden wir in 90, 95 Prozent der Fällen immer eine Lösung. Erstens, weil sich die, die sich trennen, sich schon irgendwelche Alternativen überlegt haben, weil sie vielleicht auch schon von einigen losgelassen haben, sich schon überlegt haben, okay, wenn ich mich jetzt trenne, dann muss ich ja auch mein Haus verlassen. Das heißt, Sie sind eher bereit auszuziehen als der, den es kalt erwischt. Der ist ja noch früher im Stadium. Wenn man dem jetzt sagt: Du verlierst jetzt deine Frau, deine Kinder und dein Haus, das ist dann viel, viel schlimmer, weil es eben so spontan kommt. Erstmal hat einer sich schon oft Gedanken gemacht, und dann stelle ich auch fest, dass die Paare irgendwann auch ganz vernünftig werden und sagen, okay, wir haben uns hier jetzt reingeritten, jetzt müssen wir auch eine gute Lösung finden. Und dann muss eben das Haus verkauft werden. Sie werden ganz vernünftig, weil sie auch einsehen, dass der andere ja auch seine Bedürfnisse und Wünsche hat. Aber es ist auch eine Leistung von den Paaren.
[00:17:51] Lenne Kaffka Also geht es mehr um Vernunft als um Fairness bei einer guten Trennung?
[00:17:55] Nadja von Saldern Ja, es geht um das Gefühl, womit kann ich gerade noch leben? Es gibt in der Regel zwei Verlierer, und ich will keinen Rosenkrieg, und deshalb bin ich bereit, jetzt lieber mal auf 100.000 oder 10.000 oder 1.000 zu verzichten, anstatt dass ich mit meiner Frau oder meinem Mann nie wieder reden kann bzw. man nicht zur Taufe kommen kann zusammen. Dieses Familiendenken, das ist den Menschen sehr, sehr wichtig. Und viele, viele tun etwas dafür, dass die Familie nicht ganz auseinanderbricht, also dass man noch einmal zusammen Weihnachten feiern könnte, oder so. Und dafür ist ihnen auch das Finanzielle oft nicht so wichtig. Es gibt so eine von 10 Mediation, wo es so richtig ums Geld geht. In den meisten sind die eigentlich ganz, ganz vernünftig.
[00:18:41] Lenne Kaffka Genau Geld spielt vor allen Dingen bei verheirateten Paaren ja eine Rolle. Da gibt's ja auch noch Themen wie Unterhalt, Besitz, Altersvorsorge. Da gibt es einen klaren rechtlichen Rahmen dafür, auf den man sich berufen kann. Du bist jetzt nun Therapeutin, Mediatorin und Juristin. Für wie sinnvoll hältst du das denn überhaupt, das Ende einer Beziehung einfach juristisch abzuwickeln?
[00:19:01] Nadja von Saldern Also, ich halte da überhaupt nichts von. Ich kann nur sagen: Anwälte bringen eine unglaubliche Schärfe rein. Schon der Satz: "Kopieren Sie sich mal die Akten des Mannes raus, damit wir nachher wissen, dass er nichts beiseitegeschafft hat", schon dieser Satz – den muss ein Anwalt raten, weil sonst haftbar gemacht wird – aber wenn der Mann dann sieht, dass die Frau die Akten kopiert, entsteht zum Beispiel schon gleich ein Misstrauen. Und Vertrauen ist so wichtig. Anwälte bringen schnell ein Misstrauen rein, wenn sie zum Beispiel sagen: Ja, passen Sie ja auf Ihr Mann oder Ihre Frau könnte jetzt die Schlösser austauschen. Machen Sie sich mal einen Ersatzschlüssel oder so. Dieses Misstrauen, was reinkommt, das ist das, was danach eigentlich zum Rosenkrieg führt.
[00:19:48] Lenne Kaffka Besonders kompliziert werden Trennungen ja, wenn Paare gemeinsame Kinder haben. Einige Paare bleiben angeblich für ihre Kinder zusammen, obwohl sie gar nicht mehr glücklich sind. Glaubst du, so etwas kann funktionieren?
[00:20:00] Nadja von Saldern Also, es ist wirklich irre, wie oft ich erlebe, dass Paare für Kinder zusammenbleiben und sich dann danach aber wieder ineinander verlieben und alles ganz toll ist und die dann sagen: Mensch, wie gut, dass wir uns damals nicht getrennt haben. Weil Kinder ja eine ganz schöne Belastung für eine Beziehung sind, und wenn das Paar dann sagt: Komm, diese Zeit mit Kindern, die schaffen wir, wir bleiben zusammen, wir überbrücken diese Zeit, dann kann danach auch wirklich wieder was entstehen. Wenn die Beziehung aber wirklich kaputt ist und diese Keimzelle zerstört und nicht mehr ernährt werden kann, dann habe ich das Gefühl, dass die Lüge, die die Eltern dann den Kindern vorspielen würden, weil es ja nicht eine einvernehmliche Entscheidung ist, wir bleiben zusammen für die Kinder, sondern ein jeden Tag eigentlich sein Unglück Runterschlucken – das merken die Kinder, und davon halte ich gar nichts. Weil eine gut gemachte Trennung ist für Kinder gar nicht so schlimm. Kinder leiden gar nicht mal so unter der Trennung. Klar es ist nicht ihr präferierte Lebensmodell, aber sie leiden hauptsächlich unter dem Streit der Eltern, unter den Bomben, die dann nachher immer noch fliegen, nachdem man sich getrennt hat.
[00:21:11] Lenne Kaffka Ein kompletter Schlussstrich ist ja auch einfach schwer, weil man wegen der Kinder auf jeden Fall kommunizieren müssen. Und wenn es nur ums Organisatorische oder ums Geld geht. Was sollten Eltern deiner Meinung nach unbedingt beachten?
[00:21:22] Nadja von Saldern Die Kinder hatten einen festen Rahmen, in dem sie sich bewegt haben. Dieser Rahmen ist jetzt auseinandergebrochen, und jetzt brauchen die Kinder zwei neue Fensterrahmen. Und das aller Allerwichtigste ist, dass man respektiert, dass es in dem anderen Rahmen anders zugeht als in dem Rahmen, den man den Kindern dann als Elternteil bietet. Bei dem einen gibt es Fleisch, beim anderen nicht. Im einen geht es vielleicht jüdisch, im anderen christlich zu. Also dass man respektiert und akzeptiert, dass die Kinder jetzt zwei Rahmen kennenlernen und denen sehr freundschaftlich gegenübertritt und niemals sagt: "Ja, Papa ist ja doof, weil der"... oder "Mama, die ja so einen blöden neuen Freund, da dürft ihr euch nicht wohlfühlen", weil dann die Kinder wieder nicht zur Ruhe kommen, wieder keine Geborgenheit haben und sich nicht ausschließlich ihrem Größerwerden, was ja anstrengend genug ist, widmen können, sondern wieder gucken müssen, dass das, wo sie drin leben, irgendwie Halt geben kann. Das überfordert die Kinder.
[00:22:20] Nadja von Saldern Das heißt also auch das andere Erziehungskonzept aushalten?
[00:22:23] Nadja von Saldern Ja, genau, zum Beispiel. Weil viele Paare trennen sich ja auch deshalb, weil sie vielleicht in diesem Punkt überhaupt nicht zusammenkommen. Und da es dann oft schwierig zu sagen, jetzt muss ich das aushalten. Deshalb sage ich auch oft den Paaren, wenn sie sich trennen, sich über Erziehungsfragen zu streiten, ist ganz blöd. Wenn man sich trennt, dann haben die Kinder die andere Erziehung ja immer noch. Die wird man nicht los.
[00:22:47] Lenne Kaffka Stimmt. Wann erzählt man denn seinen Kindern überhaupt von der Trennung? Und wie?
[00:22:51] Nadja von Saldern Erst wenn man als Paar klar ist. Also ich fände es sogar am besten, wenn man die Umgangsregelung schon hat. Je kleiner die Kinder, umso später. Wenn die Kinder klein sind, dann wirklich erst wenn man weiß, Montag und Dienstag geht ihr zu Papa, Mittwoch und Donnerstag zu Mama. Die Wochenenden im Wechsel. Wenn man da schon weiß, dann sagt man das den Kindern. Erst dann, weil dann sind sie wieder sicher und sie haben das Gefühl, oh, meine Eltern haben das ja hier alles im Griff. Dann kann ich ja spielen gehen. Blöd ist, wenn die Eltern noch in der Findungsphase sind, dann merken die Kinder die Unruhe. Das Ist ja wie bei Chefs, die nicht mehr so ganz genau wissen. Das finden die Angestellten dann ja auch nicht so beruhigend. Je älter die Kinder sind, umso mehr kann man sie natürlich auch mit einbeziehen. Vor allen Dingen auch in die Umgangsregelung. Dann sollte das Paar aber so weit sein, bevor es vor die Kinder tritt, das es sagt, wir beide haben entschieden, dass wir uns trennen. Also ganz blöd ist es, wenn der eine sagt: Ja, Papa will sich trennen, weil er mich nicht mehr liebt, und der ist überhaupt doof und so. Weil die Kinder sind halb Mutter, halb Vater, und alles, was sich negativ gegen den Vater oder die Mutter sagen, sage ich auch gegen die Hälfte im Kind.
[00:24:02] Lenne Kaffka Angenommen, wir haben das jetzt alles total gut beachtet, meine Frau und ich. Wir haben uns getrennt, wir haben die Sachen hinbekommen. Ab wann glaubst du denn so etwas wie eine freundschaftliche Begegnung wieder möglich? Wie viel Zeit sollte man sich dafür lassen?
[00:24:16] Nadja von Saldern Einer leidet in der Regel mehr als der andere. Oft leidet man gar nicht mehr so unter der Partnerschaft, die kaputt ist, sondern unter der Familie und dem allem, was kaputt ist. Und ich erlebe, dass, wenn man zu früh wieder eine Freundschaft hat, dann diese, ich sage mal, Illusion, die Familie gibt es ja noch, aufrechterhalten wird. Stell dir vor, ein Mann bringt, wenn er die Kinder zur Frau bringt, der Wechsel stattfindet, dann trinkt er immer noch ein Wein mit der Frau, und sie haben einen schönen Abend, und dann fährt er wieder nach Hause. Oder sie verabreden sich ganz oft in Kletterpark alle zusammen als Familie. Dann wird diese Illusion der Familie aufrechterhalten, und einer von beiden findet in der Regel nicht ins eigene Leben, weil er immer noch hofft, und die Kinder sind auch immer noch im Hoffnungsmodus. Deshalb glaube ich, deine Frage muss man so beantworten, dass man erst mal wirklich verstanden haben muss, dass sowohl das Paar als auch die Familie vorbei ist. Und wenn das wirklich dann der Fall ist und man verstanden hat, okay, das gibt es auch nicht mehr und dann vielleicht beide wirklich morgens aufwachen und sagen: Jetzt will ich auch gar nicht mehr– also der Moment, der muss da sein bei beiden – dann, glaube ich, kann wieder eine Freundschaft entstehen. Wenn es nicht zu viel Verletzungen gab, weil meine Freunde, suche ich mir natürlich danach aus, wem vertraue ich? Und wenn da natürlich viel passiert ist, dann hat man sich eventuell auch als Freund disqualifiziert.
[00:25:48] Lenne Kaffka Glaubst du eigentlich, dass wir aus dem Umgang mit unseren Beziehungen auch was für andere Trennungen im Leben lernen können? Also wenn ich den Job wechsele, wenn ich meine Heimat verlasse und in eine neue Stadt muss?
[00:25:58] Nadja von Saldern Na unbedingt! Jedes Loslassen ist für mich eines der wichtigsten Übungen. Am Ende unseres Lebens müssen wir von allem loslassen, wenn wir dann in den Tod gehen. Und jedes Loslassen, jedes Abschiednehmen ist für mich einer der wertvollsten Erfahrungen, die wir im Leben haben können. Erfahrungen, wie klein wir doch eigentlich sind auf dieser Welt. Wie unwichtig unser Ego ist, wie gut wir auch mit uns zurechtkommen können. Wenn ich manchmal erlebe, dass ein Paar bei der Trennung kommt, und, ich sage jetzt mal, die Frau verlässt den Mann für jemanden anders, und der Mann ist komplett niedergeschlagen, und dann kommen die ein Jahr später wieder oder vielleicht nur der Mann, dann erlebe ich eine Stärke, die da entstanden ist. Und dann frage ich immer: Wie kann es sein, dass Sie heute, ein Jahr nach dem Sie wirklich am Boden waren, so stark vor mir sitzen? Und dann sagen die Menschen zu mir, ja, es ist so irre! Als ich gemerkt habe, dass ich auch ein toller Mensch bin ohne die Liebe meines Partners, da ist irgendwie was bei mir passiert. Und da bin ich selbstständig und autonom und viel, viel glücklicher geworden.
[00:27:10] Lenne Kaffka Und das war es mal wieder mit Smarter leben. Weitere Tipps für Paare, Familien und frisch Getrennte gibt Nadja von Saldern in ihrem Buch "Glücklich getrennt – wie wir achtsam miteinander umgehen, wenn die Liebe endet". Der Link steht wie immer in den Shownotes zu dieser Episode. Und die nächste Folge gibt's ab kommendem Samstag auf spiegel.de und überall, wo es Podcasts gibt, zum Beispiel bei Spotify oder Apple Podcasts. Bei Anregungen oder Themenvorschlägen einfach eine Mail schreiben an smarterleben@spiegel.de. Diesmal wurde ich unterstützt von Philipp Fackler und Yasemin Yüksel. Unsere Musik kommt von audioBOUTIQUE. Tschüss, bis zum nächsten Mal.
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