1,6 Promille
(Nr. 26/1979, SPIEGEL-Report über den Alkoholmißbrauch in den westdeutschen Kasernen).
Es werden angeblich objektive Schilderungen über den Gesamtzustand einer Gruppe in unserer Gesellschaft gegeben. Im übrigen scheint es diesen »Wahrheitsaposteln« ganz in Ordnung, daß ihnen mit Masse eine Armee von Gammlern, Säufern, Menschenschindern und Trunkenbolden die Freiheit erhält, ihr dümmliches Gerede auch weiterhin an den Mann zu bringen. Ich glaube nicht, daß uns solche Manieren weiterhelfen.
Der überwiegende Teil unserer Soldaten ist leistungswillig, pflichtbewußt und zuverlässig. Er hat es nicht verdient, mit extremen Beispielen und Verhaltensweisen über einen Kamm geschert zu werden. Außerdem darf man allgemeine Probleme und Zustände der Gesellschaft nicht zum Problem einer einzelnen Gruppe machen und hochstilisieren.
Ich selbst bin 20 Jahre Soldat. Ich bin lange Zeit Einheitsführer gewesen und führe jetzt ein Bataillon. Ich war nie und bin nicht einer »Horde« von Säufern und Nichtstuern vorgesetzt.
Albersdorf (Schl-Holst.)
ARMIN MEYER-DETRING Oberstleutnant
Meine Herren Ver- und Benebelungstaktiker, dem Bericht des SPIEGEL ist weder etwas hinzuzufügen noch zu entgegnen.
Göttingen MATTHIAS FÖRSTER ehem. Vertrauensmann der Mannschaften
700 chronische Alkoholiker von 434 000 Mann (Ihre Zahlen) -- das ergibt einen Anteil von 1,6 Promille!! Glauben Sie wirklich, daß Sie damit und mit den wenigen Berkhan-Rosinen eine »Saufschule der Nation« aufmachen können?
Wilhelmshaven BERNHARD ABBASS
Kapitänleutnant
Tip unseres Kompaniechefs: »Habt ihr mal Ärger auf der Bude, kauft euch 'nen Kasten Bier, sauft ihn leer -- und alles ist vergessen!« Eben dieser Kompaniechef lief nachmittags sternhagelblau gegen die geschlossene Tür unserer Unterkunft.
Augsburg HARALD HOSCHKA
Ihr Artikel war Anlaß zu einer ausgedehnten Diskussion im Rahmen der wöchentlichen »politischen Information« in meiner Einheit. Dabei versuchten die anwesenden Mannschafts-, Unteroffiziers- und Feldwebeldienstgrade mit Vehemenz das Ausmaß der bundeswehrinternen »Sauferei« herunterzuspielen.
Und das, nachdem zwei Tage vorher -- während eines sogenannten »NATO-Alarms« -- zur Entlassung heranstehende Soldaten einen, in meinen Augen, wüsten Alkoholexzeß inszeniert hatten, inklusive Sachbeschädigung. So etwas sei normal, meinten die meisten der von mir angesprochenen Kameraden.
Ulm SIEGFRIED HEIM
Gefreiter
Der SPIEGEL behandelt unsere Soldaten wie rohe Eier; er haut sie in die Pfanne. Im Ernst: seit fünf Jahren bin ich in der Bundeswehr tätig. In Ihrer Horror- und Saufstory erkenne ich meine Soldaten nicht wieder. Geilenkirchen (Nrdrh-Westf.)
HANS-DIETER IVEN Katholischer Standortpfarrer
Ich bedanke mich für Ihren Artikel und kann Ihnen bestätigen, daß jedes Dementi eine Lüge ist. Berg-Gladbach (Nrdrh.-Westf.)
STEPHAN M. FISCHER Unteroffizier
Die Erziehung zum Trinker in Uniform wird in weiten Bereichen der Bundeswehr sicherlich wesentlich intensiver betrieben, als die Erziehung zum Staatsbürger in Uniform.
Bonn AXEL HOFFMANN
ehemaliger Berufsoffizier
Die Menschen wollen eigentlich gar nicht aufeinander schießen -- sie saufen lieber miteinander, und dies ist vielleicht auch ganz gut so.
Köln GERALD WELLERSHOFF
ihr Schreiberling muß so besoffen gewesen sein, daß er die Schnapsflaschen bei der Bundeswehr nicht nur doppelt, sondern mindestens zehnfach gesehen hat. Homberg (Hessen) EBERHARD FERREAU
Berufssoldat
Mit frohem Optimismus wurde ich im Juli 1978 eingezogen. Dieser Optimismus ist jedoch vollständig aus mir gewichen. Seit geraumer Zeit hege ich große Zweifel, wie ich meinen Wehrauftrag unter der Führung solcher Vorgesetzter erfüllen soll.
Viele der »ewigen Feldwebel« trinken gern und oft. Für sie kommt nach dem »erleichternden« Rausch das böse Erwachen, der Frust ist größer als zuvor, und die Aggressionen werden an den Untergebenen ausgelassen.
Bei den Mannschaften ist das Verhalten ähnlich. Zum Abreagieren ist dann jedoch kein Untergebener vorhanden, und der Kantinentisch oder Stuhl muß herhalten.
Stade (Nieders.) PETER AGEN
Gefreiter
Bei der einen oder anderen »kampfgeistbewußteren« Truppengattung der Bundeswehr ist das Trinken ein Hauptbestandteil der schon beinahe ideologisierten Traditionspflege geworden.
Wer es wagen sollte, Kritik zu üben, wird zum »aufmuckenden Dissidenten« deklariert und bevorzugt für Sonderdienste eingesetzt.
Saarlouis STEFFEN KECK
Fallschirmjäger-Unteroffizier
Sind Exzesse vorgekommen und werden diese untersucht, so stellt man immer wieder fest, daß der Rekrut sehr oft schon mit 14 oder 15 Jahren während der Schulzeit zur Flasche gegriffen hat.
Wilhelmshaven ERICH NACKEN
Oberbootsmann
Nutzlos, hirnios, nichts los: Da bleibt für die meisten Soldaten nur noch der Griff zur Flasche. Die Bundeswehr, Herr Brigadegeneral Wachter, ist auf dem besten Wege, sich zu einer Alkoholiker-Legion im »Asterixschen« Sinne (Hau drauf!) zu entwickeln.
Todendorf (Schlesw.-Holst.)
JOACHIM STOLZENBERG Gefreiter
Es bleibt einem als Vorgesetzter meiner Befehlsebene außer Förderung der Angebote sportlicher und kultureller Art vor allem die Verpflichtung, sich so intensiv wie möglich mit dem einzelnen Soldaten als Mensch auseinanderzusetzen. Oft ergeben sich dann konkrete Ansatzpunkte zu helfen! Ein Großteil Vorgesetzter scheint dazu allerdings aufgrund einer gewissen »Dienstgrad-Arroganz« nicht mehr in der Lage zu sein!
Köln MATTHIAS RICHTER
Oberleutnant
Erlebnis aus meiner Wehrdienstzeit: Zwei Fähnriche hatten im Rausch (jeder nahezu eine Flasche Weinbrand) Mobiliar und Wände des Unteroffizierskellers der Kompanie teilweise zerstört. Der Kompaniechef belegte sie daraufhin mit mehrwöchigem Zutrittsverbot. Als erschwerend sah der Chef an, daß alles unter den Augen der Ordonnanz, eines Obergefreiten, geschehen sei.
Der stellvertretende Brigadekommandeur hob das Zutrittsverbot auf mit dem Argument, er und seine Offizierskameraden hätten zu Zeiten der deutschen Wehrmacht getrunken und noch ganz andere Sachen gemacht. Außerdem sei die Anwesenheit der Ordonnanz nicht erschwerend zu werten, da sie »zum Schweigen über die Vorfälle im Unteroffizierskeller vergattert« sei.
Freiburg (Bad.-Württ.) ANDREAS VÖLZ
Ich hatte mit ein paar anderen Innendienst, weil wir Handwerker im Block hatten. Plötzlich kommt der Hauptfeldwebel aus dem Unteroffiziers-Keller, stellt sich vor mich und schreit mich an. Er war total betrunken und konnte nicht einmal mehr seinen Speichel bei sich behalten, geschweige denn gerade gehen oder richtig reden. In diesem Zustand setzte er sich dann ins Auto und fuhr nach Hause. Der normale Soldat bekommt dann zuvor große Reden gehalten, wie sich der Staatsbürger in Uniform zu verhalten hat.
Wiesbaden R. SEBASTIAN
In meinem Dienstbereich an Bord eines Minensuchbootes wurden vom Kommandanten und mir die Grundsätze der Inneren Führung angewandt, das heißt es wurde versucht, die Soldaten von der Notwendigkeit ihres Dienstes zu überzeugen.
Solingen WOLFGANG LEIDORF
Oberleutnant zur See d. R.
Sollte ich noch einmal vor der Wahl stehen, werde ich auf Abitur und Studium verzichten, Pächter einer Bundeswehr-Kantine werden und mich mit 35 Jahren als gemachter Mann in die Schweiz zurückziehen.
Duisburg WOLFGANG LÖFFLER
Leutnant d. R.
Momentan bin auch ich noch einer von denen, die mehr weinen als saufen! Wie lange noch?
Oldenburg (Nieders.) ERICH LORENZEN Soldat
Als alte Generalswitwe kann ich das Elend der Soldaten mit vier Zeilen umreißen: Zum Töten erzogen, vom Dienst gelangweilt, von den Frauen getrennt, vom Alkohol getröstet. Winsen (Nieders.) HERTA HACKESPECHT
Sie vergessen den positiven Aspekt des Alkoholismus in der Bundeswehr. Man könnte den momentan so schleppend laufenden MBFR-Gesprächen wieder neuen Anschub geben: Alkoholismus deutscher Soldaten als Mittel der konventionellen Abrüstung in Europa. Denn selbst skeptischsten Militärs des Warschauer Pakts muß klar werden, daß mit 3,0 Promille kein Angriffskrieg zu führen ist!
Mechernich (Nrdrh.-Westf.)
THOMAS TSCHENTSCHER THOMAS JUNG HERBERT SIELBERSIEPE Soldaten