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ERBSTREIT 50 Witwen

aus DER SPIEGEL 14/1964

Niemand urteilte härter über die laxen Sitten seines lebensfrohen Volkes als Thailands verstorbener autoritärer Regierungschef, Feldmarschall Sarit Thanarat. Nur mit radikalen Mitteln, so philosophierte der Diktator, lasse sich der »moralische Sumpf« im Pagodenparadies Thailand trockenlegen.

Bevor Sarit am 8. Dezember vorigen Jahres an Leberzirrhose starb, hatte er in sechs Amtsjahren zahlreiche Reformen durchgesetzt, um die 28 Millionen buddhistischen Thais an strengere Sitten zu gewöhnen.

Der einstige Klosterzögling, Amateurboxer und Offizier bekämpfte unnachsichtig die in dem alten südostasiatischen Königreich weitverbreitete Korruption. Er erließ auch Gesetze gegen die Vielehe, das Opiumrauchen, die Prostitution und das fröhliche Treiben in

den türkischen Bädern der Pagodenstadt Bangkok.

Als der Feldmarschall jedoch in der vorvergangenen Woche - nach buddhistischem Ritus genau hundert Tage nach seinem Tod - in Bangkok eingeäschert wurde, wußte auch der letzte Thai, daß zumindest ein Bürger des Landes die strengen Sittengesetze grob mißachtet hatte. Sein Name: Sarit Thanarat.

Der ehemalige Diktator, so erfuhr nun die Nation, hatte es trotz der strengen Antikorruptionsdekrete verstanden, ein Vermögen von etwa 400 Millionen Mark anzuhäufen. Er hatte außerdem die von ihm erlassenen Sittengesetze verletzt und für eine Kompanie potentieller Erben gesorgt.

Der Skandal wurde öffentlich bekannt, weil Sarit es verabsäumt hatte, ein Testament zu hinterlassen. Als Ehefrau Vichitra, in deren Armen er gestorben war, den Nachlaß ihres Mannes regeln wollte, meldete beim obersten Zivilgericht in Bangkok die erste Frau des verstorbenen Marschalls, Charvee Sarit, Ansprüche für sich und ihre beiden Söhne an.

Die attraktive Charvee hatte der junge Offizier Sarit 1939 geheiratet. Ehefrau Nummer zwei, die sanfte und reiche Vichitra, ehelichte er zehn Jahre später, ohne sich zuvor von Charvee scheiden zu lassen, was die damaligen Gesetze erlaubten.

Kaum drangen Meldungen über den Erbstreit in die Öffentlichkeit, da erhoben drei weitere Sarit-Witwen Ansprüche. Sie hatte der Marschall geheiratet, nachdem die Vielehe verboten worden war.

Das Vorprellen der Witwen öffnete die Tore für ein immer unübersichtlicher werdendes Heer hübscher Sarit-Frauen. Anwälte, Zeitungen und Neider des Verstorbenen förderten neben den fünf gleichsam offiziellen Witwen, die Sarit-Trauscheine vorweisen können, ein halbes Hundert Nebenfrauen und Gespielinnen zutage, die dem Diktator die letzten Lebensjahre verschont hatten.

Die 18jährige Schönheitskönigin Malini Viriya behauptete, Sarit habe sie vor einem Jahr in einer privaten Zeremonie zur Nebenfrau erkoren. Sie schilderte freimütig die Gewohnheiten des alternden Diktators.

Viriya: »Er war außerordentlich nett zu uns Mädchen. Wenn er arbeitete, hatte er gerne einige von uns um sich, manchmal waren wir zehn. Wir zogen uns aus' und spazierten um seinen Schreibtisch, während er wichtige Akten erledigte.«

Und: »Er liebte es auch, eine Menge seiner Kinder um sich zu haben. Sie sagten 'Dicker' zu ihm und hatten ihn sehr gern.«

Zu den Freizeithelferinnen des »gütigen Diktators«, wie Sarit sich gerne nennen ließ, zählten vor allem Schönheitsköniginnen, Filmstars und Fernseh -Ansagerinnen. In der Regel erhielten sie von ihrem Gönner zumindest ein Haus und ein Auto.

Die Zahl der Geliebten Sarits und seiner Häuser konnte bisher nicht genau ermittelt werden, wohl aber die Anzahl der auf seinen Namen zugelassenen Autos: 51.

Weniger Klarheit herrscht über Sarits Gesamtbesitz, um den sich Witwen, Konkubinen und Kinder des verblichenen Herrschers streiten. Bisher wurden Anteile an mehr als 20 Firmen bekannt, darunter Brauereien, Juwelenläden, Baufirmen, Banken, Zeitungen, Export - und Importgesellschaften. Sarit kontrollierte die Staatslotterie und Rüstungsfirmen. Bankkonten besaß er In Thailand, Japan, Großbritannien, in der Schweiz und den Vereinigten Staaten.

Das Zivilgericht in Bangkok suchte den unüberschaubaren Erben-Dschungel durch eine rigorose Entscheidung zu lichten. Es billigte Erbrechte nur den beiden ersten Frauen Sarits und deren Kindern zu.

Obwohl die Witwen Charvee und Vichitra geneigt sind, den Streit durch einen Vergleich zu regeln, haben sie kaum eine Chance, das ungeschmälerte Millionen-Erbe anzutreten: Die von der aufgebrachten Öffentlichkeit bedrängte Regierung in Bangkok ließ Sarits thailändische Bankkonten sperren.

Thailand-Diktator Sarit, Ehefrau Vichitra: 51 Autos

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