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Südkorea Abbruch des Granitmonsters

aus DER SPIEGEL 35/1993

Fast fünf Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom japanischen Joch will sich Südkorea von den letzten Zeugnissen der Vergangenheit trennen. Ein fünfstöckiger Granitbau in der Form des chinesischen Schriftzeichens für Nippon war 1926 von den Japanern in Seoul zwischen der Tor- und Thronhalle des Kyongbok-Palasts (14. Jahrhundert) als steinerner Beweis der Unterdrückung erbaut worden. Der von Größenwahn zeugende Kasten - der Zahl der Räume nach dem Buckingham-Palast ebenbürtig - war Sitz der japanischen Kolonialverwaltung. Nachdem Südkorea 1948 ein souveräner Staat geworden war, zog die Regierung in das Granitmonstrum ein. Zuletzt diente der Bau als Nationalmuseum. »Es ist sicher falsch«, befand nun Südkoreas Präsident Kim Young Sam, »Nationalschätze, in denen der Geist unserer Vorväter wirkt, in einem Gebäude aufzubewahren, das als Symbol der Unterdrückung angesehen wird.« Umfragen zufolge stimmen ihm über 70 Prozent der Koreaner zu. Kim hat deshalb den Abbruch angeordnet. Außerdem erließ der Präsident die Anweisung, auch die ehemalige Residenz des japanischen Gouverneurs, bis 1990 immerhin offizieller Dienstsitz des südkoreanischen Präsidenten, zu beseitigen. Japans Regierung will sich zu dem Gebäudesturm nicht äußern.

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