Zur Ausgabe
Artikel 6 / 62

Abrüstung durch Inflation

aus DER SPIEGEL 1/1975

Das Pentagon sorgt sich um Verteidigungsetats der westlichen Verbündeten: Die Inflation, so lautet eine düstere Prognose aus dem US-Verteidigungsministerium, treibe die Nato-Partner in »unilaterale Abrüstung«. Interne Studien des Pentagon bilden die Grundlage zu einer Übersicht der durch Kostensteigerungen bedrohten Wehretats westlicher Verteidigungspartner und Japans.

Am schwersten von der Inflation betroffen ist danach das Verteidigungsbudget der USA. Das Pentagon, das eine 1,7- Milliarden-Dollar-Zuwachsrate an Kaufkraft für das laufende Finanzjahr eingeplant hatte, rechnet nun mit fünf Milliarden Dollar Einbuße durch Geldentwertung. US-Verteidigungsminister James Schlesinger warnte denn auch. daß die Vereinigten Staaten bei weiter anhaltendem inflationären Trend eine »Macht zweiter Klasse« (second-class power) werden könnten. Während das Verteidigungsbudget der Amerikaner mit gegenwärtig 84 Milliarden Dollar um acht Milliarden Dollar unter dem des Jahres 1964 liegt, ist der Rüstungshaushalt der Russen nach CIA-Berichten in den letzten Jahren jährlich um drei bis fünf Prozent angewachsen.

Die Bundesrepublik. so hoffen die Amerikaner, die mit sechs Prozent ihres Bruttosozialproduktes weitaus mehr in die Verteidigung stecken als ihre europäischen Verbündeten (durchschnittlich drei Prozent), wird bei einer Wehretat-Steigerungsquote von über acht Prozent und 6,9 Prozent Inflationsrate ihr Verteidigungsbudget real vergrößern können. Eine 13prozentigc Steigerung des Verteidigungshaushaltes in Frankreich wird nach Meinung der Experten zumindest den Kaufkraftverlust von 16 Prozent ausgleichen und vielleicht sogar ein geringfügiges Erweitern des militärischen Programms zulassen. Ein »plus minus null« im Verhältnis Wehretatsteigerung -- Inflationsrate erwartet man auch in Belgien. Dänemark. den Niederlanden und Norwegen. Dagegen überflügeln in England und Italien. die von wirtschaftlichen Problemen besonders betroffen sind, die Inflationsquoten die Steigerungsraten der Militärhaushalte. Auch in Kanada hat eine jährliche Aufstockung des Wehretats nicht ausgereicht, um mit der Inflationsrate Schritt zu halten: Bei den kanadischen Streitkräften herrscht Geld- und daher Personalmangel. Ähnlich ist die Situation in Japan, wo die Verteidigungsausgaben in diesem Jahr um 16 bis 18 Prozent über denen des Vorjahres liegen, aber zum größten Teil für Besoldung aufgewendet werden müssen. Der japanische Fünfjahres-Verteidigungsplan, für die Jahre 1972 bis 1976 konzipiert und auf 15 Milliarden Dollar veranschlagt. wird durch die Inflation voraussichtlich das Doppelte kosten.

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 6 / 62
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren