PARTEIEN / FDP Abschied genommen
Auf der Suche nach der verlorenen deutschen Einheit droht den Freidemokraten selbst die Spaltung.
FDP-Chef Erich Mende öffnete Freitag vorletzter Woche in seinem Büro im Bundeshaus Zimmer 205 A unerwartete Post: Per Einschreiben kündigte der frühere niedersächsische Landesminister Eilers dem Freidemokraten-Chef die Parteifreundschaft auf.
Eilers begründete seine Abschiedsgrüße mit Richtungslosigkeit und mangelnder Loyalität in der FDP-Führung. Dabei verwies er auf die Auseinandersetzungen über die Deutschland-Politik, die sich an einer durch Indiskretion bekanntgewordenen Studie des Partei-Referenten Wolfgang Schollwer entzündet hatten.
In seinem Papier hatte Schollwer als Ausweg aus der festgefahrenen Bonner Wiedervereinigungspolitik die Anerkennung der DDR und der Oder-Neiße-Linie empfohlen, was kurz darauf Partei-Schatzmeister Wolfgang Rubin ebenfalls propagierte (SPIEGEL 12/1967).
Ein ehemaliger Ministerkollege von Eilers, der frühere niedersächsische Kultus-Verwalter Mühlenfeld, verließ grußlos die Reihen der Freien Demokraten. Seinen Weggang samt Motivierung -- die FDP sei »eine Partei ohne Kompaß« -- erfuhr Mende aus den Zeitungen.
Als lachender Dritter im Streit der zwei FDP-Lager -- angeführt von Mende und der etablierten Fraktionsführung auf der einen und Rubin sowie Bundesgeschäftsführer Friderichs auf der anderen Seite -- fühlte sich die CDU. Der Dirigent der Christen-Fraktion, Rainer Barzel, mahnte Montag letzter Woche seine versammelte Vorstandsrunde zu taktischer Schläue: »Wir müssen differenzieren und die konstruktiven Kräfte in der FDP stützen.«
Der von der DP zur CDU übergelaufene ehemalige Verkehrsminister Seebohm merkte als erster, wohinaus sein Fraktionschef wollte. Der zungenschnelle Parlamentarier muckte auf: »Herr Eilers und Herr Mühlenfeld wären für uns keine Bereicherung.«
Barzel fuhr ihm in die Parade: »Wir müssen behutsam sein.«
Da meldete sich der aus Meppen kommende CDU-Vorstandsherr Josef Stecker, im Landesverband Hannover Partei-Vize, zu Wort: »Herr Kollege Seebohm, solche pauschalen Urteile kann man nicht fällen.« Dem aufmerksamen Zirkel berichtete Stecker, daß Eilers ihm gegenüber bereits angekündigt habe, nach einer kleinen Pause der CDU beizutreten. Stecker weiter: Eilers habe das schon seit langem gewollt und nur noch auf einen Anlaß gewartet, der ihm für sein Überwechseln die Begründung liefere.
Die Nachricht animierte eine Reihe von CDU-Oberen, nach der Vorstandssitzung bei einer Runde Bier im Bundeshausrestaurant Spekulationen über mögliche Überläufer aus der FDP-Bundestags-Fraktion anzustellen, falls es den Frondeuren gelingen sollte, ihr Programm auf dem FDP-Parteitag Anfang April durchzusetzen. Die Erwartungen richteten sich auf betont konservativ eingerichtete Freidemokraten, wie den Bayern Josef Ertl und den Norddeutschen Rolf Dahlgrün, einst Finanzminister. Kühne Christdemokraten prognostizierten gar, daß die Union so die fehlenden vier Mann zur absoluten Mehrheit gewinnen könnte.
FDP-Chef Mende wischte die CDU-Rechnung kurzerhand vom Tisch. Mende: »Nichts als Zweckpropaganda.«
Statt dessen fürchtete Mende Mittwoch letzter Woche den Verlust einer Hundertschaft FDP-Mitglieder in Essen. In einer langen, bierseligen Nacht hatten einige Vorstandsmitglieder des FDP-Kreisverbandes Essen am vorletzten Wochenende beschlossen, den Partejausschluß von Schatzmeister Rubin, der in Essen Ehrenvorsitzender ist, zu beantragen.
Ob der Provinzzirkel bei dieser Entscheidung überhaupt in beschlußfähiger Mehrheit versammelt war, konnte Kreisvorsitzender Carl Jennen wenige Tage später nicht mehr beurteilen. Jennen zum SPIEGEL: »Schließlich war es ja egal, ob wir alle in einem Raum beisammen waren. Jedenfalls haben wir mit den Nichtanwesenden telephoniert.«
FDP-Senior Thomas Dehler urteilte über die Parteikumpel aus dem Ruhrpott bündig: »Das sind Schwätzer.« Mende jedoch vertraute den Meldungen aus dem Essener Kreisverband, über 100 Parteimitglieder in Essen seien zum Austritt entschlossen, falls Ruhm nicht ausgeschlossen würde.
Behend formulierte er eine Formel, mit der er den unliebsamen Rivalen Rubin treffen und gleichzeitig den Parteibestand wahren zu können glaubte: »Ich bin kein Freund von Parteiausschlüssen. Wenn die Delegierten mit dem Schatzmeister nicht zufrieden sind, dann sollten sie ihn beim nächsten Parteitag nicht mehr wählen.«