RAUSCHGIFT Absolut verlogen
Verschwinden Sie bloß schleunigst aus Südostasien«, riet ein bundesdeutscher Konsularbeamter dem jungen Mann, den Bonns Diplomaten nach tagelanger hektischer Suche endlich im »Oriental«, Bangkoks schönstem Hotel, aufgestöbert hatten. »Sie sind in akuter Gefahr, wieder verhaftet zu werden.«
Frank Förster, 24, eine Woche zuvor mit dem Freispruch im Drogenprozeß von Penang dem Galgen entronnen und gewillt, »meine Freiheit zu genießen«, blickte verwirrt auf seinen Anwalt Jörg Streitferdt, 36. Der hatte wie üblich einen flapsigen Spruch parat: »Das sehen wir viel entspannter.«
Später muß er dann doch nervös geworden sein. Am nächsten Morgen jedenfalls, als der Botschaftsmann zum vereinbarten Rendezvous im Hotel erschien, war das Duo Förster/Streitferdt mit unbekanntem Ziel abgereist.
Durchaus verständlich - Bonn hatte nicht ohne Grund Alarm geschlagen: Da das Urteil von Penang noch nicht rechtskräftig ist, könnten spektakuläre Enthüllungen über die wahren Hintergründe des Drogenfalls Malaysias Justizbehörden zu einer erneuten Aktion gegen Frank Förster veranlassen. Das Nachbarland Thailand wäre da kein allzu sicher anmutender Hort.
»Blankes Entsetzen«, so ein hoher Staatsdiener am Rhein, herrschte letzte
Woche in der Bundesregierung über die skandalösen Weiterungen des Fall Försters »zu einer unerhört schmierigen Geschichte«.
Selten hatte ein Deutscher, der im Ausland in Bedrängnis geriet, dermaßen viele Fürsprecher aus der Politik gefunden. Staatssekretäre, Landes- und Bundesminister, selbst der Bundespräsident waren »auf der humanitären Schiene« in Malaysia für den Bankkaufmann aus dem Rheingau eingetreten.
»Niemand kann sich vorstellen, daß hier ein ganzer Staatsapparat bewegt wurde, um diesen Herrn vor dem Henker zu bewahren«, erregt sich ein Insider, »doch jetzt stehen wir mit angeschlagener Glaubwürdigkeit da wie begossene Pudel; wir wurden von einigen windigen Anwälten mißbraucht.«
Dies könne, fürchten die Bonner, »massive Folgen« für Bonns künftige Konsulararbeit in Südostasien haben. Dort sitzen derzeit noch Dutzende von Deutschen wegen Drogenvergehens ein.
Ausgelöst hatte den Aufruhr ein fataler Schritt der ehemaligen Reisebegleiter Försters. Nur fünf Tage nach dessen Freispruch widerriefen die Rüdesheimer Jürgen Endlich und Jochen Roos, beide 29, ihre eidesstattlichen Versicherungen, in denen sie sich als alleinige Besitzer des halben Pfunds Haschisch bezeichnet hatten, das Förster zum Verhängnis zu werden drohte.
Mit diplomatischem Beistand Bonns waren diese Erklärungen, die Förster entlasten mußten, nach einigem Wirbel in das Verfahren von Penang eingeführt worden, wenn auch nicht prozeßentscheidend gewesen.
Richter Edgar Joseph jr. muß geahnt haben, zu welchem Zweck die Erklärungen abgegeben worden waren. In seiner Urteilsbegründung stellte er fest, diese Geständnisse hätten zur »vollkommenen Entlastung« Försters beigetragen, doch hätte er den Angeklagten ohnehin aus Mangel an Beweisen freigelassen.
»Es war abgemacht, daß meine Mandanten rehabilitiert werden, denn sie hatten mit der Sache nichts zu tun« rechtfertigt der Rüdesheimer Anwalt Bernd Koslowski den Widerruf der beiden Förster-Gefährten. Gegen die ermittelt nämlich seit ihrer Selbstbezichtigung die Wiesbadener Staatsanwaltschaft wegen »unbefugten Vertriebs von Betäubungsmitteln«.
Auf Betreiben Streitferdts hatte Förster unmittelbar nach dem Freispruch in einem Fernsehinterview »dem Jürgen und dem Jochen« dafür gedankt, »daß sie sich als Freunde in der Not bewährt haben«.
Doch das war nicht die ganze Satisfaktion, welche in einer monatelangen Schacherei die Advokaten Streitferdt und Koslowski ausgekungelt hatten. Beide setzten bei diesem Spiel einander unter Druck, pokerten um hohe Beträge und schlossen miteinander haarige Verträge.
So verpflichtete sich Streitferdt schon vor Prozeßbeginn letzten November daß »der gesamte Erlös« aus der Vermarktung der Frank-Förster-Story in den Medien »zu gleichen Teilen« auch den beiden Reisebegleitern zukommen sollte.
Die beiden Helfer waren andererseits bereit, vor einem Notar in Eltville die von Streitferdt benötigten »Geständnisse« abzugeben, die sie dann Anfang Januar in der malaysischen Botschaft in Bonn wiederholten.
Zuvor allerdings mußte Jörg Streitferdt, in Singapur stationierter Wirtschaftsanwalt der Stuttgarter Kanzlei Thümmel, Schütze & Partner, noch eine Forderung erfüllen, die Koslowski ihm per Fernschreiben bereits am 17. November 1986 übermittelt hatte: die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, »die klarstellt, daß meine Mandanten keine Eigentümer des Stoffes waren«.
Zu Beginn der zweiten, entscheidenden Prozeßrunde, am 12. Januar, unterschreibt dann Streitferdt in Penang eine »Unterlassungs-Verpflichtungserklärung«, die Koslowski per Telefax schnellstens übermittelt wird.
Bei Androhung einer Konventionalstrafe von einer halben Million Mark verpflichtet sich Försters Anwalt darin, nach Prozeß-Ende »die Herren Endlich und Roos voll zu rehabilitieren«. Und zwar mit der Erklärung, Frank Förster sei der »alleinige Eigentümer des Haschischs« gewesen, die von Endlich und Roos abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen »dienten lediglich dem Zweck, das Leben Frank Försters zu retten«.
Doch der smarte Advokat Streitferdt denkt bislang gar nicht daran, diese von ihm als »sittenwidrig« empfundene Abmachung zu erfüllen. Er will offenbar seinen eigenen Schnitt mit den »Förster-Memoiren« machen, sondiert Offerten, während er mit seinem Mandanten in Thailands Ferienzentren weilt.
Dort genießt Frank Förster nach drei Jahren und zwei Monaten Untersuchungshaft sein »süßes Leben«, weiß »Bild« zu melden, nämlich »Einkaufen, Champagner, zierliche Mädchen«. Anscheinend hat er genügend Geld.
Niemand berichtete so abgeschmackt über das Förster-Verfahren wie Deutschlands größtes Massenblatt. »Dieser Deutsche wird gehenkt«, kündigte die »Bild«-Schlagzeile schon zwei Tage nach der Hinrichtung zweier Australier an.
Und unter dem Titel »Hängen sollst du unter Palmen...« erschien während der Prozeßunterbrechung eine Serie, für die Förster in einem Brief an das heimische »Rheingau-Echo« nur ein Urteil fand: »absolut verlogen«.
Doch das dürfte den Anwalt Streitferdt kaum hindern, die Story seines Mandanten auch an diese journalistischen Vorverurteiler zu verhökern. Auskunft von »Bild« Ende vergangener Woche: »Wir haben einen Vorvertrag mit Förster.« In »Quick« werden dann die Kumpels ausbreiten »wie die Geschichte wirklich war« (Koslowski).
Zwar läßt es sich mit übergesetzlichem Notstand wohl rechtfertigen, einen Menschen per falscher eidesstattlicher Versicherung vor der Todesstrafe zu bewahren, doch durch die Enthüllung des Handels muß sich die offenbar lautere Justiz des Drittweltstaates Malaysia schwer düpiert fühlen.
Und in die Bredouille gebracht hat das peinliche Nachspiel zum Fall Förster offensichtlich nun auch jenen Mann, dem der leichtsinnige Deutsche seinen Freispruch hauptsächlich verdankt: R. Rajasingam, 51, den indischen Wahlverteidiger in Penang.
Da er seinen untergetauchten Partner nicht erreichen konnte, wandte sich Rajasingam
hilfesuchend an die deutsche Botschaft. Er braucht von Streitferdt, diesem »verrückten Deutschen«, eine eidesstattliche Erklärung, daß er »in den Schwindel« nicht eingeweiht war.
Denn sonst droht Rajasingam, der eine Reihe weiterer Todeskandidaten betreut, in Malaysia der Entzug der Anwaltslizenz.