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Briefe

Aids für alle?
aus DER SPIEGEL 6/1987

Aids für alle?

(Nr. 3/1987, SPIEGEL-Gespräch mit Staatssekretär Gauweiler und Sexualwissenschaftler Dannecker über Aids-Meldepflicht und Seuchenbekämpfung) *

Genau gesehen gibt es nur ein wirksames Mittel, Aids zu stoppen: Quarantäne für alle Aids-Erkrankten! München PAUL J. MUENZER

Hut ab, Herr Gauweiler! Endlich ein Politiker, der den Mut hat, die Wahrheit zu sagen. Leider wurde vergessen, daß ungehemmte Ausbreitung der Seuche erst durch die liberalen Förderer der Homosexualität, die Verherrlichung sexueller Perversitäten bis hin zur Auflösung der Schuldfrage im Eherecht durch Herrn Vogel und seine liberalen Freunde ermöglicht wurde. Travemünde (Schlesw.-Holst.) BRIGITTE MEISSNER-DONITZKY

Es glaubt doch wohl keiner im Ernst, daß sich ein Virusträger aus Verantwortungsgefühl sexuell zurückhält! Die geistige Einstellung zeigt sich deutlicher in der Bemerkung eines verhafteten aidsinfizierten Strichjungen in New York: »... the world fucked me to death - now I fuck the world to death.« Herr Dannecker hätte wohl gern, daß wir alle das Schicksal gemeinsam tragen. New York MICHAEL HOLTMANN

Eine Meldepflicht für HIV-Antikörper-Träger fordert Gauweiler, obwohl die - nachweisbar und eingestandenermaßen - in Schweden nichts gebracht hat als die Verschleppung ganz anderer Krankheiten, weil Menschen aus Angst vor der HIV-Meldepflicht nicht mehr zum Arzt gegangen sind. Gauweilers Minenhunde kläffen inzwischen schon von »Isolation« und »Absonderung«. Früher nannte man das Konzentrationslager. Und je massiver das administrative Eingreifen, desto sorgloser die nicht aufgeklärten Bürger im Gefühl ihrer vermeintlichen Sicherheit. So helfen Gauweilers Mittel nur einem: der schnelleren Verbreitung des Virus. Berlin GERD PAUL Vorsitzender der Deutschen Aids-Hilfe

Herr Gauweiler sagt, meine Intervention hätte in Hessen dazu geführt, daß die Amtsärzte in den Strafvollzugsanstalten Daten über infizierte Häftlinge löschen mußten, und folgert daraus, daß nunmehr ein wegen eines Verkehrsdeliktes inhaftierter junger Mann möglicherweise die Zelle mit einem Aids-Infizierten teilen müsse und dann vergewaltigt und angesteckt werden könnte.

Nichts davon stimmt. Daß die Amtsärzte Aids-Daten speichern dürfen, war und ist unbestritten. Nur: Aids-Infizierte, die ärztlich untersucht werden, sind Patienten. Angaben zu ihrer Person unterliegen deshalb genauso, wie Daten über jeden anderen Patienten, der ärztlichen Meldepflicht. Aids-Daten dürfen daher von den Amtsärzten an die Anstaltsbediensteten nur weitergegeben werden,

wenn und soweit dies der Abwehr einer Lebens- oder einer erheblichen Gesundheitsgefahr für die Bediensteten oder die Mitgefangenen dient. Eine Position, die auch vom hessischen Minister der Justiz geteilt wird. Zur Diskussion stand deshalb lediglich, wer aus dem Personal informiert werden muß. Allerdings: Zu keinem Zeitpunkt bestand auch nur der leiseste Zweifel daran, daß Bedienstete, die für die Zuteilung der Zellen zuständig sind, in jedem Fall von der Aids-Infizierung Kenntnis haben müssen. Wiesbaden PROF. DR. SIMITIS Der hessische Datenschutzbeauftragte

Ich kann nicht beurteilen, was Herr Gauweiler alles mit Semmelknödeln und Salat anstellt. Französische SIDA-Forscher informieren jedenfalls dahingegehend,

daß man sich ausschließlich auf »sexuellem Weg« und Spritze anstecken kann - Herr Gauweiler den Salatbereiter also sogar küssen könnte, ohne ein Risiko einzugehen. St. Genest-Lerpt (Frankreich) URSULA ADAM

Sehr geehrter Herr Gauweiler, als Aids-Infizierter bin ich schon bei der Polizei (wie auch andere!) im Computer registriert, aber vergreifen Sie sich nicht an meiner Sexualität, sonst vergreife ich mich - vielleicht - an Ihnen. Kassel FRANZ WEISBROD JVA Wehleiden

Könnte man Adenauer noch über Aids befragen, würde seine Antwort sicher lauten: »Noch nie war die Lage so ernst.« Baden-Baden DR. ARTUR HASEL

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Beängstigende Tatsache *

Wir teilen die Ansicht von Herrn Gauweiler und sind darüber besorgt, daß so wenig beziehungsweise so wenig Sinnvolles gegen die Verbreitung von Aids unternommen wird. Wir sind auch der Meinung, daß wir dringend bessere epidemiologische Daten benötigen und es deshalb wünschenswert wäre, Menschen mit einem Infektionsrisiko, wie Drogenabhängige, Prostituierte, Homosexuelle und Bluter, zu testen. So wünschenswert und sinnvoll es wäre, bestimmte Personengruppen in unserem Lande zu untersuchen, so wenig durchführbar erscheint es uns. Abgesehen von den Kosten - dieses Geld wird dringend von Klinik und Forschung benötigt - ist es heute leider praktisch nicht möglich, durch direkten Virusnachweis die Infektion rasch und sicher festzustellen. Wir sind bei der Diagnose einer HIV-Infektion auf den Nachweis von Antikörpern angewiesen. Da mit der Antikörperbildung aber immer erst in einem zeitlichen Abstand, der nach der Literatur Monate bis Jahre betragen kann, zu rechnen ist, würden Personen in der Frühphase der Infektion durch diese Untersuchungsmethode nicht erfaßt. Erschwerend kommt hinzu, daß die serologischen Untersuchungsergebnisse der üblichen Testmethoden (ELISA, IF) sowohl falsch positiv als auch falsch negativ sein können. Um eine Infektion bei den Betroffenen sicher festzustellen, sind deshalb häufig zusätzliche aufwendigere Testmethoden, wie der Western-Blot, sowie eine gründliche ärztliche Untersuchung einschließlich weiterer Laborparameter erforderlich. Aber selbst wenn wir derartig aufwendige Untersuchungsmaßnahmen anwenden, werden wir bei einem

Teil der Betroffenen die Infektion nicht feststellen können. Der Grund sind die Änderung des Erregers sowie neue bislang in unserer Bevölkerung noch nicht vorgekommene andere Virusstämme.

Was soll mit den testpositiven Personen geschehen? Wie kann man die Einhaltung restriktiver Maßnahmen - Berufsverbot für Prostituierte - kontrollieren? Die neuerdings angesagte Meldepflichtdiskussion hat bereits dazu geführt, daß viele Patienten unseres großen Frankfurter Kollektivs sich zu den Untersuchungsterminen nicht mehr einfinden. In der derzeitigen Situation bleibt nach unserer Auffassung zur Verhinderung der Ausbreitung der HIV-Infektion keine andere Wahl - und hier geben wir Herrn Dannecker recht, wie wir auch seine Forderung nach einem Antidiskriminierungs-Gesetz für Aids-Betroffene unterstützen -, als an die eigene Verantwortung eines jeden Bürgers unseres Landes zu appellieren, sich selbst vor der HIV-Infektion zu schützen. Um hierzu in der Lage zu sein, müssen jedem Bürger die Übertragungswege klargemacht werden. Das muß durch Aufklärung unter Einsatz der modernen Massenmedien (Fernsehen) geschehen. Auch Schulkinder müßten frühzeitig und wiederholt auf die Gefahr einer HIV-Infektion durch sexuelle Kontakte beziehungsweise im Drogenmilieu hingewiesen werden. Die einmalige Versendung von Aufklärungsbroschüren an alle Haushalte erscheint uns allerdings in dieser Situation nicht ausreichend. Das wirklich Beängstigende ist die Tatsache, daß bislang von keiner der etablierten Parteien ein relevantes Aids-Bekämpfungs-Konzept vorgelegt wurde.

Frankfurt PROF. DR. MED. W. STILLE PROF. DR. MED. E. B. HELM Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität

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Verteidigung abgelehnt

(Nr. 1/1987, SPIEGEL-Interview mit dem sowjetischen Historiker und Dissidenten Roy Medwedew über die Freilassung Sacharows) *

In Ihrem Interview mit Roy Medwedew wurden die Gründe und Bedingungen meiner Rückkehr nach Moskau diskutiert. Ich halte es für unerläßlich, folgendes anzumerken:

1. Ich hatte nicht vor und noch weniger nach dem tragischen Tod meines Freundes Anatolij Martschenko, ein Telegramm mit der Bitte um Rückkehr nach Moskau zu schicken. Die Berufung Medwedews auf solche Information, die er angeblich von meinen Freunden erhalten hat, mutet höchst seltsam an.

2. Ich habe nicht geplant, einen Hungerstreik zu erklären, um meine Rückkehr nach Moskau durchzusetzen. Die Behörden brauchten dies nicht zu befürchten, denn ich habe niemals einen Hungerstreik erklärt, wenn es um mich selbst ging.

3. Roy Medwedew gibt meine Position zu Abrüstungsfragen nicht richtig wieder. Ich halte es für falsch den Abschluß einer Vereinbarung über wichtigste Abrüstungsfragen vom SDI-Problem abhängig zu machen. Die Obrigkeit konnte nicht darauf zählen, daß meine Meinung, unter anderem über SDI, mit der offiziellen Linie völlig übereinstimmt.

4. Ich möchte an dieser Stelle nicht über das von mir tief verehrte verstorbene Akademiemitglied P. L. Kapiza sprechen. Allerdings zwingen mich einige Behauptungen Medwedews dazu. Der Bericht über die Antwort Kapizas auf der Sitzung des Präsidiums der Akademie der Wissenschaften, auf der eines der Akademiemitglieder meinen Ausschluß verlangte, ist weit bekannt. Irgendwelche anderen Aktivitäten Kapizas zu meiner Verteidigung sind mir allerdings nicht bekannt. Auf die entsprechende Bitte meiner Schwiegermutter, R. Bonner 1980, antwortete er mit einer Ablehnung. Kapiza antwortete damals auch nicht auf einen Offenen Brief A. Martschenkos mit der Aufforderung, sich gegen meine Verbannung aus Moskau zu engagieren. Dieser Brief diente als einer der Anklagepunkte gegen Anatolij Martschenko. P. L. Kapiza hat auf keinerlei Weise auf meinen Brief aus Gorki mit der Bitte, Martschenko zu verteidigen oder mindestens insgeheim seine Situation im Lager zu erleichtern, geantwortet.

Moskau ANDREJ SACHAROW

BRIEFE

Genialer Gedanke

(Nr. 4/1987, SPIEGEL-Gespräch mit dem Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger über die Wahl und den Überdruß an Bonn) *

Das Gespräch mit Hans Magnus Enzensberger gehört für mich zu den Sternstunden der Republik in diesen Jahren! Bonn CHRISTOPH H. WERTH

Erfrischend, solche Gedanken wie die des Hans Magnus Enzensberger zu lesen. Emden (Nieders.) KARL H. WOLTER

Böll ist tot. Graß genießt das Elend in Kalkutta. Walser träumt von kalifornischen Studentinnen. Hildesheimer hat in Poschiavo aufgehört zu schreiben. Und nun erklärt Enzensberger, die Gesellschaft sei ein »großes, weiches, empfindliches Ungeheuer«. Soll er ja aufpassen, daß es ihn nicht samt Schreibutensil auffrißt! Köln REINHARD KRISCHER

Die Fähigkeit eines Intellektuellen, über sich und seine Kaste so klar zu sehen, ist schon erstaunlich! Frankfurt ANITA FORNOFF

Es wäre zu schön, wenn der gesellschaftliche Über-Rest sich bürgerinitiativ seines politischen Wasserkopfes entledigte, indem er nicht nur vor, sondern in den Hallen von Siemens, Nixdorf und Hoechst gesellschaftlichen Druck ausübt. Ein genialer Gedanke, Herr Enzensberger,

den Sie aber doch nur vor Säue werfen! Haibach-Schärding (Österreich) ELKE JESDINSKIJ

Wer leben will in diesem alten perversen System, der schweigt und lernt aus den täglichen Erlebnissen. Ernsthaft beschäftigt sich nur noch ein Narr mit dieser Gesellschaft. München FRIEDRICH VOIGT

Der durchaus erfreuliche und vergnügliche, verbal und intellektuell brilliante Schmäh, den Hans Magnus Enzensberger über unseren Staat ausgeschüttet hat, läßt leider die unerfreuliche Kehrseite der Medaille außer acht: daß nämlich unter den von ihm geschilderten Bedingungen die in Bonn jeweils Herrschenden mit uns Wahlbürgern weiterhin machen können, was sie wollen. Und das ist viel mehr, als sich HME anscheinend träumen läßt. Münster PROF. DR. ROLAND REICHWEIN

An der Diskussion vermisse ich den Hinweis, daß weibliche Politiker über erheblich mehr Basiserfahrung verfügen jedenfalls ist jener eklatante Mangel an Lebenserfahrung bei ihnen nicht festzustellen, den Enzensberger den männlichen Politikern ankreidet. Auch scheinen mir die Frauen erheblich sensibler auf die erstarrten Machtrituale zu reagieren, warum also nicht eine »Feminisierung der Politik anpeilen? Bonn DR. ANKE MARTINY, MdB/SPD

BRIEFE

Schritt vorwärts

(Nr. 4/1987, Unternehmen: Puma-Desaster in den USA) *

In Ihrem Bericht über die Rückwärtsschritte eines unserer Mitbewerber führen Sie aus, daß Erzrivale »adidas« im Inland nur vier Prozent Umsatzzuwachs erzielt hat. Tatsächlich konnte jedoch das Inlandsgeschäft von »adidas im Jahre 1986 um stolze 17 Prozent gesteigert werden. Herzogenaurach ULRICH F, ACKERMANN »adidas Sportschuhfabriken Adi Dassler Stiftung & Co. KG

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