Alles gedeckt
Im Kabinett herrschte gespannte Stille. Außenminister Klaus Kinkel bestand darauf, daß der Bundestag sofort in einer Sondersitzung eine sichere rechtsstaatliche Grundlage für die Einsätze der Bundeswehr im Balkan-Krieg schaffe. Das Bundesverfassungsgericht habe eine Zustimmung des Parlaments zwingend vorgeschrieben.
Wolfgang Schäuble, als Vorsitzender der Unionsfraktion am vorletzten Freitag dazugeladen, hielt energisch dagegen. Es sei Unsinn, die Abgeordneten für viel Geld aus den Ferien zurückzuholen. Schäuble: »Das ist den Bürgern nicht zuzumuten.«
Die Blicke richteten sich auf den Kanzler. Ob denn die Bundesrepublik bis zum Parlamentsbeschluß »ein Unrechtsstaat« sei, stichelte Helmut Kohl gegen den Liberalen. Dann aber entschied er gegen Schäuble: »Jeder wußte«, so ein Kabinettsmitglied, »das war ein Entgegenkommen für den geschwächten Koalitionspartner.«
Am Freitag voriger Woche im Parlament durfte der hilfsbedürftige Kinkel auch die Regierungserklärung über das Karlsruher Urteil vortragen. Dann stimmte die Koalition gemeinsam mit den Sozialdemokraten für die Teilnahme der Bundeswehr an der Überwachung des Flugverbots über Bosnien und an der Blockade in der Adria.
Der bisherige Auftrag wurde zugleich erweitert. Die deutschen Schiffe dürfen jetzt bei der Durchsetzung der Seeblockade schießen. Bundeswehrsoldaten in Awacs-Flugzeugen können bei Einsätzen außerhalb des Nato-Gebietes - über Österreich und Ungarn - an Bord bleiben.
Erhebliche Differenzen zwischen Regierung und Opposition bleiben dennoch.
Während die Koalition nach dem Plazet aus Karlsruhe freie Hand auch für Kampfeinsätze beansprucht, bleibt die SPD bei ihrer bisherigen Haltung. Nicht friedenschaffende militärische Einsätze, sondern nur friedenserhaltende Aktionen will sie akzeptieren.
Alle Kampfeinsätze seien vom Grundgesetz gedeckt, erklärte der Außenminister. Nur für »Einsätze im Rahmen der Uno« gebe es »keine verfassungsrechtlichen Schranken«, wendet der SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping ein.
Da den Vereinten Nationen das Gewaltmonopol zusteht, können Nato und WEU nach SPD-Auffassung ohne Uno-Mandat keine Outof-area-Kampfeinsätze unternehmen.
Doch dieser Streit ist für den Außenminister ohne Bedeutung. »Keine der derzeit 16 Friedensmissionen der Uno«, so Kinkel, »ist ein Kampfeinsatz.«