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Unternehmer Alles unterm Deckel

Ganz unauffällig hat sich der Stuttgarter Rolf Deyhle zu einem der mächtigsten Milliardäre Deutschlands hochgearbeitet. Jetzt hat er Ärger mit dem Staatsanwalt.
aus DER SPIEGEL 17/1991

Für die Mächtigen des Landes ist das Golfhotel am Wörthersee ein Ort der Erneuerung. Dicke werden hier wieder schlank, Matte wieder munter.

Nato-Generalsekretär Manfred Wörner genoß hier die Entschlackungskur nach F. X. Mayr, der ehemalige badenwürttembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) ebenfalls. »Positive Neuorientierungen für das zukünftige Leben« vespricht der Prospekt der Kundschaft, die hier mit viel Milch und altbackenen Brötchen kurt.

Der Mann, dem das Hotel gehört, ist auch mit vielen seiner prominenten Gäste befreundet. Rolf Deyhle, 52, ein Unbekannter unter den deutschen Milliardären, ist einer der einfußreichsten.

Vom Kirschholzschreibtisch in seinem Büro im 17. Stock des Hotels Stuttgart International (Besitzer: Rolf Deyhle) aus dirigiert er, umgeben von moderner Kunst und riesigen Aktenbergen, Dutzende von Firmen, kunstvoll verschachtelt, mit einem Aktionsradius von Moskau bis Los Angeles. Sein Geschäftsprinzip: »Alles soweit wie möglich unterm Deckel halten.«

Der Under-cover-Milliardär ist Geldgeber für spektakuläre Unternehmen wie das Musical-Imperium des Produzenten Friedrich Kurz. Ob in Hamburg Karten für die Dauerrenner »Cats« oder »Phantom der Oper« verkauft werden oder in Bochum Tickets für »Starlight-Express« - Deyhle in Stuttgart kassiert vom Gewinn stets die Hälfte.

Der Schwabe ist mit seinem Landsmann Kurz über die Produktionsgesellschaft Stella verbunden. Ausgerechnet diese Verbindung ist es jetzt, die das Geschäftsgebaren des diskreten Herrn Deyhle ins Gerede bringt.

Kurz und Deyhle führen nun öffentlich eine ganze Reihe von Prozessen gegeneinander, in denen hauptsachlich um die Geschäftsführung bei Stella gestritten wird. Der Stuttgarter hat inzwischen - recht zupackend war er schon immer - den Kurz-Bruder Bernhard aus der Firmenleitung hinauswerfen lassen.

Zudem muß Deyhle nun befürchten, daß auch im heimatlichen Süden seine Geschäfte öffentlich erörtert werden. Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart ermittelt gegen den Unternehmer, weil der sich in Betrugsgeschäfte um steuersparende Abschreibungskonstruktionen verstrickt haben soll und außerdem der Bestechung von Beamten und Gemeinderäten bezichtigt wird.

Dabei waren es gerade diese beiden schwäbischen Erfolgsrezepte, auf die Cleverle Deyhle seine Millionenerfolge gründete: Steuern sparen und Beziehungen pflegen.

Das Steuersparen hat Deyhle als Inspektor beim Finanzamt Stuttgart II gelernt. Mit seinem Know-how entwickelte er profitable Bauherrenmodelle.

Der »schwäbische Immobilien-Tycoon« (das Branchenblatt Kapitalmarkt intern) verscherbelte Apartmenthäuser wie den Wohnturm Europaplatz in Aachen, Shopping-Tempel wie das Olympia-Einkaufszentrum in München oder ganze Siedlungen mit Neue-Heimat-Häuschen wie in Merzhausen bei Freiburg. Auf 1,2 Milliarden Mark schätzen Experten mittlerweile seine Geldanlagen.

Beim Aufbau guter Beziehungen zu einflußreichen Politikern und Wirtschaftslenkern war der Mann nicht weniger erfolgreich.

Daimler-Sprecher Matthias Kleinert nennt er vertraulich »Matze«. Dessen Chef Edzard Reuter trifft er zu kunstsinnigen Gesprächen daheim in Weil im Schönbuch, wo er auch die früheren Wirtschaftsminister Martin Bangemann und Helmut Haussmann mit selbstgebranntem Pflaumenschnaps bewirtet. Seinen Tennispartner Späth nahm Deyhle gelegentlich in seinem Privatflugzeug mit - zur Brötchenkur an den Wörthersee beispielsweise.

Der Unternehmer, selbst Sozialdemokrat, pflegt seine Beziehungen zu den Großen anderer Parteien mit Spenden. Der Stuttgarter FDP-Fraktionsvorsitzende Walter Döring bekommt immer mal wieder ein paar Tausender, ihn lud er auch mit Gattin zur Premiere des Musicals »Phantom der Oper« nach Hamburg ein, Übernachtung inklusive.

Der Chef des Deutschen Sportbundes (DSB), Hans Hansen, logierte auf Deyhle-Kosten im Interconti (Zimmerpreis: 395 Mark). Dort waren auch der Stuttgarter Stadtplanungschef Albert Ackermann und der Chef der Abteilung für Wirtschaftsförderung, Wolfgang Häfele, Gast des Unternehmers Deyhle.

So etwas zahlt sich immer aus. Im Stuttgarter Rathaus lagen beispielsweise zu jener Zeit Deyhles Pläne für einen 240 Millionen Mark teuren Musical-Palast. Die Genehmigung hat er mittlerweile.

Ähnliche Unternehmen plant Deyhle auch in anderen Städten: in Berlin ein Kulturzentrum für eine halbe Milliarde Mark, ein weiteres in Moskau.

Auch mit gigantischen Kino-Projekten ist Deyhle vielerorts im Gespräch: Nach dem Erfolg seines soeben in Hannover eröffneten »Cinemaxx« (3300 Plätze) will er zusammen mit dem Partner Hans-Joachim Flebbe weitere Superkinos in Essen, Hamburg, München und Bielefeld bauen. Fürs Programm ist gesorgt: Deyhle ist nebenbei einer der größten Filmproduzenten Deutschlands und hat die jüngste Max-Frisch-Verfilmung »Homo Faber« finanziert.

Auch der gute Draht zu DSB-Chef Hansen ist dem Unternehmer nützlich. »Durchaus trickreich«, notierte kritisch-anerkennend das Handelsblatt, hat Deyhle im internationalen Sportlizenzgeschäft Konkurrenten aus dem Feld geboxt und eine »marktbeherrschende« Stellung erobert. Deyhle vermarktet seit Jahren Lizenzen für sämtliche Fußball-Weltmeisterschaften.

Der Stuttgarter verdiente an jedem Maskottchen, das etwa bei der WM in Italien auf T-Shirts, Biergläsern oder Aschenbechern prangte. Auch wenn das Emblem des Fußball-Weltverbandes Fifa oder der Fußball-Weltcup irgendwo auf dem Globus gedruckt wird, kassiert der Multi-Unternehmer mit ab. _(* Bei der Cinemaxx-Eröffnung im März in ) _(Hannover mit TV-Unterhalter Andreas ) _("Leo« Lukoschik, Partner Hans-Joachim ) _(Flebbe, Schauspielerin Sonja ) _(Kirchberger. )

Sein größter Sporterfolg war Billy. Die pummelige Comic-Figur allein hat ihrem Mentor und Lizenzbesitzer Deyhle ein Vermögen eingebracht.

Sport-Billy war Star einer Trickfilmserie, die in über 100 Ländern ausgestrahlt wurde. Das Kerlchen ist Symbolfigur des Fifa-Fair-Play-Cups, den bei jeder Weltmeisterschaft die fairste Mannschaft bekommt. Sport-Billy ziert Uhren, Spielzeug, Teller, Gläser und wirbt beim Deutschen Sportbund für Aktionen wie »Trimm-Trab ins Grüne«.

Die Vermarktung des DSB-Breitensports ist ebenfalls dem Stuttgarter Multi-Unternehmer zugefallen. Deyhle kassiert, wenn Sponsoren wie Volkswagen oder Mars beim DSB die Verbreitung ihrer Firmen-Namen bezahlen. Seine Agentur »EM Entertainment München« rechnet für 1991 mit einem Umsatz von 35 Millionen Mark.

In der Frankfurter DSB-Zentrale hat der Schwabe allerdings nicht nur Freunde: »Herr Deyhle hat dem DSB mehr graue Haare als volle Taschen eingebracht«, sagt ein DSB-Funktionär. Weil Deyhle »zu optimistisch« kalkuliert habe, seien seine Vermarktungserfolge hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Daß er trotzdem im Geschäft blieb, führten Kritiker auch auf seine guten Kontakte zum DSB-Breitensport-Chef Jürgen Palm zurück. Der ist beim Sportbund für die Akquisition jener Sponsoren zuständig, an denen Deyhle verdient. Mit dem Verdacht, Palm habe dabei mitverdient, mußte sich eine vom DSB eingesetzte Kommission beschäftigen.

Über deren Ergebnisse wurde nie etwas bekannt. Palm jedenfalls nahm Abstand von Plänen, Geschäftsführer der Deyhle-Dependance in Monaco zu werden und blieb beim DSB.

Seit März letzten Jahres ist er Präsident des internationalen Breitensportverbandes »Trim and Fitness International Sport for all Association«. »Patron« des Verbandes ist Rolf Deyhle. So verdient er am Breitensport jetzt weltweit: an Kanufahrten in Polen wie an Drachenbootregatten in Indonesien.

Daß jemand, der in der Welt so erfolgreich ist, daheim von Kleingeistern verfolgt wird, ist für den Milliardär Deyhle nicht weiter erstaunlich. Ganz klar ist dem Mann, wer ihm in Stuttgart den Staatsanwalt ins Haus geschickt hat: die ehemaligen Kollegen vom Finanzamt - »aus blankem Haß und Neid«.

* Bei der Cinemaxx-Eröffnung im März in Hannover mit TV-UnterhalterAndreas »Leo« Lukoschik, Partner Hans-Joachim Flebbe, SchauspielerinSonja Kirchberger.

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