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PARTEIEN / VON HASSEL Allzeit bereit

aus DER SPIEGEL 13/1967

Vor vier Monaten noch erreichte er sein Haus an der Flensburger Förde in einer knappen Stunde. Heute braucht er dazu sechsmal so lange.

Dem Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel stand auch für den Wochenendurlaub stets ein vierstrahliger Jetstar der Luftwaffe zur Verfügung.

Der Vertriebenenminister von Hassel hingegen muß sich im Dienst-Mercedes über Autobahnen und Landstraßen quälen.

Doch nicht nur der Transport-Komfort hat sich geändert. Von Hasseis gesamter Minister-Zuschnitt ist geschrumpft, seit ihn die Regierungsneubildung vom 1. Dezember vergangenen Jahres aus dem Verteidigungsministerium hinaustrieb und er sich ins Vertriebenenministerium hineinrettete.

Als Oberbefehlshaber der Bundeswehr

> amtierte er auf der Hardthöhe im modernsten Bonner Ministeriumsbau -- heute regiert er in einem ehemaligen Getreidelager im tristen Bonner Norden;

> bewohnte er eine von Soldaten bewachte Dienstvilla -- heute logiert er in einem Sechsfamilienhaus des amerikanischen Gettos in Plittersdorf;

> saß er im Mittelfeld der Bundestags-Regierungsbank -- heute ist er auf Platz 13 der Minister-Tribüne abgerutscht.

Nur seine beiden Sekretärinnen und der persönliche Referent Peter Scholz erinnern von Hassel an vier Verteidigungsminister-Jahre, die ihm neben Paraden und Schellenbaum-Geklingel auch Starfighter-Katastrophen und Generalskrise gebracht hatten.

Im ersten Stock des grauen Gebäudes in der Bonner Husarenstraße 30 hielt es der neue Vertriebenenminister indes nur knapp acht Wochen aus. Dann ging er für vier Wochen nach Murnau in Kur, um sich von den Strapazen der Bundeswehr-Führung zu erholen.

An Leib und Seele gestärkt, hat Hassel nun Muße, in seinem neuen Amt ein altes Hobby zu pflegen: Was ihn im Verteidigungsministerium viele Stunden täglich von den Führungsaufgaben abhielt, ist im gemächlichen Betrieb des Vertriebenenministeriums ein Genuß ohne Reue: das penible Studium von Akten und Postmappen.

Kai-Uwe von Hassel läßt sich alle an den Minister gerichteten Briefe und Eingaben vorlegen. Er versieht sie mit Hinweisen für die Beantwortung oder malt ein grünes Kreuz an den Rand: ein Zeichen für die Sekretärin, daß er die Antwort selber diktieren werde.

Die Welt der Akten hält ihn von halb neun morgens an oft zwölf Stunden lang in Bann.

Auch für die Partei hat von Hassel jetzt mehr Zeit. Schon als Verteidigungsminister war er allzeit bereit, mit Hilfe der Luftwaffe auch entlegenste Dörfer durch seine Anwesenheit zu beehren, wenn die Christenpartei ihn rief.

Von Hassel (im Kasinojargon: »Herr von Quassel") damals: »Auch das flachste Land hat ein Anrecht darauf, die entscheidenden Leute zu sehen.«

Heute, da der Minister an entscheidender Stelle nicht mehr wirkt, motiviert er seinen Redner-Einsatz vorwiegend partei-politisch: Weil die CDU aus Geldmangel kein Informationsmaterial mehr herausgeben könne, müßten die Bonner Spitzen-Christdemokraten nun das Land selber ins Bild setzen.

Einsatzbereitschaft für die Partei hat Kai-Uwe von Hassel seit je gezeigt. Elf Jahre lang gehört er bereits der Parteispitze als stellvertretender Vorsitzender an; 1961 organisierte er den letzten Bundestagswahlkampf des Partei-Patriarchen Adenauer.

Und die Loyalität zur Partei ließ ihn schließlich auch ins Bonner Minister-Debakel stolpern. Auf Konrad Adenauers dringende Bitte wurde er 1962 auf dem Höhepunkt der SPIEGEL-Krise als Nachfolger von Franz-Josef Strauß ins Verteidigungsressort berufen.

Nun entsinnt sich die CDU erneut des ins Vertriebenenministerium abgeschobenen Parteikämpfers. Einflußreiche Christdemokraten möchten von Hassel für die neu zu schaffende Position eines CDU-Generalsekretärs interessieren.

Neben reicher Partei-Erfahrung bringt von Hassel für diesen Job auch die rechte Herkunft mit. Als norddeutscher Protestant wäre er die genaue Proporzergänzung zum künftigen Parteichef, dem katholischen Schwaben Kiesinger.

Der Vertriebenenminister ist bereit, so ließ er seine Freunde wissen, das Staatsamt sofort niederzulegen, wenn die Partei ihn ruft.

Versorgungsprobleme hat Kai-Uwe von Hassel nicht. Er ist als ehemaliger Ministerpräsident von Schleswig-Holstein bereits. pensionsberechtigt.

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