UMWELTSCHUTZ Als Bettvorleger
Mit Hingabe spielte Friedrich Zimmermann vor internationalem Publikum vier Tage lang seine liebste Rolle - die des kompromißlosen Retters des Waldes.
Umweltschutz sei, so erklärte der Innenminister letzte Woche als Gastgeber einer multinationalen Umweltkonferenz in München, gleich nach der Friedenssicherung wichtigste Aufgabe der Politik. Und seinen Staatssekretär Carl-Dieter Spranger, Leiter der bundesdeutschen Delegation, ließ er verkünden, vor allem die Schadstoffbelastung, die durch das Auto verursacht werde, könne »nicht länger hingenommen werden«. Deshalb habe die Bundesregierung entschieden, so Spranger weiter, »mit Wirkung ab 1986 bleifreies Benzin einzuführen und die in den USA geltenden Abgaswerte zu übernehmen«.
Das klang zwar so, als wolle Zimmermann seine seit einem Jahr propagierte Linie konsequent durchsetzen. Doch in Wahrheit soll mit solch gefälligen Formeln nur verschleiert werden, daß die Umweltpolitik des Bundesinnenministers gescheitert ist.
Vom 1. Januar 1986 an, so hatte die Bundesregierung auf Drängen des CSU-Ministers im Juli vorigen Jahres entschieden, sollte kein neues Auto mehr zugelassen werden, das nicht die strengen amerikanischen Abgasvorschriften erfüllt. Doch der Beschluß ist Makulatur.
In seinem Konzept, das diese Woche im Kabinett beraten wird, ist von verbindlichen
strengeren Abgasvorschriften für Autos nicht mehr die Rede. »Das Wort 'obligatorisch'«, weiß auch ein Beamter des Innenministeriums, »ist in unseren Vorlagen seit ein paar Wochen immer gestrichen worden.« Zudem wird, wie von der Kfz-Lobby unablässig gefordert, nun eine Übergangsfrist von vier Jahren gelten.
Die Hersteller sollen sich lediglich selbst verpflichten, einige wenige Modelle ihrer Serienproduktion mit den abgasentgiftenden Katalysatoren auszustatten. Frühestens von 1990 an soll die Katalysatortechnik für alle Neuwagen verbindlich sein. Lediglich das bleifreie Benzin wird 1986 eingeführt.
Damit hat Zimmermann den Stufenplan der Autoindustrie übernommen, von dem er vor einem halben Jahr nichts wissen wollte. Als VW-Chef Carl Hahn ihm diese Vorstellungen Anfang Dezember 1983 unterbreitete, ließ sich der Innenminister gar nicht erst auf eine Diskussion ein. »Ich kann Ihnen noch einmal den Kabinettsbeschluß vorlegen. Da finden Sie nichts von einem Stufenplan«, kanzelte er die Autobosse ab. Einwände, einen Alleingang in der EG könne die bundesdeutsche Autoindustrie nicht wagen, wischte Zimmermann unwirsch beiseite; das werde er schon hinkriegen.
Auch um starke Worte an die Adresse der EG-Partnerstaaten war der Christsoziale nicht verlegen. Noch im April verkündete er für den Fall, daß die Gemeinschaft seine Pläne nicht gutheiße: »Dann geht der Kampf erst richtig los.«
Nun will er davon nichts mehr wissen. Obwohl die EG-Kommission erst von 1995 an strengere Abgasregeln nach US-Vorbild für die Mitgliedsstaaten verbindlich vorschreiben will, ist von Zimmermanns Kampf nichts zu sehen.
Man könne, versucht sein Sprecher Wighardt Härdtl die Wandlung seines Ministers zu vertuschen, die Kfz-Hersteller gar nicht zum Einbau von Katalysatoren in neue Autos zwingen, weil dies gegen das EG-Zulassungsrecht verstoße. Die Autofabrikanten könnten nämlich gerichtlich dagegen vorgehen. Auf diese Idee sind im Streit um giftärmere Autos bisher noch nicht einmal die Hersteller gekommen.
Noch glaubt Zimmermann, er könne von seiner »Jahrhundertentscheidung« wenigstens ein bißchen retten. Dabei setzt er auf das Umweltbewußtsein der Bürger. Des Christsozialen letzte Hoffnung: Wenn die Nachfrage nach umweltfreundlichen Kraftfahrzeugen steige, könne sich auch die Industrie nicht länger sperren.
Doch allein darauf kann Zimmermann kaum vertrauen. Der Einbau eines Katalysators verteuert das Auto erheblich.
Mit finanziellen Anreizen möchte der Innenminister deshalb die Autofahrer dazu bewegen, auf giftarme Fahrzeuge umzusteigen. Wer die Umwelt schont, braucht in Zukunft, so Zimmermanns Konzept, je nach Wagengröße zwischen drei und sieben Jahre lang keine Kraftfahrzeug-Steuer zu bezahlen. Zusätzlich will Zimmermann von 1986 an den Verkauf katalysatorbestückter Wagen mit einer Subvention von 1500 Mark pro Stück für die Unternehmen fördern.
Doch auch diese Rechnung geht nicht auf. Gegen solche Geldgeschenke hat Finanzminister Gerhard Stoltenberg sein Veto eingelegt. Nun hofft der Innenminister, daß ihn der Liberale Martin Bangemann unterstützt. Der neue Wirtschaftsminister, so das Kalkül, könne nicht bei seinem ersten Auftritt im Kabinett gegen die Beschlüsse der FDP zum Umweltschutz stimmen, wenn er sich weiter Hoffnung machen wolle auf den Parteivorsitz.
Doch selbst wenn er seine Rumpfvorlage durchbringt, ist Zimmermanns bislang sorgsam gepflegtes Image vom Retter des Waldes dahin. »Zimmermann«, höhnt der grüne Bundestagsabgeordnete Joschka Fischer, »ist als Löwe gesprungen und als Bettvorleger gelandet.«