Als Kinder Stalins
wuchsen Markus ("Mischa") Wolf und Wolfgang ("Wolodja") Leonhard im Moskau der Schauprozesse in den dreißiger Jahren auf. Wolfs Vater Friedrich, ein bekannter kommunistischer Schriftsteller-Arzt, war 1934 samt Familie in die Sowjetunion emigriert, Leonhard kam ein Jahr später mit seiner Mutter Susanne nach. Wolf und Leonhard lernten einander auf der deutschen »Karl-Liebknecht-Schule« in Moskau kennen. Beide waren sie enthusiastische Stalin-Verehrer und verstanden sich als künftige Elite in einem antifaschistischen Nachkriegsdeutschland. Gemeinsam besuchten sie 1942 die Komintern-Schule in Baschkirien, auf der sie zu Agenten ausgebildet werden sollten. Leonhard gehörte zur Gruppe Ulbricht, die am 30. April 1945 nach Berlin aufbrach - mit dem Moskauer Auftrag, die Verwaltung in der zerstörten Hauptstadt neu zu organisieren und Kommunisten strategisch günstig zu plazieren. Wolf kam drei Wochen später und stieg auf zum Chefredakteur der politischen Redaktion beim Berliner Rundfunk.
Im Kalten Krieg trennten sich beider Wege. Enttäuscht von der Stalinisierung der Sowjetischen Besatzungszone, begeistert von Titos Abkehr vom Stalinismus, floh Leonhard im März 1949 nach Belgrad. Als »Verrat, Wechsel der Fronten« habe er die Flucht damals betrachtet, sagt Wolf, 73, heute. Leonhard, 75, bringt seinerseits kein Verständnis für die Karriere des Jugendfreundes im Geheimdienst der DDR auf, dessen Auslands-Chef Wolf 1953 wurde. Leonhard schrieb 1955 den Bestseller »Die Revolution entläßt ihre Kinder« über seine Kindheit unter Stalin, avancierte zum gefragten Interpreten des Kommunismus, lehrte an amerikanischen Universitäten. Wolf ging 1986 als Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung und Generaloberst in Pension. Er wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf, unter anderem wegen Landesverrats, zu sechs Jahren verurteilt. Dieses Urteil hat das Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Wolfs Fall muß nun im Herbst neu verhandelt werden.