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PAKISTAN Alte Garde ins Ausland

Aus dem Blutbad von Bengalen will Sulfikar Ali Bhutto, zweiter Sieger bei den Wahlen im Vorjahr, jetzt als erster Mann des Staates auftauchen. Zuvor sollen prominente Pakistanis im Ausland um Sympathie werben.
aus DER SPIEGEL 21/1971

Der Feldmarschall Ajub Khan, so hatten pakistanische Zeitungen noch vor einem Jahr gefordert, müsse vor Gericht: In den zehn Jahren seiner Amtszeit habe der Ex-Präsident sich selbst, seine Verwandten und Freunde auf Kosten des Staats bereichert.

Jetzt sind dieselben Zeitungen voll des Lobs für die außenpolitischen Fähigkeiten des 1969 zurückgetretenen Ajub. Denn jetzt könnte er seinem Land vielleicht noch einmal von Nutzen sein: bei dem Versuch, das durch die brutale Unterdrückung der Unabhängigkeit Bengalens angeschlagene internationale Ansehen Pakistans aufzupolieren.

Erstmals seit seinem Sturz durfte der Alt-Politiker ins Ausland reisen: Mit Zwischen-Stopp in London flog Ajub in die Vereinigten Staaten -- offiziell nur, um sein angegriffenes Herz von US-Spezialisten untersuchen zu lassen.

Ohne Tarnung, in offizieller politischer Mission, ging ein zweiter Politiker der alten Garde auf Goodwill-Tour: Ajubs früherer Außenminister Arschad Hussain. Er flog zu Kossygin nach Moskau, zu Heath nach London, zu Pompidou nach Paris.

Im Auftrag des regierenden Generals Jahja Khan sollte er versuchen, den Großmächten die Notwendigkeit der militärischen Aktionen im Ostteil seines Landes zu erklären.

Außerdem mußte Hussain aber auch den Eindruck verwischen, Pakistan habe sich in den vergangenen Wochen zu eng an Peking gebunden. Denn nur die Chinesen hatten Jahja Khans Vorgehen gegen die Bengalen vorbehaltlos unterstützt und waren dafür in Westpakistan gefeiert worden.

Doch Chinas moralische Hilfe reicht nicht, um den durch den Bruderkrieg an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebrachten Staat wieder zu sanieren. Pakistan braucht auch materielle Hilfe von den Großmächten in Ost und West.

Die außenpolitische Initiative der Regierung in Islamabad ist erst möglich, seit sich die Lage im Innern etwas stabilisiert hat. Die aufsässige Intelligenz in Ostpakistan ist nahezu ausgerottet; die Kämpfe zwischen Guerillas aus »Bangladesh« (Bengalenland) und (west)pakistanischen Truppen beschränken sich auf Scharmützel nahe der indischen Grenze; das Militär hält den Osten des zweigeteilten Staats in einer unsicheren Ruhe.

Das Verdienst daran schreibt sich jener Mann zu. der im Dezember 1970 bei den ersten freien Wahlen des Landes mit seiner sozialistischen Volkspartei die Mehrheit in Westpakistan errungen hatte: Sulfikar Ah Bhutto, 43.

Großer Wahlsieger war allerdings der Bengale Mudschib-ur Rahman. Seine Awami-Liga gewann im volkreicheren Ostpakistan und hätte damit im gesamtpakistanischen Parlament die absolute Mehrheit besessen. Doch Mudschib-ur Rahman wollte nicht nur die Mehrheit, er forderte auch weitgehende Autonomie für Bengalen.

Staatspräsident Jahja Khan versuchte, sich gütlich mit den Awami-Leuten auseinanderzusetzen. Bhutto aber warnte den Offizier vor einer drohenden Teilung des Landes.

Der unpolitische General-Präsident stellte die Verhandlungen ein, aus dem Streit der Worte wurde ein blutiger Bürgerkrieg. Die Awami-Liga wurde verboten, Mudschib verhaftet. Und Bhutto rühmt sich, die Pläne des »verräterischen Mudschib« durchkreuzt zu haben.

Seither pocht Bhutto auf sein Recht als Führer der nunmehr stärksten Partei: Der Erste existiert nicht mehr, jetzt muß der Zweite die Macht übernehmen.

Seine Zeitungen, die früher am lautesten gegen den Alt-Präsidenten Ajub Khan gehetzt hatten, sind daher besonders bemüht, den renommierten Staatsmann zu loben. Die »New Times«, ein Blatt, das der Volkspartei sehr nahesteht, zeigte sogar im Bild die Abreise des Werbers für ein neues Pakistan-Bild: Ajub Khan inmitten jubelnder Anhänger auf dem Flughafen von Islamabad.

Bhutto fordert von den Militärs, im Westen Pakistans sofort eine Provinzregierung zu installieren -- geführt von den im Dezember 1970 gewählten Männern seiner Volkspartei. Im Osten dagegen solle die Re-Demokratisierung erst beginnen, wenn es »die Bedingungen dort erlauben«.

Doch der Volkspartei-Führer braucht für seine Pläne ein Pakistan, dessen Beziehungen zum Ausland intakt sind.

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