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SPANIEN / DM-INVESTITIONEN Alte Kameraden

aus DER SPIEGEL 45/1966

Touristen aus Westdeutschland, die Spaniens Weinmetropole Tarragona in Richtung Madrid verlassen, treffen nach fünf Kilometern ein Stück Heimat an: In spanischen Olivenhainen wachsen deutsche Fabriken.

An einem langgestreckten Gebäude prangt die Aufschrift »Seidensticker -Espanola SA«; 550 Spanierinnen schneidern hier täglich 8000 Herrenoberhemden für die Bielefelder Textilgruppe. Wenig weiter sind Handwerker auf einem 80 Hektar großen Areal damit beschäftigt, das Petrochemie-Werk Industrias Químicas Asociadas zu vollenden, an dem die Farbwerke Hoechst mit 25 Prozent beteiligt sind.

Der Siemens-Konzern, der an seinen Spanien-Firmen einheimische Geldgeber mit 25 Prozent beteiligt hat, läßt in Madrid und Barcelona 3500 Beschäftigte Schwermotoren, Hausgeräte- und Kühlschränke bauen. AEG-Telefunken betreiben fünf Fabriken für Transformatoren, Radio- und Fernsehgeräte und entlohnen fast 5000 Arbeiter und Angestellte:

Die Farbwerke Hoechst steckten in den letzten fünf Jahren 75 Millionen Mark in ihre Spanien-Gesellschaften, »die höchste Investitionsziffer in einem europäischen Land« (Hoechst-Vertreter Dr. Seeler).

Im Freihafen von Vigo, im nordwestlichen Spanien, wachsen Hallen empor, in denen ab 1968 die Wilhelmshavener Olympia-Werke jährlich 60 000 Schreibmaschinen steuerfrei fabrizieren wollen.

Am Golf von Biskaya, bei Gijón in der nordspanischen Provinz Asturien, stecken Landmesser riesige Gebiete ab, damit das geplante Stahlkombinat Uninsa so schnell wie möglich produzieren und sein Plansoll von zunächst 1,6 Millionen Tonnen Rohstahl im Jahr erfüllen kann. Für den Endausbau ist eine Kapazität von 3,5 Millionen Tonnen jährlich vorgesehen. Projektor ist der Essener Krupp-Konzern, der sich mit zehn Prozent an der Stahlkocherei beteiligt.

In Spanien produzieren und verkaufen heute 81 deutsche Gesellschaften, elf Banken kontrollieren überdies spanische Geldinstitute. Insgesamt haben deutsche Unternehmer 345 Millionen Mark in neue Anlagen und Firmen investiert.

Deutschlands Fabrikanten siedelten sich hauptsächlich aus Mark- und Pfennig-Gründen auf der iberischen Halbinsel an. In Spaniens Fabriken wird noch wöchentlich 48 Stunden gearbeitet, die Löhne sind niedrig: Seidenstickers Näherinnen erhalten am Tag soviel wie ihre deutschen Kolleginnen am Vormittag: 18,50 Mark

Auf der deutschen Industrie-Ausstellung in Madrid, die am vergangenen Dienstag ihre Tore schloß, zeigten 550 Unternehmen aus der Bundesrepublik ihr Interesse am Geschäft mit Spanien. Staatschef Franco hatte erstmals die Schirmherrschaft über eine ausländische Wirtschaftsschau übernommen.

Industrie-Präsident Fritz Berg, der Großindustrielle Peter von Siemens und ein Dutzend Konzernchefs und Generaldirektoren waren dabei, als Wirtschaftsminister Kurt Schmücker die deutsche Schau eröffnete und den Ehrengast begrüßte: Francos Vize Munoz Grandes, den ergrauten Kommandeur der Blauen Division*.

Legion-Condor-Stimmung kam auf, als beim Deutschen Abend die »Chiemgauer Buam« auf ihren Instrumenten den Kaiser-Wilhelm-Marsch schmetterten. Als Feuerwerker die Flaggen beider Länder an den Madrider Himmel zauberten, standen Deutsche und Spanier Schulter an Schulter im Pulverdampf. Demag-Direktor Alfred E. Schulz brachte ein Hoch auf die »spanischen Kameraden« aus. Peter von Siemens hielt eine Rede in spanisch und schloß bayrisch: »Eins, zwei, g'suffa«, rief er aus und leerte den Maßkrug in einem Zug.

Wenig später resümierte Spaniens Außenminister Fernando Maria Castiella: »Auf dem Wege der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern sind wir ein großes Stück vorangekommen.«

Konzernchef Siemens in Madrid

»Eins, zwei, g'suffa«

* In der blauen Division unterstützen spanische Freiwillige die deutsche Wehrmacht im Rußlandfeldzug. In der »Legion Condor« kämpften während des spanischen Bürgerkrieges deutsche Berufssoldaten.

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