»Am Herzen der Partei vorbei«
Am Dienstag vergangener Woche erlebte Werner Gries, Pressesprecher und Vertrauter des CDU-Forschungsministers Heinz Riesenhuber, vor dem Fernseher eine Überraschung: Auf dem Bildschirm erschien eine junge Frau, die ihm als engagierte CDU-Sympathisantin in Erinnerung war. Nun aber meldete die »Tagesschau«, die Dame sei Sprecherin der SPD geworden. »Da bin ich«, so Gries im Freundeskreis, »fast vom Stuhl gefallen.«
Der CDU-Mann, der Riesenhubers PR-Abteilung leitet, hält große Stücke auf Margarita Mathiopoulos. Vor knapp zwei Jahren hätte er sie gern für seine Pressestelle angeheuert. Die attraktive Griechin war ihm von einem Parteifreund aus dem Bonner Präsidialamt, seinem Pressesprecher-Kollegen Friedbert Pflüger, ihrem zukünftigen Ehemann - Hochzeit im Mai -, empfohlen worden.
Nicht nur diese Referenz, auch das anschließende Vorstellungsgespräch bestärkte den Riesenhuber-Vertrauten damals in der Ansicht, »endlich mal eine hübsche, tüchtige Frau aus dem bürgerlichen Lager« (Gries) vor sich zu haben; er sah in ihr ein Mitglied der konservativen Partei Griechenlands und damit eine entschiedene Parteigängerin der CDU.
Unter diesem Vorzeichen stellte Gries die Griechin dem Leiter des Ministerbüros, dem CDU-Mann Ludwig Baumgarten, als Aspirantin auf einen Posten im Leitungsbereich vor. Für eine SPD-Frau, sagt er selber, hätte er sich nicht engagiert.
Daß es schließlich doch nicht zu einer Anstellung im Forschungsministerium kam, führt Gries rückblickend auf Stellenmangel, Frau Mathiopoulos aber auf ihr »mangelndes Interesse« zurück. Sie habe sich damals im Forschungsministerium »nur mal umgeschaut«, sei dann aber lieber nach Stuttgart, zur PR-Abteilung des Elektronik-Konzerns IBM, gegangen: »Der Posten, den sie im Ministerium anboten, gefiel mir nicht.«
Letzte Woche hat die 30jährige Historikerin, Politologin und PR-Fachfrau einen Posten gefunden, der ihr einstweilen nur Ärger - und erst später ein Jahresgehalt von 155250 Mark plus Dienstwagen - bringen soll. Kaum nominiert, mußte die von Brandt erwählte SPD-Sprecherin schon ihr erstes Dementi abliefern: »Es stimmt nicht, daß ich Mitglied der griechischen konservativen Partei Nea Demokratia bin. Es stimmt auch nicht, daß ich mich im Forschungsministerium so vorgestellt habe. Auch ihr Freund Pflüger, vor kurzem noch im Gespräch als Generalsekretär der niedersächsischen CDU, habe dies für sie nicht getan.
Wenn Gries sie trotzdem als Konservative in Erinnerung habe, dann sei das »sein Problem«. Mathiopoulos: »Ich bin ja auch nicht Mitglied der Republikanischen Partei, wenn ich Ronald Reagan mal die Hand gebe.«
Wohl wahr.
Auch bei den Freien Demokraten erregte die Karriere der in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Griechin - Tochter des jahrelang in Bonn akkreditierten Journalisten und heutigen Sprechers des Athener Außenministeriums, Basil Mathiopoulos- Erstaunen. Aus der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung kam die Kunde, Frau Mathiopoulos habe ihr Studium mit einem Stiftungsstipendium der Liberalen finanziert, was sie bestätigt.
»Die Dame«, spottete FDP-Außenminister Hans-Dietrich Genscher süffisant, »steht über den Parteien.«
Und nicht nur das. Sie war auch international tätig: Die von SPD-Geschäftsführer Glotz nach zweieinhalbstündigem Personalgespräch als »jung, hochgebildet und weltoffen« apostrophierte Griechin versah vom Februar 1977 bis Februar 1979 die Pressearbeit der zypriotischen _(In ihrer Stuttgarter Wohnung. )
Botschaft in Bonn. Derzeit dient sie dem deutschen Ableger des US-Konzerns IBM als Angestellte der Pressestelle. Der deutsche Konzernboß Hans-Olaf Henkel zu Glotz: »Ich gratuliere Ihnen zu dieser Personalentscheidung.«
In der SPD löste die Entscheidung des alternden Vorsitzenden Willy Brandt zugunsten der Griechin ein Beben aus. Von der Waterkant bis an den Alpenrand hallte der Protest, Linke und Rechte gingen auf die Barrikaden. Eine Frau als Parteisprecherin, die dazu weder einen deutschen Paß noch das SPD-Parteibuch besitzt - das brachte Chauvis wie Emanzen, Rechte wie Linke gleichermaßen in Rage.
»Unmöglich«, schimpfte der nordrhein-westfälische Fraktionsvorsitzende Friedhelm Farthmann, der - einst Frauenbeauftragter seines Landes - schon immer dagegen war, daß sich »der Tittensozialismus in der Partei immer mehr ausbreitet«. Und die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Inge Wettig-Danielmeier, beklagte, daß so viele in der Partei engagierte Frauen nicht zum Zuge gekommen seien.
»Eine typische Kopf-Entscheidung«, nannte Brandt-»Enkel« Gerhard Schröder, Oppositionsführer im Niedersächsischen Landtag, den Coup des Parteichefs: »Intellektuell nicht ohne Reiz, aber am Herzen der Partei vorbei«.
Und NRW-Sozialminister Hermann Heinemann, Chef des mitgliederstärksten SPD-Bezirks Westliches Westfalen kündigte - ebenso wie der Alt-Linke Karsten Voigt - für Montag dieser Woche Widerstand im SPD-Parteivorstand an.
Hermann Rappe, Vorsitzender der IG Chemie-Papier-Keramik und Rechtsaußen der SPD, riet den »vom Boden abgehobenen« SPD-Präsiden sogar zu einer »weichen Landung«. Wenn Frau Mathiopoulos auch »nur etwas« von der SPD verstehe, müsse sie auf das Amt verzichten. Einmal richtig in Fahrt, kreidete Rappe am letzten Freitag seinen Spitzengenossen »Diskussionsverwirrungen vor der Wahl« und »laxe Führung« an: »Lindgrün«, so der wackere Gewerkschaftsstreiter, »paßt ins Frühjahr, aber nicht in die SPD.«
In der Bundestagsfraktion zog Horst Ehmke einen Vergleich zwischen dem früheren Fraktionschef Herbert Wehner und Willy Brandt: So wie man Wehner in dessen letzten Amtsjahren häufig vor Beschädigungen habe bewahren müssen, so müsse man nun auf der Hut sein, den Vorsitzenden Brandt nicht zu beschädigen - Willy Gaga?
Heide Simonis,eine Linke aus dem Norden, empfahl ihrem Idol Brandt, lieber schon jetzt zurückzutreten, statt immer neue Fehler zu machen. Hans-Jürgen Wischnewski, einst enger Gefährte des Vorsitzenden, inzwischen aber als Anführer der rechten »Seeheimer«-Riege mit ihm aneinander, polterte, der Vorsitzende und das gesamte Präsidium seien wohl nicht in der Lage, »den Führungsaufgaben im notwendigen Maße gerecht zu werden«. Die Spitzenpersonalien der SPD müßten »jetzt« geklärt werden - und zwar »in einem Guß und nicht stückchenweise«.
Ein telephonischer Rückruf der Griechin beim meckernden Ben Wisch brachte den zwar zum Stottern, nicht aber zum Schweigen. Der ehemalige SPD-Finanzminister Hans Apel empfahl den Genossen eine Automarke: »BMW- Brandt muß weg.«
Überall Wut und Empörung auch darüber, daß die Sozis exakt in jener Woche, in der Kanzler Helmut Kohl und seine konservative Koalition eine matte Regierungserklärung ablieferten, selbst für Negativ-Schlagzeilen sorgten. Rund zwei Wochen vor der wichtigen Hessen-Wahl brachte sich die SPD mit ihrem Führungsstreit ins Gerede und die Regierung außer Schußweite.
Der noch amtierende Parteisprecher Günter Verheugen: »Wir sind Weltmeister in PR.«
Das war freilich nur möglich, weil die Wahl der schönen Griechin mit dem Hang zum Überparteilichen nun zur Symbolfigur für den langen, schmerzlichen Abschied Willy Brandts aus Amt und Würden wird. Nicht die nominierte Sprecherin, sondern das politische Schicksal des Parteivorsitzenden steht zur Debatte.
Im Fall der Margarita Mathiopoulos hat sich Willy Brandt festgelegt wie selten zuvor. »Dafür stehe ich gerade. Und das bleibt auch so«, verpflichtete sich der Mann, dessen Neigung zu leichtem Kompromiß und schneller Flucht ins politische Sowohl-Als-auch fester Bestandteil der Biographie ist. Wohlmeinende Parteifreunde beschied der Uneinsichtige: »Wenn ich jetzt zurückweiche, wie stehe ich denn dann da?«
Hätte es eines Beweises bedurft für den zunehmenden Mangel an Führungsinstinkt und Führungsfähigkeit in der Chefetage der Sozialdemokratie, der Fall Mathiopoulos lieferte ihn handgreiflich.
Mit der Attitüde des alternden Patrons, der wichtige Sachen schleifen läßt, den Kleinkram dagegen zur eigenen Sache
macht, hatte der Patriarch den vergleichsweise unwichtigen Posten der SPD-Pressereferentin mit einer Kandidatin aus dem eigenen Umfeld besetzt und den aufkeimenden Widerstand mit der eigenen Vertrauensfrage verbunden. Die Kritiker zwang er so zur Loyalität wider besseres Wissen. Im Hintergrund warten sie auf seinen nächsten oder aber ihren ersten Fehler.
Die Entrücktheit des 73jährigen entpuppte sich mehr und mehr als Realitätsferne; er leidet an Basisschwund. Die vermeintliche Weisheit des gewieften Profis weicht einem Alterszynismus, den seine Partei nicht mehr länger hinnehmen will. Was gut für Brandt ist, ist nicht mehr länger gut für die SPD.
Der Fall Mathiopoulos ist zu Brandts Fall geworden, und Brandts Fall, so sah es letzte Woche aus, könnte zu einem Fall Brandts werden. Und dies nur ein Jahr bevor der rote Patriarch plangemäß seinen Abschied auf einem ordentlichen Parteitag nehmen wollte - nach über 24 Jahren an der Spitze der SPD, 125 Jahre nach Gründung des Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, Urzelle der Sozialdemokratie.
Damit scheint der würdige Abschied eines Politikers in Gefahr, der weltweit Ansehen und Bewunderung genießt wie nur wenige Staatsmänner, deutsche zumal: und das trotz seines jähen Kanzlersturzes über den DDR-Spion Günter Guillaume im Jahre 1974. Der Anlaß ist läppisch; vielleicht aber auch typisch für die seltsame Scheu manch bedeutsamer Gestalten, der nächsten Generation entschlossen den Weg frei zu machen.
Brandts Lebensplanung nach dem Ende seiner Kanzlerschaft sah anders aus. Er war, nach anfänglichem Zaudern, 1974 Parteivorsitzender geblieben, stieg sogar zum Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale auf. Was ihm wichtiger war: Er überlebte politisch jene beiden Genossen, denen er bis heute in inniger Feindschaft verbunden ist. Im März 1983 verabschiedete sich Herbert Wehner, schwer krank, aus der Politik, am 10. September 1986 hielt Helmut Schmidt seine letzte Rede im Bonner Bundestag. Die beiden Kerben zieren den Colt des Alten.
Doch seine Freude ist seit längerem getrübt. Denn mit der deprimierenden Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl im Januar wurde manifest, was sich schon nach der von der SPD knapp verpaßten Landtagswahl in Niedersachsen angekündigt hatte: Brandt würde es kaum noch schaffen, vor seinem Abschied der Partei wieder einen Zipfel Bonner Macht zurückzugeben - und sei es nur durch Eroberung einer roten Mehrheit im Bundesrat.
Brandt hatte die Vision nie aus den Augen verloren. Zeitweilig leuchtete sie verführerisch hell, besonders 1985, als nacheinander Oskar Lafontaine an der Saar und Johannes Rau in Nordrhein-Westfalen absolute SPD-Mehrheiten erkämpft hatten. Nach dem Aufstand in der SPD gegen das Mißmanagement in der Spitze scheint schon jetzt klar, daß viele Sozialdemokraten ihrem Vorsitzenden mögliche Erfolge bei den Landtagswahlen dieses Jahres nicht mehr gutschreiben würden: trotz Brandt, so dürfte es dann heißen, nicht wegen Willy. Mißerfolge werden, das weiß er seit langem, ohnehin bei ihm abgeladen.
Nach dem Scheitern der sozialliberalen Koalition im Jahre 1982, die den Genossen 13 Jahre der Machtteilhabe beschert hatte, ließ der alte Indianer immer neue Rauchsignale aus der Bonner Baracke aufsteigen. Sie sollten den Genossen Mut machen, sie vor dumpfer Lethargie bewahren, ihre Energie aber auch nicht auf die reine Lust am opponieren richten. Deshalb hieß es, nach der Hessen-Wahl 1982, die Blicke seiner Parteifreunde auf »die Mehrheit diesseits der Union« lenken. Aus dem Nebel der Worte schälten sich für viele Genossen die Umrisse künftiger rot-grüner Bündnispolitik heraus.
Es folgten getragene Mahnungen an die »nationale Verantwortung« der großen Parteien. Sie kamen beim Parteivolk an als Wink des Vorsitzenden, die SPD möge die Neuauflage einer großen Koalition ins Auge fassen.
Schließlich erhielten die Freidemokraten ihre Streicheleinheiten. Willy Brandt legte Wert auf die Feststellung, daß er - anders als Helmut Schmidt - den Liberalen beim Kanzlersturz des Jahres 1982 niemals »Verrat« unterstellt habe.
Wenn Brandt bohrende Fragen, welchen Weg zurück zur Macht er denn nun empfehle, mit vielsagendem Augenaufschlag oder spitzbübisch angedeutetem Grinsen beantwortete, dann rätselten die Genossen weiter - die meisten in Treue fest zum Vorsitzenden. Es hieß, der alte Fuchs habe sich etwas dabei gedacht.
Dann aber kam die Serie von Mißerfolgen und Fehlhandlungen. Die SPD verlor Gerhard Schröders Kampf in Niedersachsen; Kandidat Rau ging am 25. Januar unter, nachdem ihn vorher schon Brandt im Stich gelassen hatte und sein Wahlkampfmanager Clement, Vorgänger von Frau Mathiopoulos, davongelaufen war; das Bündnis in Hessen zerbrach; bei der Bestellung des neuen Schatzmeisters Hans-Ulrich Klose vergrätzte die Parteiführung hohe Genossen: Jetzt hat sich das Klima verändert. Es ist kälter geworden um den glücklosen Vorsitzenden.
Hinterbänkler wie Axel Wernitz, aber auch ehemalige Größen wie Hans-Jürgen Wischnewski wagen sich hervor und verlangen den raschen Schnitt. Geschäftsführer Glotz: »Diese Großpolitiker wollen ihre Schuhe an ihm abputzen.«
Die Uhr läuft gegen den Alten aus Unkel. Der neueste Stand der Diskussion am vorigen Wochenende: Der Nachfolger Willy Brandts soll spätestens nach den drei Wahlen in Hessen (5. April), Rheinland-Pfalz und Hamburg (17. Mai) ausgerufen werden. Favorit: Hans-Jochen Vogel. Den neuen Bundesgeschäftsführer und Nachfolger von Peter Glotz möchten einflußreiche Spitzensozis noch vor dem 5. April küren. Die besten Chancen hat Anke Fuchs, Präsidiumsmitglied und Sozialexpertin, ob das Brandt paßt oder nicht.
Der Machtverfall an der Spitze der SPD begann wohl schon, so sehen es inzwischen viele Genossen, auf dem Gipfel sozialdemokratischen Hochgefühls - nach dem Triumph in Nordrhein-Westfalen. Seit diesem 12. Mai 1985 sind Brandt nach und nach die Zügel entglitten. Es begann eine Kette von Fehlentscheidungen, Widersprüchen und Patzern, die nur zum Teil unvermeidbar waren, aber allesamt den Eindruck erweckten, als seien die SPD und ihr Vorsitzender vom Glück verlassen.
Mit einer Mischung aus Halbherzigkeit und Vermessenheit machte sich damals die Traditionspartei auf den langen Weg Richtung Bundestagswahl. Nur widerwillig - aber weil nach seinem Sieg nichts mehr an ihm vorbeiführte - übernahm Johannes Rau die Kanzlerkandidatur. Zugleich aber verordnete er den Genossen eine gefährliche Strategie: Aus eigener Kraft, ohne auch nur nach den Grünen zu schielen, sollte die 38-Prozent-Partei die absolute Mehrheit in Bonn anstreben. Murrend ließ der Alte den - Düsseldorfer gewähren.
Das brachte prompt den Brandt-Enkel Gerhard Schröder in die Bredouille. Weil er Raus Absage an die Grünen nicht konterkarieren durfte, eierte Schröder im niedersächsischen Landtagswahlkampf lange herum und fand schließlich zum kleinsten Nenner: Er habe nichts dagegen, wenn ihm die Alternativen hülfen, Chef einer Minderheitsregierung zu werden.
Daß CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht am 15. Juni letzten Jahres, wenn auch mit der FDP und nur einer Stimme Mehrheit, weiterregieren konnte, münzte die Union zum strahlenden Sieg um. Und bei den hannoverschen Genossen blieb der Verdacht, die Bundespartei habe ihnen, als in der Schlußphase des Wahlkampfs eine »reale Siegchance« (Schröder) bestand, nur deshalb nicht genügend geholfen, weil Rau aus optischen Gründen das Schauspiel eines rot-grünen Techtelmechtels vermeiden wollte. Und während sich Minus-Kanzler Kohl und seine Union fortan erholten, rutschte die SPD und mit ihr der Kandidat bei den Demoskopen ab.
Da mußte die mühsam unterdrückte Diskussion ums Wahlziel aufbrechen. Brandt selbst gab das Signal, als er im Sommer in seinem südfranzösischen Feriendomizil einem Journalisten die Einschätzung mitgab, 43 Prozent seien doch auch ein schönes Ergebnis. Rau tobte. Intern ließ der Kandidat zwar realistisch wissen, Brandt habe die Meßlatte zu hoch gelegt. Aber nach außen hielt er - und da sollte kein Genosse dran rütteln - an der »eigenen SPD-Mehrheit« fest, getreu der Devise: »Je niedriger man seine Ziele setzt, desto weniger Chancen hat man, sie zu erreichen"(Rau).
Nur noch einmal, auf ihrem Nürnberger Einigkeits-Parteitag, brachten sich die Sozis in Stimmung. Danach kam es knüppeldick. Im Sog des Gewerkschaftsskandals um die Neue Heimat sackte die SPD am 12. Oktober 1986 in Bayern auf deprimierende 27,5 Prozent. Und als sie vier Wochen später im mit absoluter Mehrheit regierten Hamburg mit einem Minus von 9,6 Prozentpunkten sogar hinter die traditionell schwachbrüstige
CDU zurückfiel, brach die Wahlstrategie zusammen.
Flugs nahmen die Bonner Spitzengenossen Abschied vom Wahlziel Raus und verkündeten, nunmehr gelte es, eine absolute Mehrheit der Schwarzen zu verhindern. Für den von Brandt einst engagierten Vorstandssprecher Wolfgang Clement, Mitorganisator der Mehrheitskampagne, war das Anlaß zum Rücktritt: Er wollte damit zugleich Rau bewegen, die nun sinnlose Kandidatur aufzugeben.
Doch der machte weiter. Als am 25. Januar die Stimmen ausgezählt waren, hatte die SPD mit 37,0 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1961 eingefahren. Trösten konnten sich die Genossen wenigstens damit, daß die Union überraschend noch mehr Stimmen verloren hatte.
Für die Niederlage machten vor allem rechte Genossen Brandt verantwortlich. »Er steht bei vielen, auch bei mir«, so der frühere Arbeitsminister Herbert Ehrenberg, »in dem Geruch, dazu wesentlich beigetragen zu haben.«
Mehr noch als das 43-Prozent-Geraune kreiden sie dem Vorsitzenden eine andere Fehlleistung an, die auch Brandt längst bereut: Kaum auf dem Nürnberger Parteitag in seinem Amt bestätigt, hatte er verkündet, daß er 1988 den Chefposten abgeben wolle - zur Wahlziel-Kontroverse gesellte sich der Beginn einer unseligen Nachfolge-Diskussion.
Den damaligen Kandidaten Johannes Rau hatte der Alte dabei längst abgeschrieben. Bemerkungen Brandts - daß etwa ein »gutes Wahlergebnis« Rau für den Parteivorsitz helfen würde - wurden in Düsseldorf zu Recht als Abgesang gehört.
Das Verhältnis zwischen dem Vorsitzenden und seinem Vize ist inzwischen zerrüttet. Rau unlängst vor Vertrauten: Früher sei Brandt sein »Vorbild«, seine »wichtigste Bezugsperson in der Partei« gewesen; jetzt halte er ihn für »einen der unzuverlässigsten Genossen«, mitunter sei er »richtig hinterhältig«.
Nachdem er sich ungeschickt selbst zur Disposition gestellt hatte, verlor Brandt auch zusehends die Kontrolle über andere Personalentscheidungen. Paradebeispiel war die kurvenreiche Kür des Nachfolgers für SPD-Schatzmeister Hans Matthöfer, der sich mitten im Wahlkampf entschlossen hatte, für sich selber Kasse zu machen und zum 1. Februar an die Spitze der Gewerkschaftsholding BGAG zu treten.
Brandt hatte die Angelegenheit schon im Dezember, kurz nach dem Debakel bei der Hamburger Bürgerschaftswahl, regeln wollen.
Doch nachdem sein damaliger Favorit, der Bundestagsabgeordnete und frühere Hamburger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose, abgewinkt hatte, wurde die Entscheidung auf Drängen Raus in die Nachwahlzeit vertagt.
Es folgte ein Verwirrspiel mit vielen unbedeutenden Namen - die ordnende Hand des Vorsitzenden blieb verborgen. Am Ende präsentierte Lieblingsenkel Lafontaine im napoleonischen Geschwindschritt Brandts erste Wahl: Uli Klose. Der Chef hielt Lafontaines vorüberwehenden Paletot für den Mantel der Geschichte, nickte beifällig und stand blamiert da. In der Partei grummelte es (SPIEGEL 10/1987).
Das sollte ihm, nahm Brandt sich vor, bei der fälligen Nachfolge für Interimssprecher Günter Verheugen nicht noch einmal passieren. Viel Zeit zum Suchen hatte er nicht.
Verheugen, anfangs mit Ressentiments als Amtsverweser für Clement empfangen, hatte sich zwar bald Respekt und Anerkennung verschafft. Denn als ehemaliger Generalsekretär der FDP kannte er die Bonner Presse so gut wie die Bonner Politiker.
Aber Verheugen blieb stur. Er wollte nur für eine Übergangszeit das Sprecheramt ausüben: zunächst bis zum Wahltag, dann bis Ende März. Er war am 25. Januar als SPD-Abgeordneter wiedergewählt worden und wollte sich auf die Arbeit in der Fraktion konzentrieren.
So mußte Brandt handeln. Von Anfang an entschlossen, den vakanten Posten mit einer Frau zu besetzen, hielt der Patriarch Ausschau im Lande. Sein Bundesgeschäftsführer Peter Glotz klopfte auch bei einigen Herren der Zunft an - vergebens. Keiner war bereit, angesichts der noch ungeklärten Führungsfrage, den Schleudersitz des Parteisprechers zu besetzen.
Während Glotz Klinken putzte, hatte Brandt die Dame seiner Wahl bereits gefunden. Am 14. Februar, einem Samstag, kam Margarita Mathiopoulos zum Kaffeetrinken nach Unkel - übrigens nicht zum ersten Mal. Seit ihrer Kindheit kannte die junge Griechin den SPD-Vorsitzenden als väterlichen Freund. Ihr Vater, Basil Mathiopoulos, scharte während der Obristen-Herrschaft über Griechenland in Bonn Emigranten und Oppositionelle um sich. Margaritas Mutter, eine Archäologin aus Zypern, ist seit 1968 Dozentin für mittelalterliche und neugriechische Sprache an der Universität in Bonn.
Brandt hatte - vor, während und nach seiner Kanzlerzeit in Bonn - ebenso wie Ehmke, Wischnewski und Rau familiäre Kontakte zum Ehepaar Mathiopoulos. Die Tochter des Hauses kannte er länger als seine Frau Brigitte. Die traf sich mit der jungen Griechin erst viel später: Die beiden Historikerinnen lernten einander als Kolleginnen vom Fach schätzen. Margarita Mathiopoulos wurde im Domizil
der Brandts in Unkel ein gerngesehener Gast.
So ist es nur Legende, daß Brigitte und nicht etwa Willy Brandt die Nominierung von Frau Mathiopoulos zur neuen Parteisprecherin betrieben habe. Brigitte Brandt befürwortete ein anderes Projekt: Margarita, so ihr Rat, solle lieber das Angebot nutzen, am Deutschen Historischen Institut in Washington zu arbeiten und sich dort zu habilitieren.
Nach außen ließ Brandt zunächst nicht erkennen, wer seine Favoritin sei. »Schaut euch die doch mal an«, forderte er, eher beiläufig, seinen Geschäftsführer Glotz und den Übergangssprecher Verheugen auf.
Glotz war begeistert: Eine junge Frau, gebildet, weltläufig, fünf Sprachen, Studien in USA, Paris und Florenz - das schien dem ehemaligen Wissenschaftssenator von Berlin und intellektuellen Schriftsteller für die alte Arbeiterpartei ein hervorragendes Aushängeschild.
In der Tat hat die 30jährige viel Erfahrung an Universitäten und Institutionen. Nach dem Magister in Bonn - Jura und Politische Wissenschaften - belegte sie 1978 einen zweimonatigen Italienisch-Intensivkurs in Florenz, forschte im November/Dezember 1979 an der Pariser Sorbonne und fuhr zu mehreren Studienaufenthalten nach Harvard. In den USA arbeitete sie mit dem renommierten Historiker Gordon Craig ("Die Deutschen") zusammen und promovierte im letzten November in Bonn beim Politologen Karl-Dietrich Bracher mit magna cum laude, die Dissertation »Geschichte und Forschung im Denken Amerikas, ein europäisch-amerikanischer Vergleich« erscheint demnächst in Englisch und Deutsch.
Journalistische Praxis sammelte sie nebenher - zwischen 1978 und 1980 als Moderatorin im Regionalfernsehen des WDR ("Hier und Heute") und im Dritten TV-Programm des WDR für griechische Gastarbeiter ("Unsere Heimat - ihre Heimat"). Drei Jahre lang, 1983 bis 1986, war sie, so berichtet Vater Basil Mitarbeiterin des Informationsdienstes »Wirtschaftsredakteur« und Bonner Koordinatorin des deutschen Programms der »Conference group of USA«.
Trotz der Schnupper-Reisen und der Nebenjobs halten auch ernsthafte Kritiker, denen eine griechische Sprecherin schnuppe ist, Brandts Kandidatin drei Defizite vor: Ihr mangelt das Gespür für die Praxis der politischen Prozesse in Bonn. Ihr fehlt die Erfahrung im realen Journalismus. Sie hat, logisch, keinerlei Ahnung für den Umgang innerhalb einer Partei, die gerade an einer komplizierten Wegmarke steht - sie muß einen Generationenwechsel vollziehen, will an die Macht zurück und müßte sich entscheiden, ob sie sich lieber an den bürgerlichen Mitte-Wählern oder den linken Grün-Sympathisanten orientiert.
Verheugen war denn auch skeptisch. Obwohl als Parteirekrut nicht so erfahren, wie General Glotz eigentlich sein müßte, ahnte er Komplikationen. Vor allem die fehlende Parteimitgliedschaft irritierte ihn. Auf einen gemeinsamen Vorschlag mit Glotz konnte er sich nicht einigen. Dafür setzte er durch, daß eine Gegenkandidatin, die Rundfunkjournalistin Ulrike Holler - verheiratet mit dem von der FDP zur SPD gewechselten hessischen Innenstaatssekretär Andreas von Schoeler -, zum Vorstellungsgespräch nach Bonn berufen wurde. Die 43jährige gilt als professionelle Reporterin, die - obwohl seit 20 Jahren in der SPD - mit Genossen nicht zahmer umspringt als mit Christdemokraten.
Als Frau Holler und Frau Mathiopoulos am vergangenen Montag in der SPD-Baracke zur Vorstellung beim SPD-Präsidium erschienen, standen die Fronten fest: Brandt, seine beiden Stellvertreter Rau und Vogel, der Geschäftsführer Glotz und Schatzmeister Klose - die fünf »geborenen« Mitglieder der SPD-Führung, die ständig mit dem Sprecher zu tun haben - waren für die Parteilose. Die drei Präsidiumsfrauen Anke Fuchs, Herta Däubler-Gmelin und Heidemarie Wieczorek-Zeul, ferner Egon Bahr, Erhard Eppler und Holger Börner waren für Frau Holler.
Willy Brandt wollte sich schon geschlagen geben: Bei einer solchen Stimmungslage, so faßte er sein Urteil zusammen, sei es wohl besser, von der Kandidatin aus Griechenland Abstand zu nehmen. Heidemarie Wieczorek-Zeul ("Bei gespaltenem Arsch läuft nichts") unterstützte ihn. »Peter«, sagte Brandt zu Glotz, »du solltest Frau Mathiopoulos jetzt sagen, sie müsse sich nicht länger zur Verfügung halten.«
Da griff Vogel in die Debatte ein. Frau Holler sei gewiß die »sichere Lösung«. Bei Frau Mathiopoulos sei »das Risiko viel größer«. Dies könne »sehr gut, aber auch sehr schlecht gehen«.
»Aber, Willy«, fuhr der Fraktionschef fort, »es gibt Personen, wo der Wille und der Vorschlag allein entscheidend sind - auch dann, wenn man anderer Meinung ist. » Und, in einem Rückfall in oberbürgermeisterliches Dezernentendenken oder gar mit Hinterlist: »Du bist der Vorsitzende, dann entscheide das.«
Rau machte sich jetzt für Mathiopoulos stark und erzählte Anekdoten aus den Kindheitstagen der Kandidatin.
Die drei Präsidiumsgenossinnen verfolgten die Debatte mit gemischten Gefühlen. »Es war«, so schilderte es Frau Wieczorek-Zeul, »plötzlich die absurde Situation da, daß man in Brandts Interesse gegen ihn sprechen mußte.«
Brandt entschied, und die »rote Heidi« behielt recht. Einen solchen Empörungssturm hat es in der SPD schon lange nicht mehr gegeben. Als Björn Engholm, Oppositionsführer im Kieler Landtag, von der »aparten Entscheidung« erfuhr, wußte er »sofort, ohne daß man näher hingucken mußte, daß das Ärger geben wird«.
Freilich hat nach Meinung des Kieler SPD-Linken ein »Anrecht, ärgerlich zu sein«, nur die Basis der Partei, die seit Jahren »im Winter durch den Matsch latscht« und die »Kärrnerarbeit« leiste. Den »Kir Royals in der SPD«, die sich jetzt über die Personalentscheidung aufregten, empfahl Engholm Zurückhaltung.
Es gebe »wichtigere Aufgaben«. Für viele sei die Angelegenheit wohl Anlaß, dem Parteivorsitzenden »ältere Rechnungen« zu präsentieren.
Engholms Landesvorsitzender Günther Jansen fand das »Wahnsinnstheater entsetzlich« und die »Anmacherei in Richtung Brandt schlimm«. So sahen es die meisten Genossen.
Von Oskar Lafontaine bis Anke Fuchs herrschte Einigkeit, daß man dem Vorsitzenden die Berufung seiner Pressesprecherin nicht gefahrlos kaputtmachen könne. Lafontaine: »Ich kann doch jetzt den Willy nicht abmeiern.« Gerhard Schröder faßte die Stimmung zusammen: »Ich halte das für eine unglückliche Entscheidung, noch unglücklicher ist allerdings, daß einige das jetzt zum Fall Willy Brandt machen. Meine Loyalität zu Brandt ist größer als mein Ärger über die Berufung von Frau Mathiopoulos.
Holger Börner, gerade noch amtierender Ministerpräsident, sieht das Problem differenzierter: »Die SPD kann verlieren, wenn sie nicht genügend motiviert« - Erfahrung der letzten Bundestagswahl. Eine Partei, die mit Dauerstreit an der Spitze die Mitglieder verstört, könne natürlich nicht motivieren: also: »Laßt endlich diese Personaldebatten sein!«
Das wird so schnell nicht gehen. Sollte Margarita Mathiopoulos doch noch das Handtuch werfen, müßte eine Alternative her - Namen wurden am Wochenende schon gehandelt; Ulrike Holler aber steht »nicht mehr zur Verfügung« - zweite Wahl mag sie nicht sein.
Und ob Anke Fuchs im glatten Durchgang Glotz beerbt, ist fraglich. Die Sozialexpertin gilt als nur mäßig begabte Organisatorin - Anlaß für neue Personaldebatten noch unterhalb der Führungsebene.
Auch wenn der Parteivorstand nun wieder dem alten sozialdemokratischen Ritual folgt und die Genossen in trutziger Solidarität eine Wagenburg um ihren Vormann auffahren - in der SPD geht es weiter an Brandt vorbei. Selbst eine durchgeboxte Sprecherin verbessert kaum seine Chancen, das Haus nach eigenen Wünschen zu bestellen.
Brandt hatte zunächst gehofft, er könne die Nachfolger-Nominierung ins nächste Jahr verschieben. Er ahnte, daß seine eigene Autorität beschädigt würde, sobald der künftige Amtsträger ausgeguckt sei. Sein Favorit für 1988 war und ist der Saarländer Lafontaine.
Seite an Seite mit dem penibelstrengen Fraktionschef Hans-Jochen Vogel (Brandt: »Der mit den Klarsichthüllen") als Designatus - mit diesem Gedanken konnte sich Veteran Brandt nicht befreunden. Zudem erfülle der 61jährige Vogel nicht die Ansprüche einer sichtbaren personellen Erneuerung der SPD.
Doch schon bald stellte sich heraus, daß viele Genossen den Parteinutzen über die geheimen Wünsche ihres Vorsitzenden stellten. Lafontaine selber, der sich nicht vier Jahre lang bis zur nächsten Bundestagswahl dem innerparteilichen Abnutzungsprozeß aussetzen möchte, ohne von Saarbrücken aus viel bewegen zu können, aber auch die linken Vordenker Erhard Eppler und Peter von Oertzen wollen lieber Vogel. Nach diesem Kalkül soll der Saarländer für den Bundestagswahlkampf 1990 als unbeschädigter Spitzenkandidat in Reserve gehalten werden. Diesem Argument verschloß sich auch Brandt nicht.
Daß dann der Zeitplan kippte, auch das hat Brandt nicht verhindern können. Mit seinen Stellvertretern Rau und Vogel sowie mit Oskar Lafontaine kam er überein, schon jetzt Vogel zum Nachfolger auszurufen. Der öffentliche Wirbel um Uli Klose und Margarita Mathiopoulos hat den Vorsitzenden belehrt, daß ihm keine Wahl mehr bleibt und ein Ende der Diskussion besser ist als die Fortdauer der Personalspekulation. So soll es auch bei der Ernennung des neuen Parteimanagers gehen; die Erben bestimmen den Kurs. Nicht Volker Hauff der sich seit langem - von der Bonner Baracke ermutigt - Hoffnungen macht, soll die SPD organisieren, sondern seine frühere Kabinettskollegin Anke Fuchs. Die gelernte Gewerkschafterin hatte sich schon Ende letzten Jahres bei Brandt empfohlen und dann ihre Kandidatur öffentlich gemacht.
Inzwischen sorgen sich Brandt-Freunde, wie sie ihrem Vormann ohne weitere Beschädigungen über sein letztes Amtsjahr hinweghelfen können. Eine öffentliche Demontage des Mannes, dessen Name für die Reformpolitik der SPD in den siebziger Jahren steht und der nach Helmut Schmidt und Johannes Rau die Partei aus dem Getto der Berührungsangst gegenüber neuen sozialen Bewegungen geführt hat, wäre für die progressive Mehrheit der Partei ein Verhängnis. Leute wie Lafontaine, Eppler, Engholm, Heidi Wieczorek-Zeul und Schröder wollen, daß Brandt mit seiner Rest-Autorität die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm zu Ende führen kann.
Andere können sich Schadenfreude über die Malaise des Chefs nicht verkneifen. In Düsseldorf hämte Johannes Rau, nachdem er in Bonn für Brandts Entscheidung gestimmt hatte: »Mit der Wahl der Mathiopoulos können wir zufrieden sein. Immerhin steht sie zum Bündnis mit Amerika und hat nicht ihr halbes Leben in Nicaragua verbracht.«
Ex-Kanzler Helmut Schmidt mischte sich nach langem Schweigen letzte Woche mal wieder in die Bonner Diskussion. Im kleinen Kreis spottete er über seine Widersacher von einst. Lafontaine, »der Westentaschen-Napoleon«, habe im Fall Klose, Brandt im Fall Mathiopoulos »Jungsozialisten-Manieren« an den Tag gelegt.
Als Schmidt am vorigen Donnerstag nach einem Gesundheitscheck im Koblenzer Bundeswehrkrankenhaus zufrieden heimflog ("Mir geht es so gut wie nie zuvor"), nannte er auch den Grund seines Wohlbefindens: »Weil ich gewußt habe, wann ich aufzuhören hatte.«
In ihrer Stuttgarter Wohnung.