SCHIFFAHRT An Bord nur Hund und Katze
Vor der Küste ihrer Afrika-Kolonie Mocambique suchten portugiesische Schiffe und Flugzeuge nach der portugiesischen »Angoche« tagelang. Schließlich entdeckten sie das als Waffentransporter dienende Küstenschiff
als Wrack im Schlepp eines Tankers.
Die einzigen Lebewesen an Bord der teilweise ausgebrannten »Angoche« waren ein Hund und eine Katze. Von 23 Besatzungsmitgliedern und einem Passagier fehlte jede Spur.
Das Geisterschiff im Dreieck zwischen Beira, Madagaskar und Sansibar -- wo sich einst Piraten und Sklavenhändler tummelten -- alarmierte die Regierungen in Lissabon und Pretoria.
In Portugal trat unter Premier Caetano der Oberste Verteidigungsrat zusammen. In Südafrika kündigte Verteidigungsminister Botha verstärkte Küstenpatrouillen an. denn die »Angoche«-Affäre »bedeutet möglicherweise den Beginn einer Weile von Seeräuberei« (so Südafrikas Vizeadmiral Biermann).
Die »Angoche«, ein 1600-Tonnen-Schiff der Companhia Mocambiqueira de Navigacao, war am 23. April mit Flugzeugsprit und anderem. Kriegsmaterial an Bord aus dem Mocambique-Hafen Nacala ausgelaufen. Ihr Ziel: das 200 Kilometer nördlich gelegene Porto Amélia, eine wichtige Basis in Portugals Kolonialkrieg gegen die aus Tansania einsickernden Guerillas der Befreiungsfront von Mocambique, Frelimo.
Drei Tage später, am 26. April, sichtete der unter Panama-Flagge fahrende Tanker »Esso Port Dickson« die »Angoche« nördlich von Nacala -- hilflos in der sanften See treibend, unbenutzt schaukelten die Rettungsboote am Rumpf des Totenschiffs, das nie SOS-Signale gefunkt hatte.
»Port Dickson«-Kapitän Aquini, ein Italiener, wollte sich die Bergungsprämie verdienen. Er nahm die »Angoche« provisorisch in Schlepp und funkte den im südafrikanischen Durban liegenden Schlepper »Baltic« der Hamburger Bugsier-, Reederei und Bergungs-AG herbei. Die Portugiesen informierte Aquini nicht. Sie entdeckten den Zug erst am 2. Mai und ließen die lädierte »Angoche« nach Lourenco Marques bringen.
Während die Presse in Mocambique noch über »eines der großen Geheimnisse der modernen Seegeschichte« rätselte, glaubte das offizielle Portugal sofort zu wissen, wer die »Angoche« angegriffen und die Besatzung gekidnappt habe: die Frelimo oder der feindliche Nachbar Tansania, gegen den »die Möglichkeit eines militärischen Vergeltungsschlags erwogen wurde« (so der englische »Sunday Telegraph« aus Lissabon).
Doch die Frelimo und Tansania wiesen die Verdächtigungen zurück. Tatsächlich haben die Guerillas keine seetüchtigen Boote, und Tansania besitzt zwar acht Küstenschutzschiffe, aber deren Aktionsradius reicht selbst dann nicht aus, um bei Nacala anzugreifen, wenn sie nicht von ihrem mit chinesischer Hilfe errichteten Stützpunkt bei Daressalam starten, sondern im weiter südlich gelegenen Mtwara. Ein Beamter in Daressalam zum Überfall auf das Waffenschiff: »Ich wünschte, wir wären in der Lage, so etwas zu tun.«
Eher denkbar wäre, daß -- wie Frelimo-Sprecher Joachim Chissano vermutete -- Mitglieder der portugiesischen »Bewaffneten Revolutionären Aktion« (Ara) unter der »Angoche«-Besatzung den Handstreich organisierten.
Ara-Leute hatten schon im Hafen von Lissabon auf den zwischen Afrika und dem Mutterland verkehrenden Truppentransportern »Cunene« »und »Vera Cruz« Bomben gezündet und auf dem portugiesischen Luftwaffenstützpunkt Tancos elf Hubschrauber und mehrere Flugzeuge zerstört (SPIEGEL 15/71). Freilich bekannte sich die Ara, im Gegensatz zu den anderen Aktionen, nicht zu dem mysteriösen Piratenstück vor Mocambiques Küste.
Lissabon und Pretoria ist die »Angoche«-Affäre auf jeden Fall höchst willkommener Vorwand, auf die Bedrohung der Schiffahrt im Indischen Ozean hinzuweisen, gegen die sich Südafrika mit englischen Waffen rüsten möchte. Auch Englands konservativer »Daily Telegraph« sieht in dem Zwischenfall »die bislang schlagendste Rechtfertigung für Englands Waffenverkäufe an Südafrika«. Das werde auch Außenminister Douglas-Home zu hören bekommen, wenn er Anfang Juni nach Lissabon reist.
Eine 7000 Seemeilen entfernte, mit Tansania aber freundschaftlich verbundene Großmacht, die Volksrepublik China. sprach offen aus, gegen wen es sich im Indischen Ozean zu schützen gelte. Radio Peking hatte den Feind ausgemacht: Die »Angoche«-Seeleute« meldete der Sender, seien von einem sowjetischen U-Boot gekidnappt worden.