Festgenommener belarussischer Blogger Merkel nennt Protassewitschs Videobotschaft »erschütternd«

Kanzlerin Merkel hat erneut die Freilassung des belarussischen Oppositionellen Protassewitsch gefordert. Außenminister Maas kündigte an, Machthaber Lukaschenko müsse einen »bitteren Preis« zahlen.
Bundeskanzlerin Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel

Bundeskanzlerin Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel

Foto: Olivier Hoslet / AP

So deutliche Worte hat Angela Merkel selten gewählt: Die Bundeskanzlerin hat die Festnahme des belarussischen Bloggers und Journalisten Roman Protassewitsch als beispiellos und inakzeptabel bezeichnet. Am Sonntag hatte die Führung in Minsk Protassewitschs Linienflieger beim Überflug des Landes gezwungen, in der Hauptstadt zu landen  und den Oppositionellen dort aus dem Flieger geführt.

Bei der Bewertung des Vorfalls habe beim EU-Gipfel Einigkeit geherrscht, sagte Merkel bei einer Onlinepressekonferenz. Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU hatten zuvor neue Sanktionen gegen Belarus angekündigt.

Merkel forderte abermals die sofortige Freilassung Protassewitschs sowie seiner ebenfalls festgenommenen Partnerin. Ein inzwischen aufgetauchtes Video des Journalisten wertete Merkel als »besorgniserregend und erschütternd«.

DER SPIEGEL

Durch die Aufnahme war der Verdacht aufgekommen, Protassewitsch sei mit Gewalt zu einem Geständnis gezwungen worden, sich an der Organisation von Massenprotesten gegen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko beteiligt zu haben. Russland, das Lukaschenko unterstützt, wies Mutmaßungen zurück, in irgendeiner Form in den Vorfall verwickelt zu sein.

Als die EU das weitere Vorgehen am Montag beschlossen habe, habe es keine gesicherten Erkenntnisse über eine Verwicklung Russlands gegeben, sagte Merkel. »Wir haben die Frage gestreift, ob Russland etwas damit zu tun hat.« Die Diskussion über die künftigen Russland-Beziehungen der EU sei aber unabhängig davon und im größeren Rahmen geführt worden. Hier herrsche Einigkeit, dass die EU gemeinsam und koordiniert auf die russische Politik reagiere.

Merkel will weiter mit Putin reden

Sie werde die mögliche Rolle Russlands bei dem Vorfall sicher ansprechen, wenn sie wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin rede, sagte Merkel. »Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein und sich trotzdem sprechen und treffen.« Das tue sie auch mit Putin, und sie habe dafür geworben, dass auch die EU das tue. »Diplomatie hat nur eine Chance, wenn man miteinander spricht«, so die Kanzlerin.

Die EU-Staaten hatten am Montag bereits eine Sperrung des Luftraums für belarussische Fluggesellschaften beschlossen. Maschinen der Airlines dürfen künftig auch nicht mehr auf Flughäfen in der EU starten und landen. Fluggesellschaften mit Sitz in der EU werden darüber hinaus aufgefordert, den Luftraum über Belarus zu meiden. Die Lufthansa hatte einen solchen Schritt bereits zuvor angekündigt.

»Jedem Diktator der mit derlei Gedanken spielt, dem muss klar gemacht werden, dass es dafür einen bitteren Preis zu zahlen gibt.«

Bundesaußenminister Heiko Maas

Wie zahlreiche andere Politiker aus dem In- und Ausland hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) eine harte Reaktion auf die Festnahme angekündigt. »Jedem Diktator, der mit derlei Gedanken spielt, dem muss klargemacht werden, dass es dafür einen bitteren Preis zu zahlen gibt«, sagte Maas. Zuletzt hatten mehrere deutsche Politiker über die bereits von der EU verhängten Sanktionen hinausgehende Maßnahmen gefordert.

fek/Reuters/AFP
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