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ÖSTERREICH / MANÖVER Angriff aus Bayern

aus DER SPIEGEL 43/1965

Österreichs republikanisches Bundesheer zog mit 30 000 Mann ins Manöver. Es war das größte seit Kaisers Zeiten.

Um keinen Zweifel an der alpenländischen Neutralität keimen zu lassen, verbot Verteidigungsminister Georg Prader eine realistische Ost-West -Übung. Er verlegte das Soldatenspiel in die strategisch sinnlose, aber politisch unverfängliche Nord-Süd-Richtung.

Eine Nordpartei - so der ursprüngliche Manöverplan - greift über die Donau an. Die Südpartei zieht sich in die Alpen zurück und wartet auf Verstärkungen aus dem Westen, mit deren Hilfe sie die Angreifer zurückschlagen kann.

Aber selbst hinter dieser Planung witterte die kommunistische Wiener »Volksstimme« den Geist des Kalten Krieges. »Ins Deutsche übersetzt«, mäkelte das KP-Blatt, lautet der Manöverplan also so: Feindliche Truppen greifen aus der Tschechoslowakei an, und das Bundesheer wartet, bis die große Nato aus Westdeutschland und Italien zu Hilfe kommt und dann den Krieg gewinnt.«

Das Grollen der roten Zwerge, die im Wiener Parlament gar nicht vertreten sind, bewog die Bundesheer-Befehlshaber, das Planspiel wieder umzukrempeln. Denn hinter der abgekratzten Feder der »Volksstimme« winkte diesmal ein mächtiger Marschallstab: Als prominentester Gast für das Prader-Manöver hatte sich der sowjetische Verteidigungsminister Rodion Jakowlewitsch Malinowski angesagt.

Den sachkundigen roten Manövergast, der Anno 1945 Wien erobert hatte, wollten die Österreicher günstig stimmen. Denn das überwiegend veraltet ausgerüstete Bundesheer lechzt seit langem nach Panzer- und Luftabwehrraketen. Laut Staatsvertrag ist den neutralen Österreichern aber jede Art von Raketenbewaffnung untersagt - und für eine Abänderung des Raketen-Paragraphen braucht Wien das Ja Moskaus.

So kamen bei den Manövern, die vom 3. bis 8. Oktober in Ost-Österreich abrollten, die Angreifer schließlich aus dem selbst für Kommunisten unverdächtigen Süden. Aber das war nicht die letzte Courtoisie für den Gast. Minister Prader verzögerte den Manöverbeginn und ließ in bewaldetem, gebirgigem Gebiet einen militärisch unsinnigen Panzerangriff starten: Der sowjetische Kollege hatte außerordentliches Interesse daran bekundet, die neuen amerikanischen M 60 A 1-Panzer in Aktion zu sehen.

Und noch vor Beginn des großen Manövers boten die Österreicher dem Kreml-Krieger insgeheim einen politischen Leckerbissen. Eigens für Malinowski rückte die Grenzschutzkompanie Saalfelden Im Bundesland Salzburg zu einer Gefechtsübung aus. Übungsplan: Von der nahen bayrischen Grenze - und damit aus dem Nato-Raum - dringen Truppen mit leichten Vorausabteilungen auf österreichisches Gebiet vor.

Die dreistündige Spezial-Übung endete mit einem planmäßig erfolgreichen Gegenangriff der 180 alpenländischen Neutralitäts-Schützer; die Nato-Aggressoren wurden nach Bayern zurückgeworfen.

Der fünffache Leninpreisträger Malinowski belohnte die Fleißaufgabe mit Miniaturpanzern und Zigarettenetuis für die Soldaten und einer Taschenuhr für den Kompanie-Major. Kommentar des Sowjetmarschalls: »Wetter schön, Übung gut.«

Marschall Malinowski (2. v. l.), Gastgeber Prader (2. v. r.) »Wetter schön, Übung gut«

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