PARTEISPENDEN II Animus auctoris
August Lang, 57, römisch-katholisch, Rechtsanwalt aus der Oberpfalz, gehört in der facettenreichen CSU zu den auffallenden Erscheinungen.
Schon als Fraktionsvorsitzender trotzte er ("Nur über meine Leiche") dem allmächtigen Bayern-Herrscher Franz Josef Strauß, wenn ihm dessen Politik nicht paßte. Die Opposition sah bereits eine »geschichtliche Figur innerhalb der CSU« heranreifen, einen »Baum, an dem sich Strauß immer wieder wundreibt«.
So wunderte es viele Parteifreunde, als Ministerpräsident Strauß den oberpfälzischen Juristen 1982 als Justizminister ins Kabinett berief. Lang legte danach zwar seinen Fraktionskosenamen »Gustl« ab, blieb aber auch im neuen Amt August der Starke.
Eigene Parteifreunde, die in örtlichen Bürgerinitiativen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf protestierten, zieh er der »Volksverhetzung«. Der SPD warf er im Landtag sogar eine Aktionsgemeinschaft mit Terroristen vor. Seither zieht die Opposition - Novum in der bayrischen Nachkriegsgeschichte - immer geschlossen aus, wenn Lang redet.
Nur: Gegen seinen alten Widersacher Strauß sagt Lang seit seinem Amtseid als Minister nichts mehr. Offenbar wurde der vorlaute Oberpfälzer mit Erfolg in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Einige wenige in der Partei vermuten sogar, daß er dabei mit Bedacht in das Amt des Justizministers berufen worden ist. Denn August Lang ist seit Jahren in Geldgeschäfte verwickelt, die sich mit seinem Amt nur schwer vereinbaren lassen.
Was von Langs engsten Parteifreunden sorgfältig als Geheimnis gehütet wird, spielt in seiner oberpfälzischen Heimat. Dort führt er den mächtigen Bezirksverband der CSU und sorgt stets für Wahlergebnisse gut über sechzig Prozent. In seiner Heimatstadt Weiden gehört er zu den hochgeachteten Honoratioren, seit langem sitzt er dort auch im Stadtrat.
Außerhalb des Rathauses, des Parlaments und auch des Kabinetts tat sich Lang stets in christlicher Nächstenliebe hervor. Denn er ist Vorsitzender des Christlichen Sozialwerks Weiden in der Oberpfalz e. V., das praktischerweise in seinem Stimmkreisbüro in der Hochstraße residiert und von einer Schwägerin des Ministers mitbetreut wird - ein barmherziges Familienunternehmen, so scheint es, das sich nach Auskunft des Sekretariats um die Alten der Stadt mit Bastelabenden und kleinen Reiseveranstaltungen kümmert.
Der Greisen-Verein aus der Oberpfalz war aber merkwürdigerweise auch Industrie- und Kaufleuten aus Nordrhein-Westfalen geläufig - jedenfalls schickten sie immer wieder mal fünfstellige Summen nach Weiden.
Der üppige Geldsegen fiel erstmals 1974 einem Beamten der Oberfinanzdirektion Köln auf, vor allem, weil bei Betriebsprüfungen neben den steuermindernden Spendenquittungen des gemeinnützigen Vereins aus Weiden auch Dankschreiben bayrischer Politiker gefunden wurden.
Die Kölner machten die Kollegen beim Finanzamt Weiden auf den Fall aufmerksam. Die Überprüfung der Konten von Langs Sozialwerk ergab, daß die generösen Geldzahlungen aus dem fernen Westen nicht verzeichnet waren: Die Weidener Finanzbeamten hatten so unversehens eine oberpfälzische Geldwaschanlage für politische Spenden entdeckt.
Die Sonderfunktion des 1968 gegründeten Sozialwerks war steuerrechtlich zwar anrüchig. Doch der Fiskus in Weiden begnügte sich mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit am 8. Oktober 1974. Die Spender mußten nicht einmal die Steuern nachzahlen. Die Empfänger kamen ungeschoren davon.
Auch Vereinsvorsitzender Lang, der im November 1974 Chef der CSU-Fraktion im Landtag wurde, wußte sich zu helfen.
Seine nun nicht mehr gemeinnützige Einrichtung in Weiden überließ er großzügig einem befreundeten Kohlenhändler namens Jakob Eger - und erfreute sich fortan lieber an einem nur fünf Kilometer entfernten Tochterunternehmen, dem »Christlichen Sozialwerk im Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab«. Denn dieser Verein bekam schon drei Wochen nach der Gründung im Jahre 1975 das für die Spender attraktive Prädikat der Gemeinnützigkeit.
Schon lief alles wieder wie am Schnürchen. Die Schnapsfabrik »Rola« aus
dem niederbayrischen Niederhatzkofen schickte 25000 Mark für Friedrich Zimmermann, die Kaffeefilterfirma Melitta aus Minden bedachte die neue Neustädter Waschanlage, und sogar örtliche Kundschaft stellte sich ein: Der Wäscheversandhändler Josef Witt ließ gleich mehrfach bei Lang waschen - einmal 50000 Mark, ein andermal 80000 Mark.
Bei einer Witt-Betriebsprüfung durchschauten die Weidener Kontrolleure auf Anhieb das christliche Ausweichquartier in Neustadt als neues Inkassobüro. Doch für alle Beteiligten ging es wieder glimpflich ab.
Der öffentlichkeitsscheue Witt ("Wir sind ein Privatunternehmen und sind der Meinung, daß es niemanden was angeht. was in unserem Hause vor sich geht") durfte die gesparten Steuern behalten, die Empfänger, unter ihnen Gustl Lang, wurden auch nicht belästigt. Aber auch der neue Verein ging am 4. Oktober 1977, seiner Gemeinnützigkeit verlustig.
Lang, der nach dem Kohlenhändler wieder selber Sozialwerkschef in Weiden geworden war, zeigte sich unbeeindruckt: Er stellte - Abwechslung muß sein - nun wieder für sein Weidener Werk Antrag auf Gemeinnützigkeit. Das Finanzamt äußerte aber nach den Erfahrungen mit den beiden Wäschereien schriftlich nachhaltige Bedenken. Lang räumte diplomatisch ein, in der Vergangenheit seien einige Fehler gemacht worden, nun aber werde er, der starke August, für einen ordnungsgemäßen Ablauf sorgen.
Die Steuerbehörde drehte schließlich klein bei: Am 16. Januar 1980 bekam Langs alter neuer Verein wieder den Stempel der Gemeinnützigkeit. Dann ging es wie gewohnt los: Von überall trudelten Überweisungen und Schecks ein. Am tüchtigsten erwiesen sich Langs Landsleute aus der Oberpfalz. Witt, der größte Arbeitgeber am Ort, ließ ansehnliche 600000 Mark auf die ihm bereits bekannten Konten überweisen.
Es folgte der übliche Gang der Dinge: Die Betriebsprüfer fanden die Spendenquittungen, beanstandeten, wie gehabt das Verfahren - wollten aber diesmal endlich nach Recht und Gesetz durchgreifen. Das örtliche Finanzamt war bereits fest entschlossen, die zuständige Staatsanwaltschaft in Regensburg einzuschalten, die dann ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung hätte einleiten müssen.
Der Fall war damit zu einem Freistaats-Politikum herangereift. Denn August Lang, damals schon Justizminister im Kabinett Strauß, wäre nach Maßstäben, die andernorts gelten, als hartnäckiger Wiederholungstäter und wegen der Höhe der Summen womöglich auf der Anklagebank gelandet.
Doch fortan waren höhere Mächte am christlichen Sozialwerk. Dem zuständigen Beamten der partout die Strafverfolgung einleiten wollte wurde sofort der ganze Fall abgenommen. In Absprache mit dem Finanzministerium in München schaltete sich die Oberfinanzdirektion in Nürnberg ein, und gemeinsam mit dem Fiskus vor Ort wurde schließlich auch eine Lösung gefunden: Natürlich gab es kein Verfahren gegen den Vereinsvorsitzenden und Justizminister Lang, und das Sozialwerk Weiden durfte diesmal sogar die Gemeinnützigkeit behalten.
Nur den noblen Spender Witt traf eine Steuernachforderung über mehr als 350000 Mark. Und sogar ein Schuldiger für all das Ungemach wurde gefunden: Georg Girisch, mal Geschäftsführer des »Christlichen Sozialwerks Weiden«, mal Vorsitzender der Ersatzeinrichtung »Christliches Sozialwerk im Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab« und heute Wahlkreisgeschäftsführer bei der CSU Weiden.
Girisch mußte eine läppische Geldbuße von 7500 Mark zahlen, weil er falsche Spendenquittungen ausgestellt hatte. Die Strafe kann den Lang-Spezi nicht hart getroffen haben, denn er hat sie angeblich längst vergessen: »Darüber ist mir nix bekannt.«
Geräuschlos wurde so eine Affäre bereinigt, die, gemessen am dreisten Verhalten der handelnden Personen, unter den fast 2000 Parteispendenfällen ohne Beispiel ist.
Lang ist bis heute Vorsitzender des Weidener Sozialwerks, das nebenher auch eine Altenwohnanlage betreut. Der Vereinsableger in Neustadt wird von einem Bewährungshelfer vorsorglich weitergeführt. Aufregungen bei den Finanz- und Justizbehörden hat es nicht mehr gegeben.
Langs christlicher Verein ist nicht untypisch für das fromme Land Bayern, wo soviel Scheinheiliges unter Heiligenscheinen abgewickelt wird. Außer den Weidener Waschanlagen hatten auch das Kolpingwerk (SPIEGEL 4/1984) und das Sozialwerk der katholischen Ackermann-Gemeinde (SPIEGEL 13/1986) mit dubiosen Geldtransfers zu tun - im Stile des amerikanischen Gangsterfilms »Manche mögen's heiß": vorn ein pietätvolles Beerdigungsinstitut, hinten ein wilder Western-Saloon.
Als Steuer-Dorado für Parteispender ist Bayern längst ausgewiesen. Bei der Commerzbank in Frankfurt fanden Ermittler einen schriftlichen Beleg über landesspezifische Vorzüge. »Die Nachbarbanken«, heißt es da, »zahlen über Filiale München, weil sie der Meinung sind, daß im Falle der Steuerprüfung die Spenden nur einem der CDU/CSU freundlich gesinnten Steuerbeamten bekanntwerden.
In Wirklichkeit ist der schwarze Filz zwischen Partei, Fiskus und Justiz in Bayern noch viel dichter, als die Banker ahnen.
Ein leitender Ministerialrat aus dem Finanzministerium hat dazu auch noch eine hochwissenschaftlich anmutende Theorie zusammengestellt: Politikern, die zur Umwegfinanzierung auffordern, fehlt demgemäß der »Täterwille (animus auctoris)«, weil sie ja von der Steuerverkürzung nicht zusätzlich profitieren. Die Spender seien ohnehin nur »nicht-dolose Werkzeuge«, weil sie nicht in krimineller Absicht, sondern voll guten Willens handelten.
Bei einer solchen Rechtsphilosophie ist es nicht verwunderlich, daß von 47 nach Bayern überwiesenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren bereits 27 in Rekordzeit wegerledigt worden sind - ohne Anklagen und ohne Strafbefehle.
Nur die kleine SPD-Fraktion hat das bayrische Landrecht noch immer nicht kapiert. Als der SPIEGEL im Februar über die bajuwarische Spendenpraxis berichtete, forderte die Opposition im Landtag in Dringlichkeitsanträgen, schriftlichen Anfragen und persönlichen Briefen an Ministerpräsident Strauß Auskunft. Doch Strauß und sein Spezi Lang schweigen.