COMPUTER Anschluß gesucht
In Münchens Bayerischem Hof trafen Lebensmittel-Kaufleute zusammen, als »für beispielhafte Leistungen in der Ernährungswirtschaft« sechsmal der »Goldene Zuckerhut« verliehen wurde. Doch Festredner Franz-Josef Strauß sprengte den mittelständischen Rahmen und appellierte an das Gewissen der ganzen Nation.
Wenn sich kein westdeutsches Konsortium bilde, so mahnte der in Österreich immatrikulierte Studiosus der Nationalökonomie, werde »Deutschlands älteste Elektronikfirma, im Besitz eines schweizerisch-deutschen Konzerns«, an die Amerikaner veräußert. Strauß nannte vor dem sachfremden Publikum zwar keine Namen, aber die »Welt« fragte umgehend: »Trennt sich BBC wieder von Zuse?«
BBC, der Mannheimer Elektrokonzern Brown Boveri & Cie. AG (im Mehrheitsbesitz der Schweizer Brown Boveri & Cie.), hat erst vor zwei Jahren die Zuse KG in Bad Hersfeld erworben. Zuse ist seit drei Jahrzehnten einer der prominentesten deutschen Namen im Bau von Rechenautomaten.
1936 bastelte der damals 26jährige Berliner Diplomingenieur Konrad Zuse im elterlichen Wohnzimmer seinen ersten Rechenroboter aus Altmaterial der Reichspost. Zuses Meisterwerk Z 3 multiplizierte und dividierte später für Hermann Görings Luftwaffe.
Die Zuse KG beschäftigte im Hersfelder Raum 1300 Mitarbeitet, darunter einige hundert Ingenieure und Mathematiker, als der Firmengründer im Frühjahr 1964 erkannte: »Nur die ganz großen Konzerne ... können in Zukunft die unvorstellbaren Forschungs- und Entwicklungskosten für Datenverarbeitungsmaschinen aufbringen.«
Seine Firma hielt in Deutschland - so ermittelte das Lintorfer »Informationsbüro für Datenverarbeitung« im Herbst 1964 - mit 150 gebauten und bestellten Computern zwar den dritten Platz, in der Weltrangliste aber rangierten elf Konkurrenten vor ihr: Den ersten Platz nahm der weltumspannende US -Konzern IBM (1300 Anlagen in Deutschland) ein, der am Ende des letzten Geschäftsjahres nach Abzug aller Steuern 1,9 Milliarden Mark in der Kasse hatte.
Im Angesicht der Giganten verkaufte Konrad Zuse, nachdem er bereits 30 Millionen Mark Finanzhilfe beim Essener Rheinstahlkonzern hatte aufnehmen müssen, sein Unternehmen an BBC Mannheim. Nach Schätzungen der Konkurrenz bekam er dafür 40 Millionen Mark.
BBC-Generaldirektor Kurt Lotz investierte bei Zuse zwar noch weitere zehn Millionen Mark, gegen das hemdsärmelige Mäzenatentum amerikanischer Manager kam er damit aber nicht auf. IBM zum Beispiel hat 1960 dem Deutschen Rechenzentrum in Darmstadt eine Anlage des Typs 704 kurzerhand geschenkt und 1962 die gleichfalls in Darmstadt installierte IBM 7090 kostenlos in eine
moderne 7094 umgebaut. Die IBM-Bosse überlassen wissenschaftlichen Instituten ihre Denkmaschine ohnehin mit Reklame-Rabatten bis zu 60 Prozent.
Die beiden größten deutschen Computer-Bauer, Siemens und AEG, warnten deshalb in diesem Sommer die Bundesregierung vor einer amerikanischen Überfremdung des deutschen Marktes. Siemens allein, obschon seit mehr als zehn Jahren in der Datenverarbeitung engagiert, muß vier Milliarden Mark aufwenden, um zur US-Konkurrenz aufzuschließen.
Bonn teilt beider Sorge. Kurt Schmückers Wirtschaftsministerium setzte durch, daß die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig nicht das amerikanische IBM-System 360 kaufte, sondern die Siemens-Anlage 4004. Und die Deutsche
Forschungsgemeinschaft machte es dem Darmstädter Rechenzentrum zur Auflage, die neue AEG TR 440 zu erwerben.
Während freilich Siemens durch Zusammenarbeit mit der Radio Corporation of America und die AEG über ihren Großaktionär General Electric Zugang zu amerikanischen Entwicklungen haben, steht BBC-Chef Lotz mit seiner Zuse KG immer noch allein. Er will zwar während der nächsten Jahre weitere 40 Millionen Mark in die Elektronik stecken, doch kann er auf Verbündete nicht länger verzichten.
Des CSU-Wahlkämpfers Strauß Sorge ist gleichwohl unbegründet. Lotz: »Wir haben nicht die Vorstellung, Zuse zu verkaufen, sondern mit einem Partner zusammenzuarbeiten, um Anschluß an Datenverarbeitungssysteme zu finden.«
Computer-Pionier Zuse*
Roboter im Wohnzimmer
* 1965 mit Bundespräsident Heinrich Lübke bei der Verleihung des Werner-von-Siemens -Ringes für hervorragende technische Leistungen.