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ISRAEL Anschluß verpaßt

Nur wenige Siedler wollen in Scharm el-Scheich bleiben. Das nahe Pionierdorf Ofira gleicht einer Geisterstadt.
aus DER SPIEGEL 6/1979

Scharm el-Scheich ohne Frieden«, so dozierte einst Durchhalte-Prophet Mosche Dajan, »ist für Israel wichtiger als Frieden ohne Scharm el-Scheich.«

In Camp David verpflichtete sich Jerusalem jedoch, im Fall eines Friedens die im Krieg von 1967 eroberte Sinai-Halbinsel innerhalb von drei Jahren in räumen. Mosche Dajan findet das heute sogar wünschenswert.

Die Festung am Eingang zum Golf von Akaba, wo einst die Königin von Saba auf dem Weg zu König Salomo gelandet sein soll, war mehrfach im Laufe ihrer Geschichte von verfeindeten Völkern umkämpft. Allein im letzten Vierteljahrhundert entzündeten sich an ihr -- 1956 und 1967 -- zwei Nahost-Kriege.

Dann sollte Scharm el-Scheich ein Brückenkopf in der Verteidigungslinie Israels gegenüber Ägypten werden -- überflüssig, wenn es zum Friedensvertrag zwischen Jerusalem und Kairo kommt.

Der Vertrag von Camp David besiegelt das Schicksal eines teuren Provisoriums. Die Israelis hatten damit begonnen. an der »Bucht des alten Mannes« (deutsch für Scharm el-Scheich) eine mondäne Feriensiedlung zu bauen. Außerdem war das Retortendorf Ofira für 25 000 Neusiedler geplant. Doch die Möglichkeit der Rückgabe an Ägypten hat den Bauboom gestoppt.

Die rotgrau gepflasterte Strandpromenade, gesäumt von rauschenden Palmen und teuren Kandelabern, verläuft nach zwei Kilometern im Sande. Das Karawanen-Hotel mit 150 Betten ist bereits geschlossen. Der »Weiße Elefant«, das örtliche Vergnügungszentrum mit Diskothek und Restaurant, dämmert dumpf dahin. Nur im adretten Marina-Scharm-Hotel genießen Urlauber aus Israel den »letzten Besuch vor Toresschluß«.

In Ofira sind noch 150 Wohnungen im Bau. Aber die Bauherren haben wenig Aussicht, sie jemals zu vermieten. 350 Familien hatten sieh in den letzten Jahren in Ofira niedergelassen, die meisten davon Angehörige der Techniker und Arbeiter von den in der Nähe gelegenen Militärstützpunkten. 40 Familien haben eigene Betriebe in Ofira errichtet, darunter auch eine kleine Spielzeugfabrik. Wer nicht unter einer ägyptischen Regierung leben will, wird ins krisengepeinigte Mutterland zurückkehren müssen.

»Wir haben den Anschluß verpaßt«, sagt Neusiedler Chaim Orli, der sich vor fünf Jahren im Sinai niedergelassen hat. Er fühlt sich von seiner Regierung »belogen und betrogen«. Die Rüstungsfabriken, die die Infrastruktur stützen sollten, wurden nie gebaut. Chaim Orli: »Die haben doch nie an eine zuverlässige Zukunft von Ofira geglaubt.«

Vor allem die 40 Gründerfamilien sind verbittert. Sie glauben, daß die Regierung sie als »Wegwerf-Pioniere« verschlissen hat. Jod Grünbaum, der vor acht Jahren seine erste Werkstatt in einem abgewrackten Autobus eröffnete, behauptet: »Die Ägypter haben uns in eine Falle gelockt.«

Obwohl das Ende sicher ist, müssen die meisten Ofira-Bürger weiter aushalten. Denn alle Dienstleistungsbetriebe sollen geöffnet bleiben. Und nur wer bis zum Schluß bleibt, bekommt eine Entschädigung.

Die Engpässe sind schon jetzt abzusehen. Der Rückzug auf die Linie El-Arisch/Ras Mohammed innerhalb von neun Monaten nach erfolgter Vertragsunterzeichnung schneidet Scharm el-Scheich von der Frischwasserversorgung, von seinem Fischereihafen in der Bucht von Ras Mohammed und von seinem Reservoir billiger Arbeitskräfte ab.

Jerusalem hat zwar billige Kredite und Gehaltszuschüsse in Aussicht gestellt. Aber die meisten Bewohner haben nur eine Hoffnung: Der Friede von Camp David möge im letzten Moment noch scheitern.

Chaim Schiff, der Besitzer des Manna-Scharm-Hotels, will auch in einem ägyptischen Ofira weitermachen. Er hofft sogar, seine Ferienherberge auszubauen -- mit ägyptischem Kapital.

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