ZEITSCHRIFTEN Apfelpo statt Orangenhaut
Der moderne Mensch hat ein Handy, fährt Cabrio und surft im Internet. Er ist schlank - und will es bleiben. Deshalb joggt er, geht ins Fitneßstudio oder strampelt auf dem Mountain-Bike.
Außerdem mag er sich und seinesgleichen. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis der Narziß und sein Körperkult von den Zielgruppenforschern und Marktlückenfahndern der deutschen Verlage entdeckt wurden.
Feingetunte Zeitschriften kümmern sich nun um den wohlgeformten Menschen. Und weil sie so erfolgreich sind, werden es ständig mehr.
In immerhin rund 700 000 Exemplaren bieten sie inzwischen jeden Monat Lebenshilfe für die körperaktive Freizeit; das bringt den Verlagen 1999 vermutlich knapp 100 Millionen Mark an Anzeigeneinnahmen. Die Werbewirtschaft liebt junge konsumfreudige Großstadt-Singles, Hauptklientel der Körpermagazine.
»Das Baby hat sich aufs beste entwickelt«, freut sich Lutz Carstens, 41, Chefredakteur des Marktführers »Fit For Fun«, der derzeit den fünften Geburtstag feiert. Verleger Dirk Manthey hatte, so die Legende, beim Joggen rund um die Hamburger Außenalster die goldene Idee, in einem Pulk schwitzender Gleichgesinnter. Der Chef der Verlagsgruppe Milchstraße joggt noch immer, und auch sein Blatt macht weiter.
Die Redaktion strebt, so ihr Programm, nach Höherem, nach dem »natürlichen Einklang von Kopf und Körper«. Folgerichtig gibt es Tips zu Sex, Shopping, Stil und Work-out unter dem Motto »Apfelpo statt Orangenhaut«. Höhepunkt: ein spezieller Diätplan, bei dem, so die Verheißung, »auch Männer satt werden« - und das alles »garantiert ohne Jo-Jo-Effekt«.
Den Erfolg kann das Single-Publikum per Antwort auf eine der mitgedruckten 1500 Kontaktanzeigen ausprobieren, sozusagen von Apfelpo zu Apfelpo. Er verfolge einen »Unisex-Ansatz«, erklärt Carstens und spricht von »beachtlichem Erfolg«.
Selbst für den Siegeszug der Fitneßbewegung fühlt sich »Deutschlands großes Aktiv-Magazin« (Selbstbild), das derzeit gut 320 000 Exemplare verkauft und es 1998 auf knapp 1500 Anzeigenseiten brachte, in hohem Maße mitverantwortlich.
»Besser leben« - der moralische Imperativ der Milchstraßen-Generation steht auch bei den eigenen Buchausgaben obenan. Zudem offeriert Mantheys Trimm-dich-Kosmos etliche Videos, ein Restaurant und seit kurzem eine Fernsehausgabe auf dem Kanal Vox. Nur ein Sportgetränk unter dem Hausnamen scheiterte.
Das kommerziell erfolgreiche Konzept animierte allerdings auch andere Verlagsunternehmen. Als erstes trat 1996 die Stuttgarter Motor-Presse an, ansonsten für PS-Titel wie »Auto, Motor und Sport« bekannt, und lancierte »Men's Health«. Als Partner stieg der amerikanische Mutterverlag des Blattes ein, der in den USA immerhin 1,4 Millionen Hefte verkauft. Die deutsche Variante bringt es auf gut 240 000 Stück.
Das Männer-Muskel-Magazin fordert die Leser ultimativ zum »Körper-TÜV« auf und proklamiert die »Fitneß-Revolution«. Selbst chronische Pykniker können hier Mut fassen: »Waschbrett-Bauch - so schafft es jeder«. Beim Preisausschreiben gibt es, laut Werbung, nichts weniger als »ein neues Leben« zu gewinnen - mit Hilfe von Handys oder Dessous nach Wahl.
Der kulturbeflissene Chefredakteur Thomas Garms, 40, der früher als PR-Chef der Frankfurter Alten Oper soufflierte, stand auch schon mal der »Fit For Fun«-Redaktion vor. Er will seinen Lesern »konsequenten Nutzwert« bieten und dem streßgeplagten deutschen Mann, so sein Versprechen, als »Ich-Stabilisator« dienen. Zum Beispiel mit einem abgeschlossenen Fotoroman, der die geglückte Verführung eines durchtrainierten Mannes durch eine erotische Frau zeigt.
Im Zusammenspiel mit Anzeigenkunden organisiert Garms schon mal »Männerpflegeabende« für die Leser. »Men's Health« sei ein »Heft für einsame Menschen«, diagnostiziert die »Süddeutsche Zeitung«.
Seit kurzem setzt auch noch ein Münchner Verlag auf den Fitneßboom und die Wellness-Welle. Die Zielgruppe hier: »Frauen, die in Form sein wollen«. Unter diesem ehrgeizigen Motto startete der Verleger Jürg Marquard eine deutsche Adaption des US-Erfolgs »Shape«.
Hier dreht sich alles um den »Power-Po«, ums Abnehmen ohne Diät und um den »Bauch bikiniflach«. Selbst für Schwangere gibt es ein Workout-Programm. »Fragen Sie sich selbst, fragen Sie Ihren Körper«, empfiehlt Chefredakteurin Benita Cantieni.
Im vergangenen Oktober kam die Zeitschrift, die in den USA 1,3millionenmal verkauft wird, auf den Markt, zunächst probeweise. Zwar verkaufte sie von 130 000 Heften nur die Hälfte, weitere 200 000 jedoch gingen, als Präsent, an figurbewußte Kundinnen der Parfümkette Douglas. Seit Februar erscheint »Shape« monatlich, Zielauflage: 120 000 Hefte.
Der Düsseldorfer Mediaagentur-Chef Thomas Koch ist skeptisch. Anders als die fitte Konkurrenz müsse »Shape« auch gegen die vielen Frauenzeitschriften mit ihren speziellen Schlankheitsstorys antreten, warnt er. Auf ihn wirkt das Marquard-Produkt zudem »sehr kalifornisch«. Koch: »Viele Models sehen aus, als kämen sie vom Strand bei Los Angeles.«
Ohnehin könnte den Werbekunden der Rummel um die richtige Figur zuviel werden. Erste Anzeichen einer Übersättigung gibt es schon: Das Magazin »XXL Living«, das sich ebenfalls mit Fitneß- und Lifestyle-Themen beschäftigte, verschwand kurz nach dem Start wieder vom Markt.
HANS-JÜRGEN JAKOBS