JUSTIZ Arbeit sinnlos
Als die Herren vom Richterbund bei der Novellierung des saarländischen Richtergesetzes ein Vetorecht bei Personalentscheidungen forderten, wiegelte Rechtspflegeminister Rainer Wicklmayr (CDU) ab: Ein Anhörrecht reiche aus, da es »sich kein Minister politisch leisten kann, gegen den Willen der richterlichen Personalvertretung zu entscheiden«.
Nun kann er doch. Auf Vorschlag von Wicklmayr ernannte das saarländische CDU/FDP-Kabinett am 31. März Kurt Thürk, einen Parteifreund des Ministers, zum Vorsitzenden des Strafsenats am Saarbrücker Oberlandesgericht -- gegen den Willen des Präsidialrates, der Personalvertretung der saarländischen Richter. »Der Ministerrat«, demonstrierte Wicklmayr Souveränität, »entscheidet unabhängig und endgültig.«
Mit der dienstherrlichen Entscheidung ist das saarländische Richtergesetz, das Wicklmayr bei der Novellierung 1975 noch als »erhebliche Ausweitung des richterlichen Mitspracherechts« gelobt hatte, als Farce entlarvt. Denn anders als etwa in Rheinland-Pfalz, wo ein Vetorecht der Richter gesetzlich verankert ist, erwiesen sich die saarländischen Vorschriften als wirkungslos. Die Mitglieder der richterlichen Personalvertretung empfanden. »daß unsere Arbeit sinnlos ist«, und traten, einmalig in der bundesdeutschen Justiz, zurück.
Ein Vermittlungsausschuß aus Richtern und Ministerialbeamten empfahl Wicklmayr als Kompromiß, den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Thürk zunächst nur als Richter zu engagieren und ihn erst im nächsten Jahr zu befördern. Doch Wicklmayr lehnte ab: »Da hätte ich dann keine Planstelle für ihn gehabt.«
Soviel Engagement für den Parteifreund ging selbst dem sonst meist regierungsfrommen saarländischen Richterbund zu weit. Zwar wolle man »die Qualifikation von Herrn Thürk nicht bestreiten«, so Richterbundvorsitzender Willy Schick, dennoch sei hier der Eindruck entstanden, »daß bei der Besetzung hoher Richterstellen parteipolitische Rücksichten entscheiden«.
Denn Kurt Thürk, der am 3. Oktober in seinem Saarbrücker Wahlkreis 244 gegen den SPD-Neuling Hajo Hoffmann verloren hatte, war nicht der einzige Bewerber um die vakante Position. Zwar verbreitete Wicklmayr. der Christdemokrat sei der qualifizierteste und dienstälteste Aspirant gewesen. Die richterlichen Personalvertreter bestreiten das jedoch. Aus den Unterlagen der dreizehn Bewerber sei, so ein Präsidialratsmitglied, »eindeutig hervorgegangen, daß Herr Thürk weder der qualifizierteste noch der dienstälteste Bewerber gewesen ist«.
Vor allem hatten die Richter in den geheimen Sitzungen moniert, daß der diesmal gescheiterte Bundestagskandidat seit zwölf Jahren nicht mehr der ordentlichen Gerichtsbarkeit angehört hatte und vor seiner vierjährigen Bonner Zeit acht Jahre lang ausschließlich am saarländischen Oberverwaltungsgericht Recht gesprochen hatte. Als höchster saarländischer Strafrichter, über dem »nur noch der blaue Himmel der Rechtskraft schwebt«, habe er es nun, wie Richter-Kollege Schick vorsichtig formuliert, »mit einem ganz anderen Fragenkatalog zu tun«.
Der umstrittene Jurist selber hält sich allerdings »bestens gewappnet für die neue Aufgabe« und wertet den Kollegen-Protest als »Ausdruck gekränkter Eitelkeit«. »An mir«, rechtfertigt der Richter seinen Dienstherrn, »hätte der Minister gar nicht vorbei gekonnt, ohne seine Sorgfaltspflicht zu verletzen.«
Doch gemäß dem Abgeordnetengesetz, nach dem sich Wicklmayr im Falle Thürk zu richten hätte, muß ein ehemals beamtetes Bundestagsmitglied nach Ablauf seines Mandates auf Antrag lediglich »wieder in das frühere Dienstverhältnis« übernommen werden. Statt Thürk aber wieder in seiner alten Tätigkeit in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beschäftigen, wo eine Planstelle frei war, ließ der Minister den Parteifreund gleich zum Senatspräsidenten aufrücken.
So argwöhnen kritische Richter, daß Wicklmayr wohl aus anderen als nur gesetzlichen Gründen nicht an Thürk vorbei konnte. Denn an der Saar kommen nach altem Brauch Christdemokraten stets gut zu Brot, wenn sie politisch abtreten müssen.
Die geschaßte CDU-Familienministerin Rita Waschbüsch, die nach der Koalitionsbildung im März der liberalen Rosemarie Scheurlen weichen mußte. soll einen Aufsichtsratsposten bei den Saarbergwerken erhalten. Christdemokrat Walter Tholl, der nach der Regierungsumbildung als Stellvertreter des neuen FDP-Wirtschaftsministers Werner Klumpp weichen mußte, darf nun für rund 200 000 Mark im Jahr der Saar-Ferngas AG als Vorstandschef dienen.