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BUNDESLÄNDER Arg komisch

Eine Privat-Koalition mit der CDU schloß der FDP-Mann Hans Friderichs: Er bleibt Staatssekretär in der Mainzer Landesregierung, obwohl die Freien Demokraten in die Opposition gegangen sind.
aus DER SPIEGEL 21/1971

Der eine, Rechtsanwalt Ludwig Hamm, 49, aus Kaiserslautern. diente dem Land Rheinland-Pfalz 13 Monate lang als Staatssekretär (im Wirtschaftsministerium) und bezieht seither eine Staatspension von (derzeit) 4607 Mark. Personalkosten in vier Jahren: 139 000 Mark.

Hamm, ehemals FDP-Mann in Mainz, trat 1969 aus der Partei aus und steht inzwischen »voll und ganz auf dem Boden der CDU«. In der vorletzten Woche wartete er vergeblich auf einen neuen Ruf ins Mainzer Kabinett.

Der andere, Jurist und Volkswirt Hans Friderichs, 39, aus Wittlich, diente dem Land Rheinland-Pfalz 20 Monate lang als Staatssekretär (im Landwirtschaftsministerium) -- jetzt hätte er Anspruch auf eine 4447-Mark-Pension bis zum Lebensende.

Friderichs, noch immer FDP-Mann in Mainz. brüskierte Anfang Mai seine Partei, weil er die Christen-Union und ihren Mainzer Vorsitzenden Helmut Kohl, 41, nicht enttäuschen mochte: Ein Anruf aus der Staatskanzlei sorgte für politischen Wirbel in der Landeshauptstadt. Statt ihn vorzeitig in den Ruhestand zu schicken, behielt Kohl den FDP-Mann Friderichs auf seinem Posten.

Seither regiert im Land der »Reben und Retorten« (Kohl) die seltsamste Koalition, die nach den Landtagswahlen der letzten Monate geschlossen wurde. Hans Friderichs, stellvertretender Vorsitzender der stark dezimierten rheinland-pfälzischen FDP. gehört als letzter deutscher Liberaler einer CDU-Regierung an.

Obwohl der Landeshauptausschuß der Freidemokraten Ende März (mit 41 zu 34 Stimmen) den Austritt aus dem zwanzigjährigen Koalitionsbündnis mit der CDU beschlossen hat, will Friderichs seinen Staatssekretär-Sessel nicht räumen, denn: »Ich gehöre zu denen, die in der Abstimmung unterlegen sind.«

Das Abweichen von der Parteilinie war Friderichs freilich nicht leichtgefallen. Wochenlang fragte der Liberale, der einst fünf Jahre lang -- als FDP-Bundesgeschäftsführer -- seiner Partei den Weg nach links gewiesen hatte, bei prominenten Parteifreunden um Rat, ob er dem Mehrheitsbeschluß der Mainzer Delegierten ohne Schaden für die Partei zuwiderhandeln dürfe. Fazit der Konsultation: »Es hat keiner in Bonn widersprochen.«

Im -- nach Rheinland-Pfalz -- vorerst letzten Wahl-Land Schleswig-Holstein waren den Freidemokraten ähnliche Gewissenserforschungen erspart geblieben. Denn dort konnten sie vor drei Wochen nicht einmal mehr die Fünf-Prozent-Hürde nehmen, nachdem sich die Delegierten-Mehrheit vorher gegen eine Fortsetzung des zwanzigjährigen Bündnisses mit der CDU ausgesprochen hatte.

Und weil »die FDP in Mainz sicher anders votiert hätte, wenn sie gewußt hätte, was in Schleswig-Holstein passiert« (so der Mainzer Regierungssprecher Hanns Schreiner), griff Kohl nach 30 Tagen Wartefrist zum Telephonhörer: »Herr Friderichs, Sie machen weiter.«

Vier Tage später, nach einem Têteà-tête in der Staatskanzlei am Deutschhausplatz, geriet der Liberale prompt in traute Runde: ZDF-Fernsehräte, die sich zum CDU-Freundeskreis zählen, wähnten einen neuen Freund gefunden zu haben, »Das war«, so Friderichs, »natürlich arg komisch.« Doch Kohl, der seinen Gästen sonst immer Wein serviert, ließ bei den Verhandlungen mit dem FDP-Mann die Flaschen im Schrank.

Auch den heimischen Liberalen, die nach der Niederlage vom 21. März fünf verlorenen Mandaten nachtrauern, war nach dem Alleingang ihres Staatssekretärs nicht zum Feiern zumute. Denn was die Partei (1967: 8,3, 1971: 5,9 Prozent) in der neuen Legislaturperiode tatsächlich will -- Koalition oder Nicht-Koalition -- ist den wenigen Anhängern in der Weinprovinz kaum noch plausibel zu machen.

Landesvorsitzender Hermann Eicher ließ verlauten, man habe »die Erklärung des Herrn Dr. Friderichs zur Kenntnis genommen, daß er nach einem für ihn zufriedenstellenden Gespräch mit Herrn Ministerpräsidenten Dr. Kohl nicht um seine Entlassung bitten und sein Amt als stellvertretender Landesvorsitzender zur Verfügung stellen werde«. Vorstandsmitglied Helmut Schäfer befand lapidar: »Die Ära Friderichs ist endgültig vorbei.«

Zweifler, die dem Rechtsabweichler nun sogar den Übertritt zur CDU zutrauen, beschwichtigt Partei-Vize Friderichs: »Ich bleibe FDP-Mitglied.« Schließlich habe er mit seinem Kohl-Arrangement »nur dazu beitragen wollen, die Position der FDP zu verbessern«.

Ob es dem wendigen Linksliberalen mit seinem Alleingang jedoch um die Partei geht oder eher um die eigene Positlon, ist nur schwer auszumachen. Vor der Wahl noch ließ er freche Parolen auf FDP-Buttons ("Kohl bläht«, »Macht den Kohl nicht fett") drucken. Jetzt, da Kohls CDU über die absolute Mehrheit im Landtag verfügt (CDU 53, SPD 44, FDP drei Sitze), gibt sich Friderichs »dem Schicksal eines jeden FDP-Politikers« hin, »daß man immer zum Ruhme eines anderen wirkt«.

Der gegenwärtig parteilose Rechtsanwalt Hamm, der einst zum Ruhme des Kohl-Vorgängers Peter Altmeier gewirkt und auch jetzt auf den Staatssekretär-Posten im Wirtschaftsministerium reflektiert hatte ("Dann wäre ich auch CDU-Mitglied geworden"), darf indessen weiter seine Pension verzehren. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Theo Vondano: »Bei uns fängt man erst mal ganz klein im Ortsverein an.«

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