ISRAEL/IRAN Atomarer Rubikon
Die Angst der iranischen Mullahs vor einem Angriff Israels erhält neuen Nährboden. Nach Informationen internationaler Experten wurde der israelische Geheimdienst schon vor zwei Monaten angewiesen, Angriffspläne gegen iranische Atomanlagen auszuarbeiten. Eine Spezialeinheit des Mossad legte jetzt in Jerusalem Szenarien vor, wie Teherans Nuklearprogramm militärisch ausgeschaltet werden könnte - danach müssten in einer Nachtund-Nebel-Aktion mehr als ein halbes Dutzend Ziele von F-16-Kampfbombern angeflogen und »gleichzeitig sowie vollständig zerstört« werden. Der Geheimdienst nennt die Logistik eines solchen Unternehmens »äußerst schwierig«, die Probleme seien aber bei Tiefflug und entsprechender Vorbereitung »technisch zu bewältigen«. Mit dem gewaltigen politischen Fallout einer solchen Attacke befasst sich der Mossad indes nicht - das ist Sache der Politiker. Dass sich Ministerpräsident Ariel Scharon überhaupt mit dem riskanten Szenario eines völkerrechtswidrigen Angriffs beschäftigt, beruht auf der Erkenntnis, dass Teheran an der Schwelle zur Nuklearmacht steht. Nach Einschätzung israelischer Experten ist Iran gerade dabei, »den Rubikon Richtung Atomwaffe zu überschreiten«, und zwar mit Hilfe pakistanischer und nordkoreanischer Experten sowie deren Materiallieferungen. An zwei Orten wird demnach im Endstadium daran gearbeitet, Uran durch Anreicherung waffenfähig zu machen. Die Israelis behaupten, von drei weiteren, der internationalen Gemeinschaft bisher noch völlig unbekannten iranischen Anlagen zu wissen. Deshalb sind sich Fachleute sicher, dass die iranische Regierung den von der Uno geforderten Auflagen der Internationalen Atomenergiebehörde nicht folgen werde. »Sie können das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnen«, sagt ein israelischer Sicherheitsexperte zum SPIEGEL. »Sie müssten bei unangekündigten Besuchen Angst vor peinlichen Entdeckungen haben und werden deshalb mit allen Mitteln versuchen, solche Kontrollen hinauszuzögern oder sie mit Einschränkungen zu versehen.«