JUGOSLAWIEN / STAATSSYMBOLE Auf, ihr Slawen
In Zagreb spielten Jugoslawen gegen Japaner Pingpong. Zum Beginn des Länderkampfes sollte aus den Lautsprechern Jugoslawiens Staatshymne »Auf, ihr Slawen« ertönen.
Doch die Sportfans hörten eine andere Melodie: »Unsere schöne Heimat.« Damit begann ein Länderkampf unter den Teilrepubliken des jugoslawischen Vielvölkerstaats: Das »Heimat«-Lied ist die Hymne des Bundeslandes Kroatien. Wer sie singt, berührt Nationalgefühle im benachbarten Bundesland Serbien.
Zeitungen der Bundeshauptstadt Belgrad, die in Serbien liegt, wetterten über den »politischen Skandal« oder mindestens einen »peinlichen Irrtum« in der Kroaten-Hauptstadt Zagreb. Denn in der deutschen Besatzungszeit war »Unsere schöne Heimat« die Hymne des faschistischen »Unabhängigen Staates Kroatien« und seines »Poglavnik« (Führers) Pavelic. Wer sie intoniert, will sich bei kroatischen Nationalisten einschmeicheln, vermutete die Beigrader Zeitung »Vecernje Novosti« und forderte strenge Bestrafung der Schuldigen.
Schirmherr des Tischtennis-Turniers war Srecko Bijelic ein führender kroatischer Kommunist: Die kroatischen Kommunisten verlangen mehr Unabhängigkeit von der Zentrale Belgrad.
Die in Zagreb erscheinende Wochenzeitung »Vjesnik u srijedu« ("VUS") fand denn auch den »technischen Fehler« -- vertauschte Tonbänder nicht so schlimm und die »Heimat«-Hymne sehr schön. Jugoslawiens Staatslied »Auf, ihr Slawen« dagegen erinnere sehr an den Panslawismus die Ideologie vom Primat der Slawen und ihrer Einheit (unter russischer Führung).
Der Komponistenverband veranstaltete ein Preisausschreiben für eine neue Hymne. »VUS« aber weitete den Streit um die Symbole aus auf Jugoslawiens Staatsfarben Blau-Weiß-Rot: Die Fahne (heute durch einen roten Stern angereichert) war 1918 mit der Gründung des ersten Jugoslawenstaats eingeführt worden. Dieser Staat, der anfangs »Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen« hieß, wurde von den Serben beherrscht. »VUS« forderte, in Zukunft auch die Symbole der anderen Teilstaaten Jugoslawiens zu zeigen,
Im November übernahm die Sammelorganisation »Sozialistische Allianz der Werktätigen« diese Forderung: Es sei »das volle Recht von Einzelpersonen, Angehörigen der Nationalitäten, Gruppenorganisationen und anderen Selbstverwaltungs-Gemeinschaften, in ihren Landesteilen ... die Flagge ihrer Nationalität zu hissen«.
Bis vor kurzem wurden beispielsweise Angehörige der albanischen Minderheit im Gebiet Kosovo und in Mazedonien bestraft, wenn sie die albanische Flagge aufzogen.
»VUS« griff sogar die Nummernschilder der jugoslawischen Kraftfahrzeuge an. Auf ihnen ist neben dem Kennzeichen der fünfzackige rote Stern eingeprägt.
Diese Zwangsfusion zwischen der Arbeiterbewegung und den Eigentümern von Autos sei, so befand »VUS«, »vulgär«.