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TORPEDO WERKE Auf Sparflamme

aus DER SPIEGEL 43/1966

Eine Woche lang mußte die Direktion

der Frankfurter Torpedo Büromaschinen Werke AG drei Stenotypistinnen an Sondertelephonen postieren, um mehrere tausend Nachfragen zu erledigen. Die Anrufer bestellten keine Ware,

sondern verlangten nach frei werdenden Fräsern, Drehern und Feinmechanikern.

Die angeschlagene Gesellschaft entläßt bis Weihnachten den größten Teil ihrer Belegschaft - 700 Mitarbeiter. 200 sind bereits in den letzten Monaten ausgeschieden. Mit knapp 140 Mann soll sich der ehemalige Großbetrieb, der noch vor zehn Jahren 2100 Leute beschäftigte, gesundschrumpfen. Vielleicht wird aber auch diese Sparflamme sehr bald verlöschen.

Torpedos Niedergang ist typisch für den Abstieg eines 70 Jahre alten deutschen Unternehmens, das als Satellit einer großen New Yorker Industriegruppe, der Sperry Rand Corporation, in letzter Zeit immer mehr auf die Schattenseite des Großkonzerns geriet. Für Sperry Rand (5,1 Milliarden Mark Konzernumsatz) verlor das 1933 erworbene ehemalige Fahrrad- und Schreibmaschinenunternehmen im Zeitalter der Weltraumfahrt und Elektronenroboter an Bedeutung. In Glanzzeiten brillierte Torpedo als Kurskomet des Börsenhimmels mit 5000 Punkten, heute sind die Torpedo-Aktien nicht mehr gefragt.

Bis 1958 hatte die Firma mit ihren gängigen mechanischen Schreibmaschinen viel Geld verdient. Der Vorstand fühlte sich auf dem Gewinnpolster so sicher, daß er die technische Entwicklungsarbeit vernachlässigte. In dieser satten Ruheperiode erwuchs den Torpedo-Amerikanern aber in Wilhelmshaven eine mächtige Konkurrenz. Dort brachte die Olympia Werke AG - heute mit 14 200 Arbeitern und Angestellten Westdeutschlands größter Büromaschinenfabrikant - bereits 1959 preiswerte Elektro-Schreibmaschinen heraus.

Als dann der Fürther Tontruhen -Millionär Max Grundig nach dem Erwerb der. Triumph- und Adlerwerke mit Schreibmaschinen und elektrischen Hilfsgeräten ebenfalls in die Bürobranche vorstieß, verlor Torpedo immer mehr an Fahrt.

Erst 1962 starteten die Frankfurter nach sechsjähriger Konstruktionsarbeit ihr erstes elektrisches Schreibmaschinen-Modell. Der Spätling bot keine besonderen technischen Vorzüge, aber er kostete mehr als jedes andere Modell der Konkurrenz: 1895 Mark die Normalausführung und 1685 Mark der vereinfachte Typ:

Bald häuften sich die unverkauften Torpedo-Tipper im Fabriklager. Bei erbitterten Wettbewerbskämpfen zog Torpedo stets den kürzeren, denn die in Massenserien produzierende Konkurrenz konnte ihre Maschinen zu Preisen verkaufen, die zum Teil unter den Herstellungskosten des deutsch-amerikanischen Zwitters lagen.

Auffallend spät versuchte der New Yorker Großaktionär, durch Führungswechsel Torpedo wieder auf einen günstigeren Kurs zu bringen. Fast jedes Jahr wurde der Vorstandsvorsitzer abgelöst, aber einen erstrangigen Manager schickte Sperry Rand nicht nach Frankfurt.

Die Fluktuation in der Führungsspitze brachte noch mehr Verwirrung ins Werk, das schließlich durch einen Organschaftsvertrag mit der Frankfurter Remington Rand GmbH - einer lukrativen Tochter des Sperry Rand -Unternehmens - verbunden wurde. Sie erzielt mit Computern, Elektro-Rasierern und Mikrofilmgeräten hohe Gewinne und glich die steigenden Torpedo-Verluste - in den vergangenen fünf Jahren 18,7 Millionen Mark - großzügig aus.

Mittlerweile wurde den Amerikanern das alimentierte Aschenbrödel aber doch zu lästig. Sie hatten bei Ausbruch der Torpedo-Krise eine hochmoderne Büromaschinenfabrik in Holland errichtet und warteten nur auf einen Abschwung der westdeutschen Konjunktur, um dann mit weniger Geschrei rechnen zu können, wenn sie die schon lange geplante Flurbereinigung bekanntgaben.

Anfang Oktober war es dann soweit. Mehrere Betriebsabteilungen wurden stillgelegt. Die kleine. Restbelegschaft soll im nächsten Jahr nur noch elektronische Buchungs- und Fakturiermaschinen fertigen. Außerdem wird die Firma als Vertriebsgesellschaft jene Schreibmaschinen verkaufen, die der Konzern in seinem modernen holländischen Betrieb unter der Marke Remington rationell herstellen läßt.

Um die Kritik der Industriegewerkschaft Metall zu dämpfen, zog der derzeitige Vorstandsvorsitzer Malcolm Gordon Mann mit höchster Genehmigung einen noblen Schlußstrich unter die Massenentlassung: Altgediente Torpedo-Arbeiter über 60 Jahre erhalten nach dem Ausscheiden eine Betriebsrente, auch wenn sie eine andere Stelle annehmen. Die Werkwohnungen werden zwei Jahre lang nicht gekündigt.

Torpedo Werke in Frankfurt: Entlassungen bis Weihnachten

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