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ÖSTERREICH / STAATSBESUCHE Aufbruch im Sacher

aus DER SPIEGEL 42/1956

Den jüngeren Protokollbeamten des Du österreichischen Außenministeriums wurde dieser Tage eine heikle Aufgabe zuteil. Sie sollen sich einfallen lassen, wie man ausländischen Potentaten den Besuchsaufenthalt auf österreichischem Boden befriedigender gestalten könne.

Den Anstoß zu diesen Bemühungen hatte der Besuch des indonesischen Staatspräsidenten Sukarno in Wien gegeben. Der hohe Herr war nach einem kurzen Aufenthalt im September recht unzufrieden aus der Stadt an der Donau abgereist. Vor allem hatte ihn enttäuscht - wie sein Protokollchef bemängelte -, daß die gemeinhin ob ihrer Gewandtheit berühmte österreichische Diplomatie nicht in der Lage gewesen war, Wünsche zu erfüllen, die sich auf einen näheren Kontakt mit der Gesellschaft - genau gesagt: mit Damen der Wiener Gesellschaft - bezogen.

Der in Sukarnos unmutiger Abreise enthaltene Vorwurf ist für die österreichische Diplomatie um so kränkender, als Wien seit alters her und bis in die jüngste Zeit hinein bei hohen ausländischen Besuchern gerade auf dem Gebiet vorurteilsfreier Geselligkeit stets sehr geschätzt worden ist.

Mit einer gewissen fachmännischen Verachtung sahen zu Großdeutschlands Zeiten Diplomaten österreichischer Herkunft auf die barbarischen Methoden herab, derer sich auf diesem Gebiet etwa Berliner Stellen bedienten. Dort hielt man sich, um Staatsgäste zu unterhalten, eine Truppe einschlägig geschulter Gesellschafterinnen.

In Wien dagegen zieht man es seit Metternichs Zeiten vor, die Erfüllung galanter Fürsten- und Präsidentenwünsche der förderlichen Atmosphäre von Bällen und Theaterbesuchen oder der Wirkung des Champagners zu überlassen. Man setzte dabei nicht zuletzt auch einiges Vertrauen in das zutrauliche Gemüt der Damen der Wiener Gesellschaft, eine Hoffnung, die - wie die Zufriedenheit, mit der etwa einst Zar Alexander oder in jüngerer Zeit der französische stellvertretende Hochkommissar Lalouette von Wien schieden - offensichtlich nicht unbegründet war.

Dem Präsidenten Sukarno dagegen waren diese traditionellen Wiener Gepflogenheiten entweder unbekannt oder hinsichtlich der Erfolgsaussichten zu ungewiß - fest steht jedenfalls, daß der Protokollchef des indonesischen Staatsoberhauptes den politischen Leiter des Wiener Außenamtes, den Botschafter Josef Schöner, ohne weitere Umschweife mit der Tatsache konfrontierte, der hohe asiatische Herr wünsche durch eine Dame der Gesellschaft mit den Sitten des Gastlandes vertraut gemacht zu werden.

Botschafter Schöners Einwand, daß solches Vorgehen nicht Landesbrauch sei, verschlug wenig. Im Gegenteil: Der Indonesier unterstrich, daß der diesbezügliche Wunsch des Präsidenten bei seinen sonstigen Besuchen europäischer Hauptstädte nicht auf Unverständnis gestoßen sei, auch in Moskau nicht, und auch nicht in Belgrad.

An dieser Stelle des Gesprächs verfiel Botschafter Schöner - wie glaubhaft berichtet wird - in seinen, dem Indonesier unverständlichen. Heimatdialekt. »Jo«, soll er von den Bräuchen bei Osterreichs Nachbarn gesagt haben, »die hob'n halt mehr Parteidisziplin:«

Die indonesisch-österreichischen Verhandlungen endeten in einer Atmosphäre unerquicklicher Meinungsverschiedenheiten, die sich dann auch deutlich bei den Veranstaltungen zu Ehren des Besuchers abzeichnete.

Staatspräsident Sukarno verließ eine Aufführung von »Aida«, der er als Gast der Regierung beiwohnte, bereits nach einer halben Stunde, hielt kaum dreißig Minuten lang bei einem Festessen aus, das Außenminister Leopold Figl für ihn im Hotel »Sacher« veranstaltet hatte, wurde aber dafür im Nachtlokal »Moulin Rouge« und bei der Vorstellung einer Schönheitstänzerin im »Maxim« gesichtet.

Bei diesen Unternehmungen erkannte er zwar die Weisheit des Ballhausplatzes, der vorausgesehen hatte, daß ein ausländischer Gast eigene Initiative nicht zu beklagen haben werde, doch blieb der Besucher aus Indonesien über die Mißachtung seines Wunsches pikiert.

Er versagte der Presse die übliche Pressekonferenz, erschien nicht zu dem vorgesehenen Besuch des gewaltigen Donau -Stauwerks Ybbs-Persenbeug und reiste 24 Stunden vor dem festgesetzten Termin ab. Nach Prag, das wegen seiner Parteidisziplin hochberühmt ist.

Präsident Sukarno

Dann ging er zum Maxim

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