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Briefe

AUFKLÄRUNG
aus DER SPIEGEL 18/1969

AUFKLÄRUNG

(Nr. 15/1969, Titel »Versagt die Kripo?")

Eine der Hauptursachen für die rückläufige Tendenz der Verbrechensaufklärung haben Sie nur beiläufig erwähnt, wobei ich annehmen möchte, daß Sie es nicht deswegen taten, weil die Behebung dieser Ursache finanzielle Mittel erfordern würde und daher unpopulär ist. Ich meine die chronische Unterbesetzung, den Personaimangel der Polizei. Trotz häufiger gegenteiliger Darstellungen ist er eines der Grundübel der negativen Entwicklung in der Verbrechensbekämpfung.

Ottweiler (Saarland) GERALD LAUERMANN

Polizeikommissar

Zum Beispiel verhindert eine starre Dienstzeit die optimale Erfolgschance in der Verbrechensbekämpfung. Zum anderen zwingt die Masse der zu bewältigenden Vorgänge den einzelnen Kripo-Beamten, von der Bearbeitung zur bloßen Verwaltung überzugehen. Wer aber soll erfolgreich ermitteln, wenn seine Arbeitszeit durch die erzwungene »Verwaltungsarbeit« ausgefüllt und seine Arbeitskraft gebunden ist? Alarmieren Sie mal um 2.30 Uhr einen jungen Kripo-Mann, der weder Telephon noch Auto besitzt und 20 Kilometer vom Dienstort entfernt wohnt!

Heiligenhaus (Nrdrh.-Westf.) GERHARD PETER

Kriminal-Obermeister

Dienststellenleiter, um das Wohl ihrer Mitarbeiter bemüht, begeben sich wie Bettelmönche zu anderen, besser gesegneten Behörden und zu polizeifreundlichen Industriebetrieben, um dringend benötigtes Büromaterial, das von der Verwaltung einfach nicht beschafft wird, zu bekommen. Daß beispielsweise die stark frequentierten Polizeidiensträume, die zudem in der Regel gar nicht mehr ausreichend sind, mit vorsintflutlichem Mobiliar ausgestattet sind und bezüglich des Anstrichs und der Tapeten Asozialenunterkünften ähneln, nicht gerade dazu geeignet sind, ein gutes Betriebsklima aufkommen zu lassen, dürfte sich von selbst verstehen.

Moers (Nrdrh.-Westf.) PETER BUSSMANN

Polizeikommissar

Deutschlands Kripo rekrutiert sich fast ausschließlich aus Idealisten -- in jeder Hinsicht! Muß die Kripo da nicht versagen (verzagen)???

Ibbenbüren JÜRGEN MITSCHKE

In einer Diskussion mit Polizeibeamten erfuhr ich, daß die Wirklichkeit nicht hinter der von Ihnen abgedruckten Karikatur aus dem »Vorwärts« zurücksteht. Nicht nur, daß die Ausrüstung der Polizei-Büros weit hinter der der Kommune oder gar der Bundeswehr zurücksteht: Gegen Jahresende kommt es immer wieder zu Streichungen in den einzelnen Haushaltsplänen, so daß manchmal einfachste Hilfsmittel für eine erfolgreiche Arbeit fehlen. So fehlte der hiesigen Kripo das Photopapier, Wagen der Polizei standen mangels einwandfreier Reifen ungebraucht herum, Polizisten fuhren mit Privatwagen auf Verbrecherjagd.

Celle (Nieders.) ANNEUS BUISMAN

Die Titelgeschichte »Versagt die Kripo?« trifft den Nagel auf den Kopf. Mit diesem Problem befaßt sich seit geraumer Zeit der neugegründete »Bund Deutscher Kriminalbeamter«, der endlich einmal aus der Sicht der Kriminalpolizei heraus die in Ihrem Bericht geschilderten Zustände anprangern will. Beschämende Versager, wie die jahrelange Verfolgung des flüchtigen Bruno Fabeyer, müssen durch zukunftsweisende Organisations-, Beschulungs-, Gesetzes-, Ausrüstungs- und besoldungspolitische Maßnahmen unmöglich gemacht werden.

Bundestag und Länderparlamente, der Arbeitskreis II der Innenminister, die Presse, die Öffentlichkeit, die Demoskopie-Institute, aber auch die NPD interessieren sich in zunehmendem Maße für die Frage: »Versagt die deutsche Kripo?« Einerseits bedauern führende Kriminalisten, wie der BKA-Chef oder leitende Fachleute aus Düsseldorf, München, Nürnberg, Hamburg und Berlin, die derzeitige Organisation, die Personalstärke, aber auch die unzureichende technische Ausstattung der Kripo-Dienststellen. Andererseits ist unverkennbar, daß die nach dem Reichskriminalpolizeigesetz von 1922 unglücklicherweise erst durch die Nazis eingeführte zentrale Ausrichtung der Kripo, ihre einheitliche Beschulung, übersichtliche Organisation und zweckentsprechende Beschaffung von Geräten, vorteilhafter, zweckmäßiger und in den Augen der Kriminalpolizeien anderer Länder auch »vorbildlich« war. Daher müßte die Zeit jetzt endlich gekommen sein, dem kriminalpolitisch überspitzten Föderalismus ein Ende zu bereiten und Maßstäbe für die Bekämpfung der Kriminalität bis zum Jahre 2000 zu setzen.

Dem deutschen Volke waren der äußere wie der innere Feind bisher stets ein Greuel. Nachdem wir seit nunmehr 15 Jahren Unsummen in den Aufbau der Bundeswehr gesteckt haben, ist es an der Zeit, jetzt einmal in verstärktem Maße finanzielle Spritzen in den Aufbau einer modernen und schlagkräftigen deutschen Kriminalpolizei zu pumpen.

Dem SPIEGEL gebührt Dank für seinen mutigen Beitrag und die Offenheit, mit der er diese nicht mehr aufschiebbaren Probleme ansprach.

Kiel FRIEDHELM POLLMANN*

Der Kripo-Artikel ist amüsant, vielseitig und lehrreich, nur wird das

* Kriminalhauptkommissar, Fachlehrer an der Landespolizeischule Eutin und stellvertretender Bundesvorsitzender des »BDK«.

wirkliche Hauptproblem der Kriminalität schamhaft übergangen: die Anonymität des Geldes! Jedes Kind weiß doch, daß bei fast allen schweren Delikten das anonyme Geld direkt oder indirekt im Mittelpunkt der Bemühungen unserer Kriminellen steht.

Solange ein gestohlener Geldschein den gleichen Kurswert hat wie ein normal erworbener, solange also das Geld ein Anspruch an die Volkswirtschaft ist, der jeder Kontrolle entzogen ist, darf man sich nicht wundern, daß durch dieses anonyme Geld ein Selektionsprozeß zugunsten aller labilen Charaktere und aller Kriminellen ausgelöst wird.

Karlsruhe OSCAR HAGEMANN

Es ist gut, daß Sie in Ihrem Leitartikel über die Polizei die Gewichte richtig verteilt haben. Problem Nummer eins ist tatsächlich die Eigentumskriminalität. Ergänzend dazu ist noch zu bemerken, daß trotz der Wohlstandsgesellschaft die Sorgfaltspflicht vieler Bürger zu wünschen übrig läßt. Die Beamten können Bände davon erzählen, was zum Beispiel alles in nicht verschlossenen Kraftfahrzeugen zum Diebstahl reizt. Ähnlich verhält es sich mit Selbstbedienungsläden, wobei das Wort »Selbstbedienung« mißverstanden wird. Ohne die Hilfe der Bürger wird es jedenfalls auch der besten Polizei nicht möglich sein, den Anstieg der Kriminalität zu stoppen.

Hamburg Da. JÜRGEN FRENZEL

Staatsrat

Bezugnehmend auf Ihren Artikel »Versagt die Kripo?« darf ich Ihnen mitteilen, daß neben den von Ihnen genannten Mißständen einige weitere Faktoren für die ständig zurückgehende Aufklärungsquote der Verbrechen und Vergehen von ursächlicher Bedeutung sind. Erwähnung verdient hier in erster Linie das völlig veraltete System der Dienstgradeinteilung und der damit verbundenen Beförderungen. Es ist der ideale Nährboden für Neid und Intrigenspiel und hat zur Folge, daß Teile der Beamtenschaft heftiger gegeneinander kämpfen als gegen die Flut der zunehmenden Straftaten. Hierzu kommt das um sich greifende Unbehagen -- vor allem jüngerer Kriminalbeamter -- gegen eine oftmals patriarchalisch-autoritäre Führung, die durch geistige Bevormundung die Eigeninitiative erheblich beschränkt. Zu welcher Einstellung

* 1964 bis 1968 Polizeipräsident von Hamburg, jetzt Staatsrat in der Justizbehörde.

Charakter unserer im Bundesgebiet begangenen Straftaten. Die in Nordrhein-Westfalen seit Oktober 1967 feinzerlegte Kriminalitätsmasse beweist: Hunderttausende von Straftaten haben Bagatelleinschlag. Auch Fachleute hören das ungern! Von der Gesamtdiebstahlskriminalität (1968) in Nordrhein-Westfalen -- etwa 400 000 Fälle -- sind 58 Prozent (231 000) leichte/schwere Diebstähle mit einem Beutewert bis 100 Mark zuzüglich der mißlungenen Diebes-Unternehmen (Versuche). Bei diesem Ergebnis -- von anderen Resultaten ganz zu schweigen -- fehlt der gern zitierte Schreckenseffekt des Verbrechens.

Falsch ist auch der Eindruck, den Ihre Titelseite hervorruft, wonach die Kriminalpolizei das Verbrechen allein bekämpft! Die von Bundes- und Landesgesetzen gewiesene Aufgabe nehmen beide Dienstzweige, uniformierte wie Kriminal-Polizei, bundeseinheitlich wahr. Die gescheiterten Einbruchs- und Raubaktionen beispielsweise gehen häufig auf das Konto der als »Sonntagspolizei« verhöhnten Funkstreifen der Schutzpolizei.

Düsseldorf DR. OSKAR WENSKY

Leitender Kriminaldirektor

Richtig ist, daß der gesamte polizeiliche Apparat nicht nur im Zuge der allgemeinen Entwicklung In verschiedenen Punkten verbessert und vervollständigt werden muß, sondern daß eine Neuorientierung unserer gesamten Arbeitsweise vonnöten ist und gewissermaßen ein qualitativer Absprung von der bisherigen Ebene vollzogen werden muß. Diese Planungen bedürfen einer eingehenden Analyse des gesamten Aufgabenbereichs, die eine Prognose mit einschließt. In diesem Zusammenhang warne ich mit großem Nachdruck vor dem Glauben an irgendeine Zauberformel, heiße sie nun Computer, Zentralisierung oder sonstwie. Die Probleme einer Neuorientierung und Umstrukturierung unserer polizeilichen Arbeit sind so umfassend, daß sie nicht mit einem Schlagwort gelöst werden können.

Was unter vielem not tut, ist eine Verdichtung des Erkenntnisaustausches zwischen den einzelnen Polizeidienststellen. In der Praxis ist dies primär keine Unterstellungsfrage, sondern ein funktionelles und dabei ein bürotechnisches Problem, insbesondere auch eine Frage des heißbegehrten Computers beim BKA und der von Ihnen ebenfalls angezogenen Bildübertragungsgeräte. (Beides wird kommen, die Bildübertragungsanlagen zuerst.)

Mannheim DR. STÜMPER

Polizeipräsident

Die gesamte Kripo sollte dem Bundeskriminalamt unterstellt werden. Ein polizeieigenes Fernsehen, welches nur von Polizeidienstelien empfangen werden kann, könnte zur schnellen Übermittlung von Suchmeldungen beitragen. Außerdem sollte die Fingerabdruck-Kartei auf alle Bewohner der Bundesrepublik ausgedehnt werden.

Hamburg WERNER GROTE

Ihre Zeitschrift ist eine wahre Fundgrube neuzeitlicher Schildbürgerstreiche. Verbrecherfahndung per Briefpost! Wir haben in der Bundesrepublik eine zentrale VerkehrssUnderkartei, aber keine zentrale Verbrecherkartei. Für den Fall, daß eine solche kommen sollte: Flensburg ist besetzt, aber Passau ist noch frei. So ließe sich der Eindruck von politischem Zentralismus verhüten.

Datteln (Nrdrh.-Westf.) LEOPOLD J. SCHNEIDER

Abhilfe wäre möglich, wenn die Polizei oder das Gericht von vornherein solche Leute (Verbrecher) In Sicherheit hält, die in ihrer Jugend schon als Kriminelle und unbeeinflußbar galten.

Düsseldorf CHRISTIANE BUGUSTYIAK

35 000 Täter gesucht! Das hat es bei Adolf nicht gegeben!

Dörnigheim (Hessen) KURT RÖMER

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