Die türkische Justiz holte zum Schlag gegen Regimekritiker aus: Wegen »Verstoßes gegen das Kriegsrecht« erhob die Militärstaatsanwaltschaft in Ankara Klage gegen 56 Intellektuelle. Sie gehören zu einer Gruppe von 1260 Wissenschaftlern, Künstlern und Schriftstellern, die Mitte Mai ein Manifest unterzeichnet hatten, das erstmals innerhalb der Türkei die Beschneidung der Menschenrechte, die Todesstrafe und die Folter anprangerte. Die linksliberale Zeitung »Cumhuriyet« und die Wochenzeitschrift »Nokta« veröffentlichten das Manifest mit den Namen der Unterzeichner; sie wurden wenig später zum Verhör geladen. Prominentester Angeklagter ist der Schriftsteller Yasar Kemal, dessen sozialkritischer Roman »Memed, mein Falke« vom britischen Regisseur und
Schauspieler Peter Ustinov verfilmt wurde. Die Regimekritiker müssen mit Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten rechnen. Die übrigen 1200 erwarten später ihre Anklage.