MÜNCHEN Auge des Gesetzes
Seit drei Monaten wacht an einer unfallträchtigen Straßenkreuzung in
München eine automatische Kamera als Auge des Gesetzes. Sie knipst bei Tag und Nacht - jeweils zweimal, wenn ein Kraftwagen bei Rot über die Kreuzung fährt.
Zwar äugen solche Elektronik-Kameras auch in anderen westdeutschen Großstädten, aber so tüchtig wie der Münchner Verkehrswächter ist keine: An der Leopoldstraße, der Aorta Schwabings, identifiziert die Kamera je Woche durchschnittlich 250 Rotlichtsünder.
Die Stadt hat sich das Unternehmen etwas kosten lassen: 15 000 Mark für die Kamera, weitere 5000 Mark für die Meßstellen-Ausrüstung. Film- und Entwicklungskosten für jedes Sünden-Bild: 2,50 Mark. Für die Auswertung der Photos mußten sich Beamte spezialisieren. Polizeipräsident Manfred Schreiber: »Damit sind mathematisch 1,5 Mann von meinen Leuten voll ausgelastet.«
Aber all der Aufwand bringt der Stadt München nichts ein: Die von der Kamera registrierten Verkehrssünden müssen durchweg mit Strafbefehlen geahndet werden - und die streicht die Justizverwaltung ein. Schreiber: »Dabei hat die Stadt soviel investiert, aber kassieren tut der Staat.«
Ende vorigen Monats - die Kamera -Bilanz stand gerade auf 2026 Delinquenten - wollte Stadtrat Werner Veigel wissen, ob nicht wenigstens ein Teil des Geldes dem Münchner Kämmerer zugeschanzt werden könne: über gebührenpflichtige Verwarnungen, die von der Polizei kassiert werden dürfen.
Aber es stellte sich heraus, daß es sich fast durchweg um Delikte handelt, die für eine gebührenpflichtige Verwarnung zu massiv sind. Und wo die theoretischen Voraussetzungen zutreffen, mangelt es an praktischen Möglichkeiten: Bei der gebührenpflichtigen Verwarnung muß »der Täter auf frischer Tat« ertappt werden. Schreiber: »Bis der Film entwickelt ist, ist die Tat nicht mehr so ganz frisch.«
Angesichts des rein staatlichen Profits an den Sünder-Bildern haben Münchens Verkehrshüter vorerst darauf verzichtet, weitere Kameras zu installieren. Statt dessen will Polizeichef Schreiber mit einem weniger kostspieligen Trick Münchens Automobilisten zur Beachtung der Verkehrsampeln erziehen: An zehn verkehrsreichen Kreuzungen sollen leere Kamera-Gehäuse den Kraftfahrern eine Photokontrolle vortäuschen. Die einzige Originalkamera wird mal hier, mal dort eingesetzt - nach einem Geheimplan.
Münchner Verkehrskontroll-Kamera (link
Standort (Leopoldstraße): Aufnahme bei Rot