Martin Morlock AUS DER LINKE HAND
Seit es der Christlich-Demokratischen Union Herzenswunsch ist, aus ihrer vormals lockeren Interessengemeinschaft zur Wiederwahl Konrad Adenauers eine der SPD vergleichbare Mitgliederpartei zu schmieden, glänzt sein Ruhmesschild.
Beim Parteitag in Hannover, wo Karlheinz Hezinger, 42, Unionsmitglied seit September vorigen Jahres, als bislang erfolgreichster CDU -Einzelwerber gefeiert wurde, waren es 85 Neuzugänge, die er durch Überzeugungskraft verursacht hatte; als ich ihn die Woche darauf besuchte, waren es schon 91. Schwabe Hezinger: »Sowas machet mir aus der linke Hand!«
Das Werbegenie im Alltag aufzuspüren, ist nicht schwer: Tagsüber kann einen jedes Stuttgarter Kind zu ihm führen, nachts weisen die blinkenden Positionslichter einer noch kunstflugtauglichen US-Militärmaschine vom Typ »Fairchild Cornell« den Weg. Hezinger hat sie, um monatlich 150 Mark Hangarmiete zu sparen, auf dem Flachdach seiner Esso-Tankstelle in der Haußmannstraße installiert.
Der Reklame-Gag enträt nicht der Symbolik: Flugzeuge hatten den Maschinenbauingenieur, Sohn eines Stuttgarter Kraftfahrzeugmechanikers, ins Nachkriegsgeschäft gebracht: »Ich hielt oft
an die 20 zugelassene Maschinen auf Lager, und die Amerikaner beobachteten mich voller Mißtrauen. Sie glaubten, ich verschiebe die Dinger in den Ostblock.«
Der Handel mit Flugzeugen führte ihn rund um die Welt, am häufigsten nach Brasilien, von wo aus er vier Einbaum-Expeditionen zum oberen Amazonas unternahm. Und Flugzeuge verkauft er, selbst begeisterter Amateurpilot, noch heute.
Vor allem jedoch hält er Straßenverkehrsmittel der Firmen Ford und Hanomag sowie Baumaschinen, Motorboote und amphibische Gefährte feil. Daneben betreibt er ein Restaurant namens »Ritterkeller«, eine Großtankstelle nebst 20-Betten-Motel, beides in Bad Vilbel bei Frankfurt, und ist Eigentümer von ("Warten Sie mal, ich muß nachzählen") neun Appartement-Häusern amerikanischer Prägung. »Alles drin. Der Mieter braucht nur die Zahnbürste mitzubringen.«
Auch solches tätigt Karlheinz Hezinger aus der linken Hand. »Meine Hobbys sind alle mit Geldverdienen verbunden.«
Sein Beitritt zur CDU war eine Folge des vorjährigen Metallarbeiterstreiks
in Baden-Württemberg. Die ernsteste, ohne Zweifel. Hezinger: »Da habe ich gemerkt, das wird wirtschaftlich zu gefährlich. Man sagt, wir Schwaben werden erst mit 40 Jahren gescheit bei mir hat's eben ein Jahr länger gedauert.«
Und seine Werbemethoden?
»Ich spreche die Leute einfach an, Bekannte und Fremde, und statt über Frauen, Wetter oder Kino zu schwätzen, reden wir über die CDU. Manchmal wähle ich auch irgendeine Telephonnummer.«
Als Kompetenz-Beweis dient ihm seine reiche Auslandserfahrung: Überall, wo es einen Rutsch nach links gegeben habe, so erzählt er den potentiellen Parteigängern, sei es »wirtschaftlich schwierig« geworden oder mindestens zur Stagnation gekommen. »Das leuchtet jedem ein.« »Mit welchem Argument, beispielsweise, würden Sie mich für die Union zu gewinnen versuchen? »
»Zu Ihnen würde ich sagen: Denken Sie an all das, was die CDU geleistet hat, und stellen Sie sich vor, was Ihr Herr Augstein davon halten würde, wenn plötzlich, nach 15 erfolgreichen Jahren, ein Drucker zu ihm käme und erklärte: 'So, jetzt gebe ich mal den SPIEGEL heraus.'«
Und seine, Hezingers, Erfindung, die blau-gelbe CDU-»Bekennernadel«?
Sie soll, belehrte er mich, Gesinnungsgefährten einander kenntlich machen und zu zweckvollem Zwiegespräch ermuntern.
»Es braucht sich doch keiner zu genieren, daß er bei der CDU ist!«
Was Hezinger zu solcher Werbewirksamkeit beflügelt, ist weniger die christliche Taube auf dem Dach als der Spatz in der Verdienerhand.
»Ich bin Geschäftsmann«, sagt er, »und interessiere mich gar nicht so sehr für Politik. Ich kenne nicht einmal alle unsere Programmpunkte. Eigentlich steht mir die FDP näher, aber als nüchtern denkender Mensch sage ich mir: Sie hat gegen die SPD keine Chance.«
Als ich den Überzeuger nach dreistündigem Gespräch verließ, pries ich mich glücklich, weder eine Boeing 707 noch eine Baumaschine mein eigen zu nennen. Außer dem bohrenden Wunsch nach einem, mir zum Vorzugspreis angebotenen, »Amphicar« nahm ich nur die winzige blau-gelbe Nadel mit.
Hezinger: »Aber nicht anstecken, bevor Sie beigetreten sind!«
Hezinger