NATO Aus Gesundheitsgründen
Nato-Generalsekretär Dirk Stikker, 67, der Mitte Juli sein Amt niederlegen wird, will schon am 1. September in den Vorstand der Königlich-Holländischen Petroleumgesellschaft eintreten.
Gesund genug, in der Privatwirtschaft einen Vorstandsposten zu übernehmen, ist er zu krank, noch-länger Nato-Manager zu sein. Das wiederum zeigt, wie krank die Nato ist.
Die durch General de Gaulle angeschlagene Organisation benötigt jetzt an ihrer Spitze einen voll aktionsfähigen Mann, weil Frankreich auf eine Reform des Atlantik-Paktes drängt.
Stikker, der bei seinem Amtsantritt als Nachfolger des gegenwärtigen belgischen Außenministers Spaak 1961 verkündete: »Ich werde danach streben, daß das Wort Krise im Hinblick auf die Nato aus der Weltpresse verschwindet«, ist aus Gesundheitsgründen: tatsächlich nicht imstande, diese strapaziöse Aufgabe zu erfüllen. Er mußte mehrmals operiert werden und hat in der letzten Zeit nur in wenig mehr als der Hälfte der Sitzungen des Nato-Rats den Vorsitz führen können.
Der Rücktritt Stikkers ist für die Nato, aber auch für Bonn ein Verlust: Der überlegene und immer wohlwollende Holländer war bei den Regierungen aller Mitgliedstaaten des Atlantik-Pakts respektiert und angesehen; mit Konrad Adenauer jedoch, der gegenwärtig seinen Urlaub in Stikkers Villa am Comer See verbringt, verbindet ihn echte Freundschaft.
Für die Nachfolge Stikkers stehen zwei von ihren Regierungen vorgeschlagene Kandidaten in vorderster Linie:
- Der italienische Botschafter in Paris,
Manlio Brosio.
- Der ständige Unterstaatssekretär im britischen Außenamt, Sir Harold Caccia.
Die englische Regierung hat ihren ganzen Einfluß aufgeboten, damit Sir
Harold gewählt wird; London will nach dem von de Gaulle erzwungenen Ausschluß aus der EWG auf diese Weise die ihm zukommende Rolle im westlichen Bündnis herausstreichen. Dennoch werden dem Italiener die größeren Chancen eingeräumt.
Die südlichen Nato-Länder unterstützen ihn; Italien, die Türkei und Griechenland glauben, sie seien an der Reihe, nachdem schon einmal mit Lord Ismay ein Engländer und danach ein Belgier und ein Holländer das Nato-Sekretariat geleitet hätten.
Darüber hinaus kann Brosio auch auf die Stimme der Bundesrepublik zählen. Denn die Bundesregierung hofft, daß dann ein deutscher Diplomat zum Stellvertreter eines italienischen Generalsekretärs ernannt wird.
Zur Zeit hat der Italiener Guido Colonna, der ebenfalls als Nachfolger Stikkers im Gespräch ist, weil er im Nato-Rat viele Sympathien genießt, diesen Posten inne. Die Italiener müßten den Stuhl jedoch räumen, wenn Brosio oder Colonna Generalsekretär würde, da zwei Italiener an der Nato-Spitze gleichzeitig nicht tragbar wären.
Bonn hat für diesen einen Diplomaten der ersten Garnitur für den Posten des stellvertretenden Nato-Generalsekretärs in Erwägung gezogen: den Ministerialdirigenten und stellvertretenden Leiter der 1. Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Dr. Alexander Böker.
Böker, 52, ging 1938 als Rhodes-Scholar nach England, war während des Krieges Assistent an der Harvard-Universität in Amerika und gehörte bereits 1949 zur Dienststelle Blankenhorn im Bundeskanzleramt, der Keimzelle des neuen Auswärtigen Amtes.
»Alex« Böker, zu dessen internationalem Freundeskreis der Herzog und die Herzogin von Windsor zählen, hat bereits einschlägige Nato-Erfahrungen: Er war vor seiner Rückkehr nach Bonn Abteilungsleiter im Generalsekretariat und davor persönlicher Referent Dirk Stikkers.
Stellvertreter-Kandidat Böker
Freunde in der großen Welt