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NACKTE Ausgschamts Weibsbild

Wer sich oben frei reckt, ist als Faschingsprinzessin in Bayern schnell unten durch.
aus DER SPIEGEL 2/1982

Nur drei Nächte lang regierte Marlene P., 23, die Narren der Gesellschaft »Bavaria«. Dann brachte sie ein Zeitungsphoto um den Thron. Eine »Porno-Prinzessin«, fanden die Isar-Narren, könne man nicht gebrauchen.

Zum zweiten und nicht zum letzten Mal in dieser sündigen Saison suspendierte der Sitten-TÜV einer bayrischen Gaudi-Gesellschaft seine Faschingsprinzessin. Beim Sex hört sich der Spaß auf.

Per Annonce hatte der junge Vorstadtverein »Bavaria«, hundert zahlende Mitglieder, um seine diesjährige »Lieblichkeit« geworben. »Wir sind froh«, so Präsidentin Rosi Moritz, 35, »wenn wir überhaupt jemand finden.«

Denn das lustige Amt ist mit hohen Kosten verbunden, Gagen gibt es nicht. Am 2. Januar wurde Marlene P. mit ihrem Prinzgemahl Ulf I. vor 300 jubelnden Gaudianern im katholischen Kolpingheim feierlich inthronisiert.

»Sie war so charmant«, erinnert sich Rosi Moritz. Doch bevor das Treiben so richtig begann, gereichten der frisch gekürten Bozenerin auch schon die körperlichen S.74 Reize zum Nachteil, die sie ursprünglich für das närrische Amt qualifiziert hatten.

Die Telephonistin hatte vor Jahren für Sex-Aufnahmen posiert. Die Photoserie, von einem Pornoblatt veröffentlicht, zeigt das Mädchen anschaulich beim Versuch, zwei Schwule umzustimmen.

Präsidentin Rosi war »wie vom Donner gerührt«, als ihr Boulevard-Reporter die schlüpfrigen Bilder zeigten. Noch am selben Tag kündigte sie ihrer brünetten Prinzessin die Ballnächte: »Marlene, es hat keinen Sinn.« Der Münchner Fasching war wieder sauber.

Aber gerade für drei Tage. Schon am Freitag letzter Woche befleckte eine neue Enthüllung den heimischen Faschingsadel. Diesmal stürzte Prinzessin Andrea I., 22, aus Burgkirchen bei Altötting - es schien, als wären alle bayrischen Mädchen schon irgendwann mal nackt photographiert worden.

So traf es auch die Jura-Studentin Katharina Fleischmann, 22, die Faschingsprinzessin der »Narrhalla«, der ersten Faschingsgesellschaft am Platze. Vor Jahren hatte sie mit nacktem Oberkörper posiert, harmlos, auf der grünen Wiese - alles andere als ein Porno. Gleichwohl mußte auch sie, im November letzten Jahres, als »Katharina I.« abdanken, als nicht nur ein Bild, sondern auch ihre Mitarbeit an einem »Playboy«-Buch publik gemacht wurden.

Der sittenstrenge Renommierverein »Narrhalla« nimmt eigentlich nur Bewerberinnen »von Familien, die einen bestimmten Namen haben«. Und auch eine Inquisition mit Fragen nach Vermögensverhältnissen, Schulbildung und mittlerweile eventuellen nackten Drucksachen geht der Kandidatinnen-Kür voraus. Die Arzttochter Katharina Fleischmann konnte sogar eine Mutter vorweisen, die, so »Narrhalla«-Präsident Paul Stengel, »in einer katholischen Kirche die Orgel spielt«.

Es ist ja auch nicht leicht, Prinzessin zu sein. Längst tanzen Prinzengarde-Mädchen auf frivolen Festen mit bis zum Schamhaar gespreizten Beinen und tief dekolletierter Brust - und im Englischen Garten promenieren die Girls im Sommer eh mit blankem Busen.

Von der Prinz-Gemahlin aber fordert ein strenger Moral-Kodex tadelloses Benehmen und makellose Vergangenheit. Stengel: »Wir können es uns nicht leisten, daß die Leute mit Fingern auf uns zeigen.«

Harald Rohleder, 25, der Prinz des »Fasching-Club München«, denkt ähnlich. Seine Narren-Gemahlin »soll ein Vorbild sein und die Leute motivieren«, die Bevölkerung wünsche das. Kollege Klaus Liebergall, 28, als Prinz der Gesellschaft »Hasenbergl« zuständig für die Lustbarkeiten im Münchner Norden, wurde schon von Kunden angesprochen: Ein »ausgschamts Weibsbild« sei die gefallene Prinzessin Marlene gewesen.

In Schwierigkeiten werden biedere Narren-Herrscher, die den Fasching ernster nehmen als sich selbst, immer wieder kommen. Die Bewerberinnen um das harte Prinzessinnen-Amt sind oft Mädchen mit viel Ehrgeiz und Sinn für Publicity. »Wenn man nach oben will«, erklärte schon vor über zehn Jahren das Kölner Tanzmariechen Christel Gogoll, »muß man das eben machen mit dem Busen und so weiter.«

Ihr erging es schon 1970 wie jetzt den drei bayrischen Abservierten. Ein hannoverscher Verlag publizierte noch kurz vor der Fastenzeit einen »Girl«-Kalender mit aufreizenden Posier-Bildern, und das amtierende Mariechen war darunter. Der Karnevalsverein »Altstädter« reagierte mit Rausschmiß, Karnevalspräsident Fritz Figge reimte dazu die noch heute gültige Devise: »Von Zoten frei die Narretei.«

Präsidentin Rosi Moritz in München andererseits gibt sich inzwischen ganz weltstädtisch. Die Favoritin Marlene P. wäre nicht geflogen, sagt sie, wenn sie nicht gleich so »harte Sachen« hätte belichten lassen. Denn: »Gegen einen schönen Akt kann kein Mensch was sagen. Akt ist ja Kunst.«

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