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SPIONAGE Auskunft verweigert

aus DER SPIEGEL 37/1970

Der Sowjet-Agent »Jim« zieht den Schlapphut ins Gesicht, stellt den Trenchcoat-Kragen hoch und spottet: »Immer diese Spione. Es ist ja widerlich.«

Der Gestapo-Kurier verpatzt seinen Auftrag, weil er stottert. Die Funkspezialistin beherrscht ihren Geheim-Code nicht, und die Männer vom russischen Nachrichtendienst gehen lieber ins Kino, sehen sich Agenten-Filme an und rascheln mit Bonbontüten.

So sarkastisch hat der Münchner Regisseur Volker Koch, 27, ein zeitgeschichtliches TV-Werk inszeniert, das deutsche Fernseher mit der eidgenössischen Spionage-Szenerie im Zweiten Weltkrieg bekannt machen soll (ARD, Dienstag, 8. September, 21.00 Uhr, Farbe). Kochs halbdokumentarische Sendung -- Titel: »Pakbo« -- beweist zudem, daß Fernsehfilme, die auf geschichtlichen Tatsachen basieren, durchaus artifizieller sein können als etwa der platte Naturalismus der Freitags-Dokumentarspiele vom ZDF.

Die historische Wahrheit, im Film ohnehin kaum zu erreichen, war dem Filmmacher Koch in seinem »ironischen, nicht sehr politischen Film über das Agenten-Genre« auch gar nicht so wichtig. In langen Kamerafahrten, überdehnten Einstellungen, mit Weitwinkel-Aufnahmen und wortarmen Dialogen hat der Absolvent der römischen Filmakademie sein Sujet vielmehr zu einer elegischen Kino-Fiktion über die Demimonde der Spione, Spitzel und Kuriere stilisiert.

Das Fakten-Material zu dieser Bondiade beschaffte sich Koch hauptsächlich von den Schweizer Ruhestands-Agenten Edmond Hamel und Otto Pünter, der Schlüsselfigur des Stücks.

Schon in den zwanziger Jahren, so berichtet der greise Antifaschist nun vor der Kamera, »waren mir die gefährlichen expansiven Absichten der Faschisten klar«. Pünter spionierte deshalb unter dem Decknamen »Pakbo« für spanische Republikaner in Genua und Neapel. Er kollaborierte mit französischen und deutschen Widerständlern und dirigierte während des Krieges ein weitverzweigtes Korrespondenten-Netz. Es funktionierte so gut, daß Pünter beispielsweise den alliierten Geheimdiensten detaillierte deutsche Aufmarschpläne gegen die Sowjet-Union zuspielen konnte.

Ab 1940 paktierte der Nachrichtenhändler auch mit dem Chef des sowjetischen Geheimdienstes in der Schweiz, Sandor Rado, der bis zum Herbst 1943 Top-Secret-Meldungen aus dim Dritten Reich an die Moskauer Zentrale funkte. Dann wurde die Kreml-Runde von der eidgenössischen Abwehr ausgehoben.

Einzelheiten dieser Polizei-Aktion wollten die Schweizer dem WDR-Team nicht preisgeben. Drei auskunftswillige Abwehr-Spezialisten wurden von den Behörden zurückgepfiffen.

Ex-Sowjetagent Hamel weiß auch warum: »Die haben kalte Füße bekommen, weil es in der Schweizer Polizei Kreise gegeben hat, die mit den Nazis zusammengearbeitet haben.«

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