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Gedenfeier in Potocari: Trauer, Entsetzen, Fassungslosigkeit

Foto: DIMITAR DILKOFF/ AFP

15 Jahre nach Massaker 40.000 gedenken der Opfer von Srebrenica

Trauer, Entsetzen, Fassungslosigkeit auch nach 15 Jahren: Angehörige und Politiker aus aller Welt haben an der Beisetzung erst jetzt identifizierter Opfer des Völkermords von Srebrenica teilgenommen. Immer noch sind nicht alle Getöteten bestattet - und einer der Hauptschuldigen bleibt auf freiem Fuß.

Srebrenica - Im bosnischen Potocari haben am Sonntag etwa 40.000 Menschen an den Völkermord von Srebrenica vor 15 Jahren erinnert. Serbische Verbände hatten hier am 11. Juli 1995 mehr als 8000 muslimische Jungen und Männer ermordet. Es war das größte Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Spitzenpolitiker aus der Region und aus Europa gaben 775 erst jetzt identifizierten Opfern die letzte Ehre, die auf dem Gedenkfriedhof in Potocari beigesetzt wurden. "Das Grauen Srebrenicas ist ein dunkler Fleck auf unserem kollektiven Gewissen", hieß es in einer persönlichen Botschaft des US-Präsidenten Barack Obama. "Es wurden Menschen umgebracht, die an das Versprechen der internationalen Gemeinschaft glaubten, dass sie geschützt werden", schrieb Obama.

Das von den Vereinten Nationen als Völkermord bezeichnete Verbrechen ist das dunkelste Kapitel aus der Zeit des Zerfalls des früheren Jugoslawiens. Im Juli 1995 waren bosnisch-serbische Milizen in die damalige UN-Schutzzone Srebrenica einmarschiert und hatten an den niederländischen Blauhelmsoldaten vorbei vorwiegend Männer und Jungen verschleppt und getötet. Um ihre Verbrechen zu vertuschen, hatten die Milizen die Toten aus Massengräbern später wieder ausgegraben und letztlich an mehr als 70 Orten erneut verscharrt. Experten identifizierten nach Knochenfunden bisher insgesamt rund 6500 Opfer. In Potocari liegen erst etwa 3750 Tote begraben.

"Stilles Mahnmal dafür, was nie hätte geschehen dürfen"

Ein Jugendchor eröffnete mit dem Oratorium "Srebrenica-Inferno" die Gedenkfeier. Unter den ausländischen Gästen waren für die EU-Ratspräsidentschaft der belgische Regierungschef Yves Leterme sowie der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und der französische Außenminister Bernard Kouchner. Für die EU erklärten die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und Erweiterungskommissar Stefan Füle in Brüssel: "Srebrenica ist heute ein stilles Mahnmal dafür, was niemals hätte geschehen dürfen und niemals wieder geschehen darf."

Präsident Erdogan zeigte sich bewegt vom Treffen einer muslimischen Mutter mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic. Die Frau hat in Srebrenica zwei Söhne verloren. "In den Augen dieser Mutter war Trauer, aber kein Hass", sagte der türkische Regierungschef. "Sie ist eine ehrenhafte Frau." Die Zuhörer applaudierten, während sie die Reden der Offiziellen sonst ohne sichtbare Reaktion über sich ergehen ließen.

Tadic erklärte, seine Teilnahme an der Zeremonie sei "ein Akt der Aussöhnung und des Brückenbauens" zwischen den Nationen des ehemaligen Jugoslawiens. Das serbische Parlament hatte das Verbrechen im März verurteilt und sich bei den Opfern und deren Familien entschuldigt.

Kritik an der Teilnahme des serbischen Präsidenten Boris Tadic

Zahlreiche Angehörige der Opfer standen der Teilnahme des serbischen Präsidenten an der Zeremonie dennoch kritisch gegenüber. "Er sollte sich schämen nach Potocari zu kommen, solange er nicht die meistgesuchten Kriegsverbrecher gefasst hat", sagte die Witwe Mehmedovic. Während der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic im Sommer 2008 in Belgrad gefasst wurde und vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag steht, ist der frühere bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladic auch heute noch auf der Flucht.

Auch Obama verlangte ebenso wie Bundesaußenminister Guido Westerwelle, dass Mladic endlich festgenommen werden müsse. Mladic soll sich in Serbien versteckt halten. Westerwelle (FDP) appellierte zugleich an die Politiker auf dem Balkan, "über den schmerzhaften Erinnerungen an die Kriegsereignisse nicht die Chance zu versäumen, im Sinne der gemeinsamen europäischen Perspektive erfolgreich zusammenzuarbeiten".

In Berlin war am Wochenende ebenfalls der Opfer des Massakers gedacht worden. Vor dem Brandenburger Tor war ein Berg von mehr als 8000 Paar Schuhen aufgetürmt worden. Die Schuhe - jedes Paar soll an einen Ermordeten erinnern - sollen im kommenden Jahr in Bosnien zu einem Denkmal, der "Säule der Schande", aufgetürmt werden. Die Veranstaltung in Berlin hatten unter anderem die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und der Aktionskünstler und Initiator des Mahnmals, Phillipp Ruch, organisiert.

yes/dpa/apn/AFP
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