
50 Jahre Konferenz von Belgrad: Traum von der neutralen Macht
50 Jahre Belgrader Konferenz Die Agonie der Blockfreien
Es waren die hohen Zeiten des Kalten Krieges, der Beinahe-Konfrontation zwischen Nato und Warschauer Pakt sowie der schwärenden Angst vor einem nuklearen Weltuntergang. Drei Wochen nach dem Bau der Berliner Mauer meldete sich in diesem globalen Vereisungsprozess da vom Balkan eine Stimme der Vernunft, welche die Supermächte Amerika und Sowjetunion zur Mäßigung mahnte und zur friedlichen Koexistenz.
Auf Initiative des einstigen Partisanenmarschalls Josip Broz Tito hatten sich im September 1961 in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad die Staats- und Regierungschefs von 25 Ländern versammelt, die meisten aus Asien und Afrika.
Frühe Wortführer der Idee der Blockfreiheit, die schon mit der Konferenz von Bandung 1955 einen wichtigen Schritt zur Gründung der Bewegung genommen hatte, waren außerdem Indiens feingeistiger Premier und Brahmane Jawaharlal Nehru wie auch der ägyptische Nationalrevolutionär Gamal Abd al-Nasser. Mit von der Partie bei der Gründungskonferenz in Belgrad waren auch Indonesiens erster Präsident Achmed Sukarno, Ghanas Kwame Nkrumah, Guineas Urwald-Sozialist Sékou Touré oder Äthiopiens Kaiser Haile Selassie. Sie allesamt waren Arrivierte des Umbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg im neuen Zeitalter von Selbstbestimmung und Entkolonialisierung.
Die Belgrader Gründerversammlung der paktungebundenen Staaten forderte in einer 27-Punkte-Erklärung die Unabhängigkeit aller Völker, insbesondere für die Kolonialgebiete, allgemeine Abrüstung und ein Verbot von ABC-Waffen sowie wirtschaftliche Gerechtigkeit und Wohlstand auch für die Entwicklungsländer. Es war der politische Versuch, gegen eine bipolare Ordnung zwischen Washington und Moskau eine Dritte Kraft als eigenständigen Faktor der Weltpolitik zu organisieren.
Vor allem der Jugoslawe Tito, Sieger über Hitlers Balkan-Truppen und erfolgreicher Ketzer gegen Stalins kommunistischen Alleinvertretungsanspruch, war ein Profiteur des Ost-West-Konflikts, der die Supermächte geschickt gegeneinander auszuspielen wusste. Dies geradezu "schamlos", wie schon Jahre vor dem Belgrader Treffen der amerikanische Außenminister John Foster Dulles aufgebracht fand.
Geltungsdrang, Selbstüberschätzung und antiwestliche Schlagseite
Für zwei Jahrzehnte wurde Jugoslawiens Hauptstadt - neben den unterschiedlichen Austragungsorten der unregelmäßig stattfindenden Gipfelkonferenzen - zur Pilgerstätte der Mächtigen und Ohnmächtigen aus der Dritten Welt. Zur Visite beim Marschall erschienen Präsidenten und Premiers, Militärherrscher, Revolutionsführer und Ölscheichs, die schließlich zwei Drittel der Uno-Staaten und etwa die Hälfte der Weltbevölkerung vertraten, laut Tito "das Gewissen der gesamten Menschheit".
Ein Mikrokosmos mit einer ethnischen wie kulturellen Vielfalt ohnegleichen war das, aber auch mit scharfen politischen und sozio-ökonomischen Trennungslinien. Viele Diktatoren und unappetitliche Schurken gehörten zu den Führern dieser Bewegung, es gab Superreiche und Bettelarme unter den Bündnisfreien, bis heute zählen einige davon weltweit zu den absoluten Habenichtsen.
Geltungsdrang, Selbstüberschätzung, vor allem aber eine antiwestliche Schlagseite infolge der ideologischen Infiltration durch Moskaus Gehilfen Kuba, Vietnam und Algerien in den späten siebziger Jahren machten die Blockfreien zunehmend unglaubwürdig. Für Fidel Castro war die Sowjetunion der "natürliche Verbündete" der Bewegung in ihrem "neuen revolutionären" Anspruch. Der späte Tito besaß nicht mehr die Vitalität, sich gegen diese Unterwanderung zu stemmen. Und nach dem Tod dieses charismatischen Gründervaters schaffte es Nehrus Tochter Indira Gandhi ebenfalls nicht, das linke Abdriften zu korrigieren.
Die Blockfreien haben kein Gemeinsinn stiftendes Thema mehr
Die historische Zeitenwende mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und dem Aufbrechen der Blöcke beraubte die Bündnisfreien dann ihres Glaubensbreviers. Viele Staaten aus der Konkursmasse des Sowjetimperiums suchten Anschluss im westlichen Lager, eine Zukunftsmacht wie Indien stellt nationale Interessen längst über ihr vormaliges blockfreies Credo.
In diesen Tagen treffen sich die Blockfreien-Delegationen zur Jubiläumsfeier in Belgrad - heute nicht mehr Jugoslawiens Metropole, sondern im Rumpfnachfolger Serbien und deren Hauptstadt mit provinziellem Zuschnitt. Schöne Worte werden Agonie und Bedeutungsverlust der Blockfreien schwerlich kaschieren können, sie haben kein Gemeinsinn stiftendes Thema mehr.
Geradezu symbolisch dafür, dass der derzeitige Vorsitz der Bewegung bei Ägypten liegt, dem derzeit noch eine demokratisch legitimierte Regierung fehlt.