Abrüstungspoker Powell will Saddam mehr Zeit geben

Überraschendes Bekenntnis: Die Vereinigten Staaten wollen den Uno-Rüstungsinspektoren nach den Worten von US-Außenminister Powell mehr Zeit geben. Zuvor hatte Diktator Saddam Hussein melden lassen, vier al-Samud-Raketen seien zerstört worden - der erste nennenswerten Abrüstungsschritt des Diktators. Die USA sprechen dennoch von Täuschungsmanövern.

Paris/Moskau - Colin Powell hatte zuvor in einem Interview des Senders "RFI" mitgeteilt: "Wir haben noch nicht um eine Abstimmung (über eine zweite Resolution) gebeten, weil wir noch immer nach einer friedlichen Lösung suchen." Den Inspektionen werde, wie von vielen gefordert, mehr Zeit eingeräumt, sagte Powell weiter. Auch die neue Irak-Resolution, die von den USA, Großbritannien und Spanien stammt, werde nicht unmittelbar zur Abstimmung im Sicherheitsrat vorgelegt. Sehr lange dürfe dieser Prozess allerdings nicht mehr andauern, fügte er hinzu.

In der Resolution 1441 werde nur ein Ziel verfolgt: die Abrüstung Iraks. "Ich muss aber dennoch sagen, dass, wenn wir Irak nicht dazu zwingen können, seinen Verpflichtungen nachzukommen, ein militärisches Vorgehen erforderlich wird, um dieses Regime zu stürzen und Massenvernichtungswaffen zu zerstören."

Russlands Lob kam unmittelbar

Russland begrüßte Powells Äußerungen; der stellvertretende russische Außenminister Juri Fedotow sagte, dies schaffe den verschiedenen Sicherheitsratsmitgliedern eine notwendige Atempause in dem Bemühen, "ihre Positionen zur Lösung des Irak-Konflikts anzunähern".

Er sagte nach Meldungen der russischen Nachrichtenagenturen Interfax und ITAR-Tass, Russland werde alles in seiner Kraft stehende tun, um die Kluft im Sicherheitsrat zu überbrücken. Zum von Bagdad gemeldeten Beginn der Zerstörung von al-Samud-Raketen sagte er, dies würde eine "positive Wirkung auf die Debatte im Sicherheitsrat haben".

Zum jetzigen Zeitpunkt einen Krieg zu beginnen würde in scharfem Widerspruch "zur wirklichen Lage und Bagdads aktiver Kooperation mit den Uno-Inspektoren stehen", sagte Fedotow laut Itar-Tass. In einer Botschaft an die Teilnehmer des Gipfeltreffens der Arabischen Liga hatte der russische Präsident Wladimir Putin zuvor erklärt, es sei unmöglich, "nicht die Bereitschaft der irakischen Seite zur konstruktiven Zusammenarbeit mit den internationalen Inspektoren zu bemerken". Die Inspektionen sollten daher fortgesetzt und, wenn nötig, ausgeweitet und verstärkt werden.

Raketenzerstörung: Bagdad meldete Vollzug

Zuvor hatte Bagdad die Zerstörung der ersten vier al-Samud-Kurzstreckenraketen bekannt gegeben. Aus irakischen Regierungskreisen verlautete, die vier Raketen seien in der Region al-Tadschi vernichtet worden, rund 30 Kilometer nördlich von Bagdad.

Von Seiten der Uno klang das ein wenig anders. Sprecher Hiro Ueki sagte am Samstag in Bagdad, die Prozedur habe unter Uno-Aufsicht begonnen. Der stellvertretende Chefinspekteur Demetrius Perricos berichtete, mindestens eine Rakete sei komplett zerstört worden. Der Prozess sei langwierig, weil die Geschosse sehr robust seien. Eine von zwei Gussformen zur Herstellung der Raketen sei entfernt worden und solle nach irakischen Angaben am Samstag zerstört werden. Die Vernichtung der Raketen sei dagegen eine Sache von immerhin ein paar Tagen oder sehr weniger Wochen.

Die Uno-Resolution 1441 verlange die vollständige, totale und sofortige Entwaffnung Iraks, kommentierte die Sprecherin des US-Präsidialamtes, Mercy Viana, die zerstörung der Raketen. "Sie fordert nicht die teilweise Entwaffnung." US-Präsident George W. Bush habe stets vorausgesagt, dass Irak seine al-Samud-Raketen als Teil seines Täuschungsmanövers zerstören werde, sagte Viana.

Blix hatte Irak ein Ultimatum bis zum Samstag gestellt, mit der Zerstörung der al-Samud-2 zu beginnen, weil sie in Tests weiter als die von den Uno erlaubten 150 Kilometer flogen. Er begrüßte Bagdads Einlenken am Freitag als "sehr bedeutenden Teil wirklicher Abrüstung". Der französische Außenminister Dominique de Villepin nannte es einen "wichtigen Schritt für die friedliche Abrüstung". Fedotow sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Itar-Tass am Samstag, eine Entscheidung über einen Krieg gegen Irak stünde "in scharfem Gegensatz zur aktiven Kooperation Bagdads mit den Waffeninspekteuren".

Mit den Uno-Inspektoren hat sich das Regime in Bagdad auf einen Zeitplan für die Verschrottung des gesamten beanstandeten Raketenprogramms geeinigt. Von der tatsächlichen Verschrottung dürfte es abhängen, ob eine Mehrheit der Mitglieder im Sicherheitsrat für weitere Inspektionen oder einen Militäreinsatz stimmt. In einem 13-seitigen Bericht, den Blix dem Sicherheitsrat am Freitag vorlegte, machte er klar, dass die al-Samud-Raketen nur eines von vielen ungeklärten Problemen seien. Blix wird dem Sicherheitsrat am 7. März erneut Bericht erstatten.

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